Bitcoin – das Mega-Pyramidenspiel


PETER MICHAEL LINGENS

06.12.2017

Foto: pixabay.com / CC0 Creative Commons


Bitcoins wuchern. Nachdem man sie eine zeit lang sogar via „Pornhub“ kaufen konnte, kann man jetzt glücklich sogar an der Börse auf ihren künftigen Kurs spekulieren. Ich kenne ihn: nahe Null. Je nachdem wie viel wirkliches Geld -Dollar, Euro, Yen – hineingeflossen ist und was davon noch nach dem Rebbach der Erfinder und Händler noch übrig ist. Das einzige Problem besteht darin, dass ich nicht weiß, wann es so weit sein wird – kann sein, schon in ein paar Monaten, kann sein erst in etlichen Jahren.
Es ist in Zeiten wie diesen unklar, wie lange es dauert, biss alle Beteiligten begreifen, dass man aus Luft nicht Reichtum zaubern kann, auch wenn man „Blockchain“ „digital“ und „Internet“ damit verbindet.
Das heißt nicht, dass ich den Erfinder der Bitcoin nicht für genial halte: Er hat begriffen, was der Glaube an diese Worte wert sein kann. Wenn man etwas, das viele Leute haben wollen, weil sie glauben, dass es immer mehr wert sein wird, in seiner Menge begrenzt -und das hat er getan- dann muss es in seinem Wert so lange steigen, als es Leute gibt, die es weiterhin haben wollen. Der Kurs der Bitcoin kann durchaus von derzeit 11.000 Dollar (+/- 20 Prozent) auch auf 100.000 Dollar (+/- 20-50 Prozent) steigen. Es müssen sich nur immer wieder Leute finden, die dran glauben. Wenn sich keine mehr finden, wird es allerdings „Wumms“ machen und die Null oder fast Null wird da sein.

Glücklicher Weise sind die Banken diesmal vor dem Crash gewarnt

Die Frage ist eigentlich nur, ob das mit einem Crash in der wirklichen Wirtschaft verbunden sein wird, wie wir ihn bei den toxischen Derivaten erlebt haben. Denn die waren ja etwas durchaus Ähnliches: Etwas Undurchsichtiges, das in Wirklichkeit fast nichts wert war. Aber die Leute, die diese Derivate kauften, wussten das nicht und die Rating-Agenturen hielten sie bekanntlich in dem Glauben, sie wären sehr wohl sehr viel wert, also wurden sie weiterhin gekauft.
Das wirklich große Problem resultierte daraus, dass auch Banken – voran Lehman Brothers – großen Mengen dieser wertlosen Derivate gekauft hatten, und dass man Lehman pleite gehen ließ, nachdem mehrere Leute diese wertlosen Derivate gleichzeitig verkauften und ihr Kurs ins Bodenlose fiel.
Diesmal scheint diese Gefahr nicht zu bestehen: Der CEO von Goldmann Sachs hat öffentlich erklärt, dass er die Bitcoin für eine Spekulationsblase hält, Andreas Treichl, so entnehme ich dem Kurier, hat seinen Kindern den Kauf verboten und der CEO von JP Morgan Jamie Dimon nannte die Bitcoin „Fraud“ (Betrug)
Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz hat ihr Verbot gefordert..
Dennoch – ich hoffe es stimmt nicht- soll auch JP Morgan Bitcoins gekauft haben.
Denn wie mit den toxischen Derivaten kann man, solange das „Wumms“ nicht erfolgt, natürlich Geschäfte mit ihnen machen: Man kann Leute finden, die daran glauben und mehr wirkliches Geld, z.B. Dollar, dafür bezahlen, als man selbst dafür bezahlt hat. Es stimmt also durchaus, dass einige Leute durch Bitcoins reich geworden sind oder in Geschäften, die auch an Bitcoins glauben, günstig wirkliche Waren erworben haben.
Zum Glück für die Existenz der Bitcoin waren es nie sehr viele Leute die sich auf diese Weise von ihren Bitcoins trennten -wenn man glaubt, dass etwas immer wertvoller wird, behält man es im Allgemeinen, statt es zu verkaufen – sonst hätte es bereits „Wumms“ gemacht.

Eine Zeitlang wurden Bitcoins sogar via Pornhub verkauft.

Wenn der Kurs einmal ins Rutschen kommt müssen die Bitcoin-Händler allerdings schleunigst dafür sorgen, dass diese Rutschpartie so rasch wie mögliche (ein gutes Stück vor dem „Wumms“ )zum Stillstand kommt und sich wieder ins Gegenteil verkehrt. Dabei haben sie erstaunlichen Einfallsreichtum bewiesen: Eine Zeitlang konnte man auf „Pornhub“, der Internet-Plattform mit den meisten Aufrufe der Welt (92 Milliarden im Jahr 2016, 6 Millionen pro Tag ), während jedes flotten Dreiers oder ziemlich langen Gangbang einen Mann erklären hören, wie und warum man mit Bitcoins in kürzester Zeit unendlich reich würde, seine Schulden bezahlen, oder sich ein Haus kaufen könnte. Am Ende des jeweiligen Films schien eine Website auf, die tatsächlich – wie im Text versprochen- keine Kosten bescherte, sondern nur die Möglichkeit eröffnete ab 50 Dollar am Bitcoin- Wunder teilzunehmen.
Wenn nur ein Prozent der Pornhub- Kunden das getan hat, war der alte Bitcoin-Kurs wieder hergestellt.

„Irgendwann wird digitales Geld durchaus gültiges Zahlungsmittel sein“

Dass es so relativ leicht fällt, immer wieder Menschen von der Bitcoin zu überzeugen liegt daran, dass auch sehr ernsthafte Banker und Banken, ja Zentralbanken sich durchaus mit dem Thema einer digitalen Währung befassen. In Wirklichkeit gibt es ja den Euro oder den Dollar auch längst nur mehr zu einem verschwindenden Teil als Münze oder Schein – den mit Abstand größeren Teil gibt es nur mehr als Kontostände die miteinander in allen möglichen Beziehungen stehen, die man durchaus auch per Blockchain erfassen könnte.
Auch dass Dollar oder Euro funktionieren beruht letztlich darauf, dass wir auf ihr Funktionieren vertrauen. Es ist also durchaus möglich, dass Zentralbanken irgendwann zu digitalen Währungen übergehen.
Was ist dann der Unterschied zu Bitcoins?
Dass diese Zentralbanken, bzw. die dahinter stehenden Regierungen erklärt haben, dass der Dollar oder der Euro „gültige Zahlungsmittel“ sind, und dass wir dem vertrauen können.
Bezüglich der Bitcoin haben sie das nicht erklärt. Deshalb sollten wir nicht darauf vertrauen
Wohl aber werden die Zentralbanken vielleicht irgendwann eine eigene digitale Währung herausbringen, von der sie sehr wohl erklären werden, dass sie ein gültiges Zahlungsmittel ist. Sie werden Kurse festsetzten, zu denen man seine bisherigen Dollar oder Euro in diese neue digitale Währung umtauschen kann und die wird dann durchaus funktionieren.
Bitcoins hingegen werden sie nicht zum gültigen Zahlungsmittel erklären. Wenn ihre Besitzer daher in größerer Zahl versuchen werden, sie in Dollar oder Euro umzutauschen, wird es „Wumms“ machen.
Deshalb rate auch ich meinen Kindern und Freunden wie Andreas Treichl dringend davon ab Bitcoins zu erwerben.