Soll man Frauenhasser im Netz outen? Ja!

am 06.06.2017

Muss das wirklich sein? Als die ehemalige Grünpolitikerin Sigrid Maurer vergangene Woche einen Lokalbesitzer auf Facebook outete, weil er ihr zuvor via Facebook-Messenger geschrieben hatte, dass sie seinen „Schwanz“, den sie seiner Meinung nach beim Vorbeispazieren an seinem Lokal angeschaut hätte, „ohne Aufforderung in den Mund nehmen dürfe und bis zum letzten Tropfen aussaugen“ und ihn ihr „fetter Arsch“ zwar abtörne, aber weil sie prominent sei, würde er sie trotzdem gerne in diesen ficken, als Maurer also diese misogynen Unfassbarkeiten öffentlich machte, und zwar nicht nur den Screenshot der Nachrichten, sondern auch den Namen des Lokals und den Besitzer dazu, so, wie er sich in Facebook der Öffentlichkeit präsentiert, dachte ich mir zuerst: Muss das sein?

Es war ein solidarischer Reflex. Mit Maurer natürlich, nicht mit dem Lokalbesitzer. Müssen sich prominente Frauen wie Maurer im Jahr 2018 wirklich immer noch der Vertausendfachung dieser sexistischen Belästigungen und Beleidigungen aussetzen, ist es wirklich nötig, sich selbst so zu exponieren, damit sich endlich etwas ändert?

Die Frage, die viele so bewegt, nämlich ob es gerechtfertigt ist, dass Maurer damit auch ihren Belästiger an den Pranger der sozialen Netzwerke stellt, ihn also bloßstellt, obwohl er ihr „nur“ eine private Nachricht geschickt hat, stellte ich mir erst später.

Meine Antwort: Ja, auch das muss sein. Besonders deshalb, weil aus den Nachrichten an Maurer eine besonders tiefe, pornografisch aufgeladene Frauenverachtung spricht. Hier schreibt kein Irrer.

Es ist doch eindeutig: Wer, wenn nicht „prominente“ Frauen wie Maurer können mit Konteraktionen wie diesen etwas bewegen? Maurer hat großes soziales und mediales Kapital. Ihre Widerrede, ihr Protest wird gehört. Sie prangert ihren Belästiger ja nicht nur an, um sich selbst zu wehren, zu schützen und zu rächen. Sondern sie handelt solidarisch und stellvertretend für die vielen anonymen, nicht so wirkungsmächtigen Frauen, die solche und ähnliche Nachrichten immer noch tagtäglich auf den verschiedenen Nachrichtenkanälen ihres Handys aufpoppen sehen oder sie zugeflüstert bekommen, in halböffentlichen Bereichen, im Privaten oder vor Kollegen, zum Gaudium. Eine kleine Zote, eine blöde Anmache, ein schlechter Sexwitz. Hab dich nicht so, sei doch nicht so humorlos, hast du grad die Regel? Welche Frau kennt diese Situationen nicht.

Wenn wir in zehn Jahren auf die #MeToo-Bewegung zurückblicken, werden wir sie hoffentlich als eine viral-feministische Kulturrevolution sehen. Besonders dreiste Belästiger und Bedränger wie jenen Maurers zu outen wird eines ihrer erfolgreichsten Agitprop-Instrumente gewesen sein.

Es ist vergleichbar mit der Quotenregelung für Frauen in Aufsichtsräten und hoffentlich bald auch in Vorständen von Unternehmen: Auch sie muss man nicht gut finden, aber ohne sie wäre in Sachen Gleichstellung im Berufsleben nie etwas weitergegangen.

Beides sind, zugegeben, nicht die elegantesten, nicht die durch und durch fairsten und mitunter überschießenden Methoden. Aber gewisse Ausschläge gehören zu Umbruchphasen und Kulturrevolutionen nun einmal dazu, sie pendeln sich, ist das größere Ziel erst einmal erreicht, verlässlich wieder ein.

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