Brauchen wir eine Quote am Wahlzettel? Nein!

am 07.03.2019

Der Kulturverein einer Landgemeinde diskutierte kürzlich darüber, warum so wenige Frauen in die Kommunalpolitik einsteigen. „Weil Politik nichts für sie ist!“, röhrte ein Konservativer. „Weil Frauen unsere Sitzrituale nicht interessieren“, beklagte ein fortschrittlicher Linker. „Weil wir sie zu wenig ermutigen!“, sagte die Vertreterin der Grünen.

Dann erzählte sie von strukturellen Änderungen in ihrer Partei: keine abendlichen Gremiensitzungen mehr, stattdessen fokussierte Debatten, auch mal via Skype. Angebote für Kinderbetreuung während der Sitzungen. Und -selbstredend – eine selbst verordnete innerparteiliche 50:50-Quote. Die Grünen wachsen in dem kleinen Dorf, die männlich geführte SPÖ schrumpft.

Mehr Frauen, das bedeutet – zumal auf dem Land -mehr Gerechtigkeit: Wo nur Männerbünde über Steuermittel verfügen, fließen sie gern in Feuerwehrgaragen statt Kinderbetreuungsstätten.

Da liegt eine Versuchung sehr nahe: Um mehr Frauen in die Politik zu locken, verordne man allen Parteien staatliche Frauenquoten bei der Listenerstellung. Sogenannte „Paritätsgesetze“ gelten als letzter Schrei der Gleichberechtigung. In einigen europäischen Wahlkreisen wurden sie mit einmal mehr, einmal weniger Erfolg umgesetzt. Was bei der Vergabe öffentlicher Stellen zumindest ein bisschen funktioniert hat Quoten -, könnte doch auch die gewählten Vertretungsorgane „diverser“ machen.

Leider offenbart sich hier ein grundsätzliches Missverständnis über Demokratie. Eine staatliche Frauenquote auf Wahllisten würde das Ergebnis einer Wahl zum Teil vorwegnehmen. Parteien würde vorgeschrieben, wofür sie einzutreten haben, nämlich für Geschlechterparität in ihren Gremien. Aber genau das ist eben nicht zulässig. Parteien sollen, wie der Namen schon sagt, „Partei ergreifen“, auch für Dinge, die uns missfallen. Sie müssen auch nicht divers oder repräsentativ sein, im Gegenteil, sie sollen sogar Partikularinteressen vertreten. Einer fortschrittlichen feministischen Partei, die ihr Personal nur mit jungen Frauen besetzen will, wäre der Antritt bei „Parität“ ebenso verwehrt wie einer reaktionären, von Silberrücken dominierten Christenpartei.

Sollten nicht gleich auch andere Quoten vorgeschrieben werden? Migranten, Flüchtlinge, Muslime, Menschen mit Behinderung, Jugendliche, LGBT-Menschen, Women of Color: Sie alle sind unterrepräsentiert. Und warum sollte nicht auch der Kontostand („Mehr Arme in die Parlamente!“) eine Rolle spielen? Nein, das Wahlrecht kann die Kandidaten nicht nach Geschlecht, Klasse, Religion oder ethnischer Herkunft vorsortieren. Wie sich ein Vertretungskörper zusammensetzt, entscheiden die Wahlberechtigten in freier Wahl. Und nur sie. Sie sind mündig genug.

Eine Quote führt zudem in die „identitäre Sackgasse“, wie es der Verfassungsrechtler Klaus F. Gärditz nennt. „Mandatare des jeweiligen Wahlkreises würden nicht mehr als Repräsentanten aller Bürger wahrgenommen, sondern als Vertreter von stereotyp geformten Gruppen.“

Was also wäre zu tun? Die Parteien sollen sich zu Quoten verpflichten und den politischen Gegner angreifen, wenn er das nicht tut. Sie könnten auch, wie es der deutsche Verfassungsrechtler Udo Di Fabio vorschlägt, für jedes Direktmandat intern eine Frau und einen Mann aufstellen und dann abstimmen lassen, wer es kriegen soll. Und das Volk muss paritätisch besetzte Parlamente einfach auch wählen, wenn es diese will. Wie die letzte Wahl zeigte, ist dem Wahlvolk das Geschlecht aber meist egal, oft zählen andere Motive. Das haben wir zu akzeptieren, auch wenn es schmerzt.

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