Steuerreform: Wer zahlt mit?

am 17.03.2020

Corona machts möglich: In diesen Zeiten versteht sogar der gläubigste Neoliberale, warum wir einen handlungsfähigen Staat und ein gut organisiertes Gesundheitssystem brauchen. Was hat das mit der Steuerreform zu tun? Es lenkt den Blick darauf, dass es immer auch eine politische Frage ist, wer wie viel zu diesem Gemeinwesen beiträgt und wie stark davon profitiert.

Um die Wirtschaft nach der Epidemie wieder in Schwung zu bringen, wäre es klug die geplante Steuerreform auf Anfang 2021 vorzuziehen. Aber in anderer Form: denn der Verteilungscheck des Momentum Instituts zeigt: Das am wenigsten wohlhabende Drittel der in Österreich lebenden Menschen profitiert weder von der Senkung der Einkommensteuersätze, noch von der Erhöhung des Familienbonus Plus, noch von der Erhöhung bzw. Ausweitung des Kindermehrbetrags. Mehr noch, gerade jene in Pflegeberufen, im Lebensmittelhandel oder bei Lieferdiensten Beschäftigte, die in der Corona-Krise die größte Last tragen, würden von einer unveränderten Steuerreform wenig bis gar nicht profitieren. Ein eigentlich unerträglicher Gedanke.

Warum das so ist, zeigt eine Simulationsrechnung: In den obersten drei Einkommensfünfteln profitieren mehr als 90 % der Menschen. Im zweitniedrigsten Einkommensfünftel kommt die Steuerreform jedoch schon mehr als einem Drittel der Menschen nicht zu Gute und im untersten Einkommensfünftel profitiert nahezu niemand.

Der untere Mittelstand als Verlierer

Seit der letzten Steuerreform 2016 leiden ArbeitnehmerInnen, PensionistInnen und Selbstständige unter der kalten Progression und zahlen mehr Einkommensteuer, ohne dass sich ihre tatsächliche Kaufkraft erhöht hätte. Ein Ausgleich der kalten Progression durch die Steuerreform ist gerechtfertigt. Doch er erfolgt nicht für alle im gleichen Ausmaß. Nimmt man die tatsächliche Inflation von 2016 bis 2019 mit 6,7 %, erhalten Personen am unteren Ende der Verteilung im Zuge der Steuerreform gerade ihre kalte Progression bis 2019 abgegolten. Für die mittleren und oberen Einkommen erfolgt mehr als nur ein Ausgleich, statt 1,1% erhalten sie zwischen 2 und 3% des Nettomonatseinkommens durch die geplante Steuerreform.

Gerechter wäre dabei der einfache Weg: Würde man die Tarifsteuerstufen und alle Absetzbeträge um rund 16% anheben, könnte man die bisherige und zukünftige kalte Progression bis 2023 abdecken. Und das um dasselbe Volumen. Diese Entlastung hätte eine wesentlich gerechtere Verteilungswirkung als die Steuerreform der Regierung.  Besonders schockierend ist, dass besonders das zweite Fünftel – der untere Mittelstand –zu den Verlierern der Steuerreform gehört. Sie bekommen ihre zukünftige kalte Progression nicht erstattet. Die oberen Einkommensgruppen hingegen bekommen eine Entlastung, die darüber hinausgeht.

Steuerzuckerl dank Gender-Pay-Gap

Die ungleiche Einkommensverteilung zwischen Männern und Frauen führt dazu, dass Frauen mit durchschnittlich EUR 30 netto im Monat nur halb so viel von der Änderung der Einkommensteuersätze bekommen wie Männer, die im Durchschnitt mit EUR 60 netto im Monat profitieren.

Der Grund dafür ist, dass unter den Geringverdienern mehr als doppelt so viele Frauen als Männer zu finden sind, im obersten Einkommensfünftel dreht sich dieses Verhältnis um. Hier befinden sich 0,99 Mio. Männer und nur 0,38 Mio. Frauen.

Der wohlbestallte Alleinverdiener

Hinter dem Familienbonus steckt die Idee des Alleinverdieners mit höherem Einkommen. Dementsprechend ist die Erhöhung des Familienbonus nicht sozial gerecht. Sinnvoller wäre es, simpel die Familienbeihilfe zu erhöhen. Dadurch profitieren in jedem Einkommensfünftel mehr Menschen und die Profitierenden wären auch gleichmäßiger verteilt.

Körperschaftssteuer: besser aussetzen

Die Bundesregierung argumentiert, dass eine Senkung der Körperschaftsteuer die Investitionen ankurbelt und dadurch mehr Arbeitsplätze entstehen. Insgesamt stellt die KöSt-Senkung jedoch nicht die geeignetste Maßnahme dar, um höhere Investitionen zu erzielen. Und: Bei gleichbleibendem Konjunkturverlauf zieht eine 4 %-Senkung einen Einnahmeverlust für den Staat von über EUR 1,6 Mrd. jährlich nach sich.

Hinzu kommt, dass seit den 1990er Jahren im Durchschnitt der EU-Länder die Unternehmenssteuern in einem schädlichen Steuerwettbewerb sinken. Österreich ist keine Ausnahme. Nach der großen Senkung von 34 % auf 25 % im Jahr 2005 plant man nun eine Senkung auf 21 %. Damit würden wir noch unter den Euro-Länder-Schnitt fallen und den Steuerwettbewerb innerhalb der EU anheizen. Und das, ohne Maßnahmen zur Verhinderung von Steuertricks von Konzernen zu setzen, durch die Österreich jedes Jahr mehr als eine Milliarde Euro verliert.

Verteilungspolitischer Ausgleich fehlt

Steuersenkungen bei der Einkommensteuer lassen die Reichen nahezu „automatisch” profitieren. Bei den letzten Steuerreformen wurde daher immer auch ein verteilungspolitischer Ausgleich eingeführt. Die Steuerreform 2012 beinhaltete höhere Steuern auf Immobilien und Grundstücksverkäufe, eine Solidarabgabe für höhere Einkommen und die Kürzung des Gewinnfreibetrags. 2016 wurde u.a. ein höherer Spitzensteuersatz und die partielle Erhöhung der Kapitalertragsteuer und eine Erhöhung der Negativsteuer beschlossen. Nichts von alledem findet sich im türkis-grünen Vorschlag, stattdessen sind Erleichterungen für Aktiengewinne geplant. Und besonders bitter: die historische Schieflage, dass vor allem Arbeit besteuert wird und Vermögen und Erbschaften kaum, wird beibehalten. Die Kosten der Corona-Kiste werden so jenen aufgebürdet, die am meisten unter ihr leiden.

 

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