
Um keine Zweifel aufkommen zu lassen, eines vorweg: Die Öffnung der Sozialdemokratie zur FPÖ kommt politisch einem Bad in der Jauchegrube gleich. Diejenigen, die nun inner-und außerhalb der SPÖ plötzlich das Lied von der Öffnung zu den Blauen singen, müssen sich die Frage gefallen lassen, ob sie noch ganz bei Trost sind.
Es sind drei Argumente, mit denen Rot-Blau-Sympathisanten nun landesweit hausieren gehen: Zuallererst die These, dass, wenn die FPÖ Regierungsverantwortung übernimmt, sie nicht mehr mit dem Ausländerthema punkten könne, weil sie das Problem offensichtlich auch nicht lösen wird können. Zweitens das Schreckgespenst Schwarz-Blau: Wenn wir nicht mit der FPÖ koalieren, dann macht es die ÖVP. Gefolgt von der Annahme, dass die FPÖ der Sozialdemokratie in vielen sozialpolitischen Fragen näher stünde als die Volkspartei.
Aber der Reihe nach: Wer davon ausgeht, der Rassismus der FPÖ werde sich von selbst erledigen, sobald sie regiere, hat dessen Funktion nicht verstanden. Niemand braucht eine schlüssige Begründung für den eigenen Ausländerhass. Das Treten dorthin, wo gefühlt „unten“ ist, fungiert als Identitätsersatz und Selbstwertkrücke. Genau darum kann es sich die FPÖ ja auch so ungeniert leisten, sämtliche Lösungen für reale Probleme in der Migrationsgesellschaft zu blockieren: eine Bildungsreform, um Kinder nichtdeutscher Muttersprache bestmöglich zu fördern, statt sie von vornherein als Problem zu begreifen; Forcierung des öffentlichen Wohnbaus, des öffentlichen Nahverkehrs und kommunaler Dienstleistungen, um Ghettobildung zu vermeiden und soziale Durchmischung zu gewährleisten; und zur Begleichung all dessen eine Steuerreform, die das notwendige Geld dort holt, wo es ist: bei den oberen Zehntausend.
Nein, Regierungsämter haben die FPÖ in der Vergangenheit nicht weniger rassistisch und aggressiv gemacht und werden das auch in Zukunft nicht tun, denn genau das ist die Existenzgrundlage dieser Partei.
Generell geht das Argument von den zu zähmenden Blauen davon aus, dass es unter den herrschenden Bedingungen keine Alternative zum Wachstum der Freiheitlichen gibt. Und dass das „Ausländerthema“ von der gesellschaftlichen Wirklichkeit diktiert wird. Beides ist falsch.
Wenn es Andreas Babler schafft, in Traiskirchen Solidaritätsaktionen der einheimischen Bevölkerung zu organisieren und die FPÖ bei Wahlen mühelos an die Wand zu drücken, dann hat sich das Argument erledigt. Freilich: Man braucht Rückgrat dafür und alternative Themen, über die sich Menschen austauschen können. Der Gratiskindergarten war vor Jahren ein Thema, mit dem die SPÖ der Bundeshauptstadt erfolgreich einen weiteren Ausländerwahlkampf ersparte. Hätte sie schon damals auch schon Gemeindebauten errichtet, vielleicht hätte sie 2010 sogar die Absolute verteidigt.
Zur schwarz-blauen Gefahr: Tatsächlich bringen Wahlen (erst recht, wenn man sie verliert) immer das Risiko von Koalitionsvarianten mit sich, die einen selbst nicht einschließen. Der beste Schutz gegen die politische Bedeutungslosigkeit ist nicht, subtile Überlegungen anzustellen, von welchem Feind man sich lieber in den Abgrund stürzen lässt, sondern das Gewinnen von Glaubwürdigkeit, Vertrauen und Wahlen.
Wer die fehlende Durchsetzungskraft gegenüber der ÖVP in den letzten neun Jahren auf die fehlende rotblaue „Alternative“ schiebt, der belügt sich selbst. Denn in keinem der großen rot-schwarzen Streitpunkte (bei denen die SPÖ-Spitze oft deutlich mehr Energie in die Beschwichtigung der eigenen Basis als in die Auseinandersetzung mit der ÖVP investiert hat) hätte sie in der FPÖ einen Bündnispartner gefunden.
Womit wir beim im wörtlichen Sinne letzten Argument wären: die Behauptung, die Blauen stünden der Linken sozialpolitisch näher als der ÖVP.
Es bleibt ein Geheimnis der einschlägigen Apologeten, auf welche konkreten Forderungspunkte der FPÖ sie sich stützen. Auf das konsequente Eintreten für Niedrigsteuerpolitik bei gleichzeitiger Schützenhilfe für Steuerhinterzieher (etwa die Beibehaltung des Bankgeheimnisses)? Auf die von einem FPÖ-Sozialminister gestaltete Pensionsreform, mit der die heute 30-Jährigen im Durchschnitt in der Altersarmut landen werden? Auf die Forderung nach der Schwächung der Arbeiterkammern und dem Abbau gewerkschaftlicher Rechte?
Die vergangenen Wahlen haben ein eklatantes Glaubwürdigkeitsdefizit der SPÖ erkennen lassen. Die Sozialdemokratie würde sich selbst und der ganzen Gesellschaft einen Gefallen tun, wenn sie aufhörte, darüber zu streiten, ob es besser ist, ihre Seele an Blau oder Schwarz zu verkaufen. Es wäre erfolgversprechender, sich Gedanken darüber zu machen, wie sie ihre Glaubwürdigkeit zurückgewinnen kann, statt zum Nutzen einiger weniger Spitzenfunktionäre auch noch die letzte Konstante der eigenen Politik über Bord zu werfen.