Nennen wir es doch Forum der Republik

am 12.08.2015

Stellen wir uns den Heldenplatz im Jahr 2025 vor. Er heißt inzwischen „Forum der Republik“. Der martialische Burgzaun ist endlich weg. Wir betreten das Forum nicht mehr durch das immer schon ein wenig sinister wirkende Äußere Burgtor, sondern flanieren vom Ring einfach in den neu geschaffenen „Park der Republik“ hinein. Der Ring ist in diesem Abschnitt eine Begegnungszone, ebenso wie die einst notorisch dicht befahrene Museumsstraße vor dem Museumsquartier. Dadurch ist eine großzügige Museumsmeile entstanden, vom Museumsquartier bis zur den Kaiserappartements in der Hofburg, flankiert von den Prunkbauten der Monarchie, dem Kunst- und dem Naturhistorischen Museen.

Rund um das Forum der Republik konzentrieren sich auch die wichtigsten politischen Institutionen: das Parlament, das Bundeskanzleramt und die Präsidentschaftskanzlei. Im Süden thront das Gedächtnis der Republik, die monumentale Nationalbibliothek mit ihren weitläufigen, unterirdischen Tiefenspeichern über dem Forum.

Die Hauptattraktion ist aber das neuerbaute Haus der Geschichte gleich gegenüber. Nach über 20 Jahren – das Museumsquartier wurde 2001 eröffnet – hat sich Wien wieder einen modernen Kulturbau geleistet. Dessen kühne Linien werden von Architekturkritikern in einem Atemzug mit dem Opernhaus in Oslo, dem Staatstheater in Kopenhagen oder der Elbphilharmonie in Hamburg genannt werden.

Fürwahr eine Dystopie, nicht wahr? Ein Heldenplatz neu – einschließlich einer längst überfälligen Umbennung – ist weder unrealistisch noch eine „provinzielle Idee“, wie die Presse vor kurzem schrieb. Wiens zentraler Platz gehört neu gestaltet. Alles andere wäre genau jenes „Klein-Klein“, das die Presse hinter der „Fixierung“ auf den Heldenplatz vermutet. „Klein-Klein“ wurde mit dem Platz schon bisher umgegangen. Typisch österreichische Notkompromisslerei ist etwa die Entscheidung von Kulturminister Josef Ostermayer (SPÖ), das Langzeitprojekt „Haus der Geschichte“ nicht in einem symbolträchtigen Neubau anzusiedeln, sondern im ersten Stock der Neuen Burg zu verräumen.

Dazu kam es nur, weil das in der Neuen Burg beheimatete Weltmuseum den Vollausbau im Hochparterre nicht finanzieren kann und Säle übrig hatte. Dumm nur, dass die ebenfalls in der Neuen Burg stationierte Sammlung alter Musikinstrumente nun nicht weichen will. Dabei war es Ostermayers oberster Beamter im Bundeskanzleramt, Präsidialchef Manfred Matzka, der vor sieben Jahren als Erster vorschlug, das Haus der Geschichte zwischen Volksgarten und Heldenplatz neu zu errichten.

„Klein-Klein“ ist auch das über Jahrzehnte gewachsene Sammelsurium verschiedenster Gedenkstätten rund um das Äußere Burgtor. Hier finden sich ein Heldendenkmal aus der Zeit des Austrofaschismus, ein Weiheraum für die Opfer des österreichischen Freiheitskampfes, ein Papstkreuz in Erinnerung an den ersten Besuch von Johannes Paul II. und ein Denkmal der Exekutive, das im Dienst verunglückten Polizisten gewidmet ist. Und gleich daneben: eine eingezäunte Hundesauslaufzone, auf ihre Art auch ein lebendiges Denkmal für des Wieners liebstes Haustier.

Unter „Klein-Klein“ fällt auch der Vorschlag von ÖVP-Wissenschaftsstaatssekretär Harald Mahrer, ein „Haus der Zukunft“ genau dort hinzustellen, wo jetzt die Hunde spielen. Viele seiner Argumente sind richtig. Will unsere Generation, 150 Jahre nach seiner Erbauung, tatsächlich keine andere moderne Signatur am Ring hinterlassen als eine Tiefgarage? Braucht Österreich nicht einen Ort, an dem nicht nur entlang des Wirklichkeits-, sondern auch entlang des Möglichkeitssinnes diskutiert wird?

Gleichzeitig verstellt Mahrers merkwürdige Fixierung auf ein Haus der „Zukunft“ statt der „Geschichte“ eher die Debatte über eine Heldenplatz-Neuordnung, als dass sie sie befeuert. Vielleicht sollte sein Vorschlag ja auch nur eine kleine Provokation unter verfreundeten Koalitionären sein.

Welches Etikett an einem Ausstellungsort am Ende hängt, ist schließlich zweitrangig. Wichtig ist, was drinnen passiert. Kein Historiker – schon gar nicht der international besetzte wissenschaftliche Beirat des Hauses der Geschichte mit dem Europahistoriker Oliver Rathkolb als Koordinator – würde ein Konzept ohne Bezüge zur Gegenwart und Zukunft vorlegen.

Wenn dem Heldenplatz etwas fehlt, dann ist es eine Gesamtplanung, die dem kulturellen, politischen und historischen Ausnahmecharakter dieses Areals gerecht wird. Wie die ausschauen könnte, gehört bald diskutiert. Ab 2017 wird der Heldenplatz ohnehin zur Großbaustelle. Das Parlament übersiedelt in ein Containerdorf. Die Burghauptmannschaft wünscht sich eine Tiefgarage, die Nationalbibliothek braucht neue Tiefenspeicher. Die Chancen, dass Österreich endlich ein „Forum der Republik“ statt einem „Heldenplatz“ bekommt, standen nie besser.

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