Bilder machen Wahlkampf

Petra Bernhardt
am 05.10.2020

Wahlkämpfe sind Materialschlachten, bei denen Bilder eine wichtige Rolle spielen. Der aktuelle Wahlkampf in Wien, der diese Woche ins Finale geht, findet aufgrund der Covid-19-Pandemie unter außergewöhnlichen Rahmenbedingungen statt. Auftritte im öffentlichen Raum sind ebenso eingeschränkt wie der persönliche Kontakt mit potenziellen Wählerinnen und Wählern. Dadurch liegt ein stärkerer Fokus auf dem Wahlkampf in der Medienarena sowie in Sozialen Netzwerken. Eine relevante (wenngleich häufig unterschätzte) Frage beim politischen Bildeinsatz lautet, ob wahlwerbende Parteien ihre Werte, Inhalte und Ziele visuell vermitteln können bzw. wie sie die Inszenierung ihrer Kandidatinnen und Kandidaten damit in Einklang bringen. Wahlkampfbilder stammen im Wesentlichen aus drei Zusammenhängen, die sich nicht immer trennscharf voneinander abgrenzen lassen: von den wahlwerbenden Parteien, aus den Medien sowie zunehmend auch von Usern Sozialer Netzwerke, die Bilder kommentieren, bearbeiten und verbreiten. Online- und Offlinekommunikation wachsen immer stärker zusammen: Klassische Plakate werden im Rahmen von Medienevents präsentiert und unmittelbar danach online diskutiert. User bewerten Wahlkampfspots und Fernsehauftritte oder recherchieren die Herkunft von Stock-Bildern, die in Kampagnen Verwendung finden. Parteien nehmen auf die Kommunikation ihrer politischen Mitbewerber Bezug, indem sie Parodien auf Wahlkampfvideos erstellen oder mit ironischen Bezugnahmen und Sharables auf Aussagen reagieren (siehe z. B. Abb. 1 und Abb. 2). Vor allem die kleineren Parteien zeichnen sich im Wahlkampf durch ein intensives Engagement in Sozialen Netzwerken aus. Dabei zeigt sich, dass nicht nur die Kenntnis kanalspezifischer Genres und Konventionen, sondern auch ein Verständnis von Plattformen als Communities hilfreich ist, um rasch und zielgruppenadäquat auf politische Mitbewerber reagieren zu können.

Abb. 1: Instagram-Account der @neos_wien am 27. August 2020

Abb. 2: Instagram-Account der @linkswien am 28. September 2020

Im Medienwahlkampf wiederum sind die Kandidatinnen und Kandidaten mit einer gnadenlosen Abfolge von Interviews und TV-Duellen konfrontiert oder schlüpfen für ein Boulevardblatt in die angeblichen Traumberufe ihrer Kindheit (z. B. als Mitarbeiter der MA48). Politische Kommunikation ist also nicht nur das, was man macht, sondern immer auch, was man mit sich machen lässt. Starke und schwache Bilder Das Coronavirus ist während des gesamten Wahlkampfes der sprichwörtliche (Baby-)Elefant im Raum. Nicht nur der explizite Bezug auf die Pandemie im Rahmen der Kampagnen, sondern auch der sichtbare Umgang damit stellen eine Positionierung der Parteien dar und zeigen, wie ernst sie die Gefährdung nehmen. Während die meisten wahlwerbenden Parteien auf beispielhaftes Verhalten und “leading by example” setzen (siehe z. B. Abb. 3 und Abb. 4), zelebrieren das Team HC Strache und die FPÖ bei ihren Veranstaltungen oder beim Straßenwahlkampf ein Fehlen von Masken und Abstandsregeln (siehe z. B. Wahlkampffotos auf dem offiziellen Instagram-Account der Partei).

Abb. 3: Instagram-Account @diegruenenwien am 29. August 2020

Abb. 4: Instagram-Account @michaelludwig_official am 11. September 2020

Bei der Gestaltung klassischer Plakate wiederum zeigen sich Parteien nur selten innovativ, sondern bedienen sich aus einem konventionalisierten Bildrepertoire. Das kann aus schwachen Bildern bestehen, wie sie beispielsweise die SPÖ verwendet, um Michael Ludwig in Settings wie einem Krankenhaus oder einer Schule, vor einer Werkstätte oder auf einer Baustelle zu inszenieren. Bei schwachen Bildern handelt es sich um austauschbare Sujets mit tendenziell niedrigem Aufmerksamkeits- und Erinnerungswert, die den Fokus ganz auf den Kandidaten lenken. Die Hände werden bei Michael Ludwig zu einem Leitmotiv, das an eine lange Tradition in der politischen Kommunikation anknüpft. Einen Gegenpol bildet auch hier die FPÖ. Sie nutzt visuelle Stereotype (z. B. vollverschleierte muslimische Frauen, die in entpersönlichter Darstellung als Gruppe von hinten gezeigt werden), um grotesk überzeichnete Szenarien gegenüber zu stellen: auf der einen Seite Dominik Nepp mit einem blonden Mädchen und dem Stephansdom. Auf der anderen Seite vollverschleierte Frauen, die u.a. auf das Bildnis eines bewaffneten Kämpfers blicken. Die präsentierten Szenarien stellen potenzielle Wählerinnen und Wähler vor eine vermeintliche Entscheidung um die Zukunft Wiens: so oder so. Mit dieser extremen Bildsprache, die die bekannte FPÖ-Wahlkampfformel entweder-oder visuell umsetzt, rückt die FPÖ weiter nach rechts. Diese Zuspitzung liegt nicht zuletzt am Umstand, dass ihre Kernthemen weitgehend von der ÖVP übernommen wurden. Vom Spiel mit Assoziationen Bei ihrer Selbstdarstellung holen sich die wahlwerbenden Parteien auch Unterstützung aus der Bundespolitik. So präsentiert sich Gernot Blümel mit Bundeskanzler und ÖVP-Bundesparteiobmann Sebastian Kurz, während Birgit Hebein mit Gesundheitsminister Rudolf Anschober zu sehen ist oder die NEOS Beate Meinl-Reisinger und die Nationalratsabgeordnete Stephanie Krisper plakatieren. Die Kleinpartei LINKS wiederum stellt mit dem Slogan “Häupl würde LINKS wählen” einen Bezug zum populären Wiener Altbürgermeister her. In allen Fällen geht es um einen erwünschten Transfer positiver Images, der über das kommunikative Prinzip der Assoziation hergestellt werden soll. Bemerkenswert ist dabei auch, welche Parteien auf Unterstützung aus der Bundespartei verzichten: zumindest auf den Plakaten sind SPÖ-Parteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner und FPÖ-Chef Norbert Hofer nicht zu sehen. Mit dem Prinzip der Assoziation lassen sich nicht nur Kandidatinnen und Kandidaten, sondern auch Themen präsentieren. Die Grünen greifen in Sozialen Netzwerken beispielsweise auf Renderings zurück, um eine Begrünung der Stadt vorstellbar zu machen, oder bringen Pop-up-Radwege sowie Begegnungszonen ins Bild. Donald Trumps Aussage, dass Österreicher in Waldstädten wohnen, befeuerte nicht nur den ironischen Hashtag #ForestCity, sondern gab den Grünen auch die Möglichkeit, in einem Kurzvideo ein zentrales Anliegen an ein aufmerksamkeitsstarkes Medienthema anzuschließen. Aktuelle Trends in der Organisation und Gestaltung moderner Wahlkämpfe setzen sich also auch im Wien-Wahlkampf fort. Dass Bilder dabei helfen können, Positionen und Ziele prägnant zu vermitteln, scheint unbestritten. Dieser Umstand lässt sich nicht zuletzt an der Menge des produzierten Materials ablesen. Die Möglichkeiten visueller Kommunikation wurden im aktuellen Wahlkampf allerdings nur sporadisch genutzt. Vor allem bei der Vermittlung politischer Anliegen gäbe es noch Potenzial.

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