Soll die SPÖ mit der FPÖ koalieren? Ja!
Über Politik diskutieren wir gerne höchst erregt, aber völlig geschichtsvergessen. Genauso ist es bei der Frage, ob die SPÖ mit der FPÖ koalieren soll. Niemals, das wäre der Vorhof zur faschistischen Hölle, das Ende der Glaubwürdigkeit der Roten, empören sich die Gegner. Und blenden dabei aus, dass die SPÖ schon einmal mit der FPÖ koaliert hat.
Die kleine Koalition unter Kanzler Fred Sinowatz hielt von 1983 bis 1986 und war gewiss kein Glanzstück der roten Parteigeschichte, sondern eine Art erzwungene Verlängerung der Bruno-Kreisky-Jahre. Rückblickend waren es drei ruppige, aber nicht fatale Jahre des Übergangs, geprägt von Wirtschaftsskandalen und der Waldheim-Affäre. Ganz ähnlich wie übrigens unter Schwarz-Blau von 2000 bis 2006, dem zweiten angeblichen „Sündenfall“ von Österreichs Demokratie, der uns so sündig nur erschien, weil wir die Konsenskultur der große Koalition zu sehr verinnerlicht und bisweilen auch verherrlicht hatten.
Die FPÖ war zu Zeiten Sinowatz‘ noch eine nationalliberale Honoratiorenpartei mit einem Haufen alter Nazis in ihren Reihen. Heute ist sie eine zum Establishment zählende rechtspopulistische, austro-patriotische Catch-All-Bewegung. Sie ist vor allem nicht das Problem, sondern nur ein Symptom desselben. Politologen gehen mittlerweile davon aus, dass rechtspopulistische Parteien auch in Zukunft und auf Dauer bis zu einem Drittel der Wählerschaft auf sich vereinen werden. Sie sind die politische Antwort auf die Umwälzungen der letzten drei Jahrzehnte: Globalisierung, Liberalisierung und Wirtschaftskrise.
Auch in EU-Regierungen sind Rechtspopulisten längst nicht mehr die Ausnahme, sondern Normalität. Fidesz in Ungarn, PiS in Polen, GERB in Bulgarien, ANEL in Griechenland, Finns in Finnland, PTT in Litauen, LNNK in Lettland und SNS in der Slowakei regieren oder regieren mit. Ohne Duldung der DF gäbe es auch die dänische Regierung nicht.
Als SPÖ also zu sagen „Nie mit der FPÖ“ heißt also nicht nur, ein Drittel der Wähler auszuschließen und die eigene Vergangenheit auszublenden, sondern auch die europäische Gegenwart und Zukunft zu negieren -und sich selbst im politischen System zu marginalisieren. Wird die SPÖ nicht stärkste Partei und kommt Rot-Blau, kommt Blau-Schwarz, und das für mehr als fünf Jahre. Die SPÖ kann also gar nicht anders, als sich von der völlig überholten Ausgrenzungsdoktrin -sie stammt aus dem Jahr 1986 – zu verabschieden, will sie politisch überleben. Die unüberbrückbaren, konkreten, inhaltlichen Differenzen zwischen SPÖ und FPÖ wird man ohnehin länger suchen müssen. In der Migrationsund Integrationspolitik bestehen sie schon seit Jahren nur mehr in Nuancen. Die so drängenden Bildungsreformen lassen sich mit der FPÖ leichter umsetzen als mit der verstockten ÖVP, auch verteilungspolitisch stehen sich Rot und Blau näher.
Was beide derzeit noch am stärksten unterscheidet, ist ihr politischer Stil. Die FPÖ verwendet die Ängste und Sorgen vor allem, um Wut und Ärger aufs „System“ zu erzeugen. Die SPÖ will sie in Perspektiven und Hoffnungen ummünzen. Ist die FPÖ Juniorpartner in einer Koalition, im Idealfall unter einem starken roten Kanzler, ist sie Teil des Systems und braucht andere Feindbilder.