Ein Framing, sie zu knechten?

Jakob-Moritz Eberl
am 18.03.2019

Mitte Februar hat ein “Framing-Manual” in Deutschland für Aufregung gesorgt. In dem internen Dokument gab die Kommunikationsberaterin Elisabeth Wehling der ARD vermeintliche Tipps zur Wortwahl um das Vertrauen der Bürgerinnen in den Sender wieder zu stärken. Einerseits sollten Sprachbilder wie “unser gemeinsamer, freier Rundfunk” betont werden. Andererseits könnten Kritikerinnen als “illoyal” diffamiert werden. Und dann gab es da noch den Vergleich privatwirtschaftlicher Sender mit “medienkapitalistischen Heuschrecken”…

Zur Verteidigung muss man sagen, dass es sich hierbei nicht um eine Anweisung handelte, sondern um eine Diskussionsgrundlage. Das Dokument war nie für die Veröffentlichung vorgesehen. Dennoch wird es nun scharf kritisiert, vor allem von Rechten und Gegnerinnen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Will die ARD die Bürgerinnen einer Gehirnwäsche unterziehen? Wer ist vor solchen Medienmanipulationen noch sicher? Oder wird hier doch heißer gekocht als gegessen?

Entmystifizierung ist in dieser Debatte dringend notwendig. Die Mechanismen politischer Kommunikation sind nicht so einfach, wie wir uns das manchmal vorstellen. Im öffentlichen Diskurs wird oft noch von einem Kommunikationsmodell aus der Frühzeit der Medienwirkungsforschung ausgegangen, wo einem klaren Stimulus eine deutliche Reaktion folgt. Einstellungen zu bestimmten Themen würden uns dabei über Medienberichterstattung oder gezielte politische Aussagen quasi “eingeimpft” (Hypodermic-Needle-Model).

Vor diesem Hintergrund hat auch das Konzept des Framings in der Öffentlichkeit mystische Kräfte bekommen. Der Grundgedanke dabei ist, dass das menschliche Gehirn einen Deutungsrahmen benötigt um Information zu verarbeiten. Beeinflusst man den Deutungsrahmen, beeinflusst man infolge die Informationsverarbeitung und die daraus entstehenden (politischen) Einstellungen. Kommunikationsberaterinnen werben dabei damit, dass bestimmte Worte oder Sprachbilder genutzt und andere vermieden werden sollten. Danach würden sich alle (Image-)Probleme quasi von selbst lösen. Obwohl Sprache Wirklichkeit schafft, ist es nicht immer ganz so einfach.

“Framen? Was ist das schon wieder?” fragte Michael Häupl im Falter-Interview im September 2017. Seine Frage ist dabei durchaus begründet. Denn auch in der Kommunikationswissenschaft ist man sich bis heute nicht einig, ab wann genau von Framing gesprochen werden kann und wie sinnvoll das Konzept tatsächlich ist. Im seltensten Fall geht es bei der vermeintlichen Wirkung von Framing um Persuasion, also darum, eine Person, die eine bestimmte Meinung hat, von einer anderen Meinung zu überzeugen. Stattdessen werden oftmals nur schon vorhandene Einstellungen verstärkt.

Tatsächlich ist die Messung von Kommunikationseffekten für die Wissenschaft oftmals eine Herausforderung. Geht es um Medieneinflüsse, wird oft von “minimalen Effekten” ausgegangen, denn selten findet man generalisierbare Wirkungen, die zugespitzte Aussagen, wie sie in der Kommunikationsberatung gerne getätigt werden, empirisch belegen würden. Stattdessen findet man eine Beeinflussung durch Medien z.B. eher bei Personen, die sich in einem Thema erst wenig auskennen und keine verfestigten Einstellungen dazu haben. So finde ich in einer Studie zur Wahlberichterstattung zur Nationalratswahl 2013 zum Beispiel, dass positive und negative Bewertungen von Parteien in den Medien ausschließlich jene Wählerinnen beeinflusst hat, die niedriges politisches Wissen hatten und die keiner Partei nahe standen. Außerdem ist alleine aufgrund der selektiven Mediennutzung, also dem Faktum, dass Bürgerinnen in erster Linie Medien nutzen, deren Inhalte sie ohnehin teilen und denen sie vertrauen, der Spielraum für mögliche manipulative Medieneffekte eher gering. Sie existieren nur in Verknüpfung mit den schon vorhandenen Prädispositionen der Bürgerinnen. Von “Gehirnwäsche” – wie die BILD vermutet – sind wir weit entfernt.

Warum dann die Sorge vor Manipulation durch Medien? Einerseits wird die Mär der Omnipotenz von Framing natürlich von jenen verbreitet, die mit Framingberatung ihr Geschäft machen. Andererseits wissen wir, dass Menschen dazu tendieren zu glauben, dass die Massenmedien alle anderen viel stärker beeinflussen würden als sie selbst (Third-Person-Effekt). Die wohl zentralste Studie zu diesem Phänomen stammt aus den USA aus den achtziger Jahren. Unter anderem wird dort anhand einer Umfrage veranschaulicht, dass nur 32% der Befragten meinen, sie wären als Kind sehr stark von Fernsehwerbung beeinflusst worden. Doppelt so viele sind allerdings der Meinung, andere Kinder wären stark beeinflusst worden. Neuere Forschung zur US-Präsidentschaftswahl 2016 zeigt denselben Effekt bei der wahrgenommenen Beeinflussung durch Fake News. Republikanische Wählerinnen vermuten demnach die größte Beeinflussung durch Fake News bei Demokratinnen und vice-versa. Auf sie selber, so meinen sie, hätten Fake News aber die geringste Wirkung gehabt, auch im Vergleich zu anderen Anhängerinnen der eigenen Partei.

Letztlich sind es aber auch vor allem jene Bürgerinnen, die extreme politische Einstellungen vertreten, die den Medien gerne Parteilichkeit vorwerfen und ihnen die Absicht zur Beeinflussung unterstellen. In Österreich sieht man diesen Zusammenhang vor allem bei FPÖ-Wählerinnen. Laut Daten der Österreichischen Nationalen Wahlstudie (AUTNES), gaben unter den FPÖ-Wählerinnen aus 2017 etwa 28% an, dass sie den Medien überhaupt nicht vertrauen (d.h. unterster Skalenpunkt auf einer Elferskala). In anderen Ländern ist solch Misstrauen sowohl bei der extremen Linken als auch der extremen Rechten zu beobachten. Wählerinnen an den politischen Extremen wünschen sich eine Komplexitätsreduktion in Gut und Böse, die Medien so oft nicht liefern können, da es sie in der Realität selten gibt.

Das pseudowissenschaftliche Kommunikationspapier entpuppt sich am Ende als Eigentor für die ARD und verunsichert jene, die ohnehin wenig Medienvertrauen haben nur noch mehr (siehe auch Christoph Hofingers Falter-Kommentar zur Causa). Beratungsunternehmen, die sich mit klingenden Namen wie Berkeley International Framing Institute oder Cambridge Analytica schmücken, um sich in die Nähe von wissenschaftlichen Institutionen zu rücken, trifft das wenig. Sie wollen am Ende vor allem ihre Dienstleistung verkaufen – ungeachtet empirischer Evidenz. Bewusst oder unbewusst nähren sie damit die Sorge vor medialer und politischer “Gehirnwäsche” nur noch mehr.

Einerseits sollten die Medien deutlicher zwischen Marketing und Wissenschaft unterscheiden. Wo es notwendig ist, muss kritisch nachgefragt werden, denn auch von Expertinnen kann Evidenz eingefordert werden. Medien haben so die Möglichkeit das relevante Kontextwissen zu liefern, das die öffentliche Debatte entschärfen kann. Für die Wissenschaft heißt es andererseits, den Stand der Forschung deutlicher nach außen zu kommunizieren und damit einen Beitrag zu leisten, dass öffentliche Diskussionen überhaupt evidenzbasierter geführt werden können. So steigt dann am Ende möglicherweise auch wieder das Vertrauen in die Medien.

 

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