Ein Hauch Steuern: Apple, Irland und das Problem für Österreich

Lisa Hanzl
am 17.07.2020

Das Gericht der Europäischen Union hat am Mittwoch entschieden, dass Apple keine Steuern an Irland nachzahlen muss. Warum begrüßt Irland, dass ihm 13 Milliarden Euro entgehen? Und warum ist das auch schlecht für Österreich?

Der IT-Konzern Apple zahlte zeitweise nur 0,005 Prozent Unternehmenssteuer in Irland, also ein Fünftausendstel des Steuersatzes in Österreich. Dadurch ersparte sich das Unternehmen 13 Milliarden Euro Steuern. Diese wollte die EU-Kommission im Jahr 2016 zurück klagen. Irland hat allerdings wenig Interesse an den Steuermilliarden und betont, dass es sich nicht um hinterzogene Steuern handle und dass Apple nach „normalen“, irischen Vorschriften besteuert wurde. Genau das ist das Problem.

Denn Irland ist einer der größten Steuersümpfe innerhalb der EU, gemeinsam mit Ländern wie den Niederlanden oder Malta. Sowohl die internationale NGO Oxfam und der Corporate Tax Haven Index (CTHI) des Tax Justice Network listen Irland so. Zurecht. Laut einer Studie fehlten Österreich allein im Jahr 2016 rund 181 Millionen Euro an Steuereinnahmen durch die sehr spezielle Steuergesetzgebung in Irland. Jedes Jahr entgehen dem österreichischen Fiskus rund 1,3 Milliarden Euro aufgrund von Gewinnverschiebungs-Tricks Richtung Steueroasen.

Nicht nur multinationale Giganten wie Apple verwenden steuervermeidende Praktiken, auch die österreichischen ATX-Unternehmen sind vorn dabei: 17 von 20 Unternehmen besitzen insgesamt 147 Töchter in Ländern mit einem nominalen Steuersatz von unter 10%. Bezieht man Länder mit einem Steuersatz bis inklusive 12,5% Steuersatz mit ein, verdoppelt sich die Anzahl der Beteiligungen in Niedrigsteuerländern beinahe.

Doch auch Länder mit hohen nominalen Unternehmenssteuersätzen können Steuersümpfe sein, indem die Gesetzgebung Ausnahmeregelungen möglich macht. Die Niederlande zum Beispiel haben einen Unternehmenssteuersatz zwischen 20 und 25 Prozent und sind trotzdem eine Steueroase, unter anderem aufgrund von großzügigen Steuerbefreiungen. Steuersumpf-Listen wie der CTHI beziehen diese Faktoren mit ein, wodurch sich die politische Relevanz des Themas verdeutlicht. Während sich laut CTHI 188 und laut Oxfam 199 Tochterfirmen der ATX-Unternehmen in Steueroasen befinden, sind es laut der offiziellen EU-Liste von „nicht-kooperativen Ländern und Gebieten“ bloß zwei, denn die Liste der EU hat nur 12 Einträge.

Länder wie Irland haben kein Interesse daran, faire Steuerpolitik zu betreiben, da sie als Steuersumpf große Konzerne anlocken – Stichwort Standortpolitik. Aus irischer Perspektive verdient man selbst mit niedrigsten Steuersätzen mit jedem Unternehmen dazu. Denn einerseits sind geringe Steuereinnahmen besser als gar keine. Andererseits wird auch Gewinn, der eigentlich an einem anderen Standort erwirtschaftet wurde, in Steuersümpfen wie Irland ausgewiesen und sorgt dort für Steuereinnahmen.

Ein weiteres Argument für Irland: Unternehmen im eigenen Land bringen Arbeitsplätze und zusätzliche wirtschaftliche Aktivität, die wiederum in anderen Ländern fehlt. Hier stellt sich die Frage nach europäischer Solidarität. Gerade Irland hat jahrzehntelang finanzielle Unterstützung durch die anderen Mitgliedsstaaten der EU erfahren und konnte seinen Lebensstandard dadurch stark steigern. Es wäre an der Zeit, die Niedrigsteuerpolitik aufzugeben.

Es ist dringend notwendig, dass die EU ganzheitliche Lösungen findet, denn im Durchschnitt gehen rund 20 Prozent der Unternehmenssteuereinnahmen von EU-Ländern durch Gewinnverschiebung verloren. Doch um unternehmerische Steuervermeidung zu unterbinden, braucht es gemeinsame Abkommen, für die es aus den bereits erwähnten Gründen oft wenig politisches Interesse gibt.

Eine bereits öfter diskutierte und zum Teil schon eingesetzte Maßnahme sind länderspezifische Berichterstattungspflichten, auch Country-by-Country-Reporting (CbCR) genannt. Hier müssen Unternehmen ihre Gewinne nach den Ländern, in denen sie erwirtschaftet wurden, aufgliedern. Dieses wurde 2016 für die EU verpflichtend eingeführt und kürzlich wurden erste Zahlen durch die OECD zugänglich. Doch im CbCR für Österreich ist nicht viel Information zu finden. Die Daten sind aufgrund eines Übersetzungsfehlers unvollständig und nur auf Ebene von Kontinenten (!) verfügbar. Somit können sie nicht für eine detaillierte Analyse verwendet werden.

Viele Finanzminister haben sich dafür ausgesprochen, für mehr Steuergerechtigkeit zu sorgen. Ex-Finanzminister Schelling war als langjähriger Geschäftsführer von XXXLutz wohl mitverantwortlich für dessen Steuerverschiebung nach Malta. 2017 sagte er als Minister: „Wir wollen Steuervermeidung, die mitten in Europa stattfindet, unterbinden“. Passiert ist wenig – gegen erweiterte Berichtspflichten von Unternehmen opponiert Österreich auch auf EU-Ebene. Erst kürzlich stimmte Finanzminister Blümel im EU-Rat gegen die Veröffentlichung der den österreichischen Finanzämtern bereits vorliegenden Daten der länderspezifischen Berichterstattung.

Die EU-Kommission hat außerdem bereits angedeutet, dass man auch andere Wege prüfen möchte, um die Steuertricksereien zu unterbinden. Und somit ist dem Urteil zumindest ein positiver Punkt abzugewinnen: nämlich, dass die Entscheidung des Gerichts zum Fall Apple das Thema Steuersümpfe und Gewinnverschiebung wieder in den Mittelpunkt der Debatte befördert.

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