Bei der Bildung kaum Neues

Das türkis-blaue Bildungspaket enthält nichts Besorgniserregendes - aber ich kann auch keinen Fortschritt gegenüber rot-schwarz erkennen.


PETER MICHAEL LINGENS

29.11.2017

Das türkis-blaue Bildungspaket enthält nichts Besorgniserregendes – aber ich kann auch keinen Fortschritt gegenüber rot-schwarz erkennen.
Das unbestritten eminent wichtige verpflichtende zweite Kindergartenjahr hat die SPÖ seit Urzeiten gefordert. Aber es ist wichtig dass es verwirklicht wird,
Auch die Vorschulklassen für Kinder die mit sechs noch nicht ausreichend Deutsch können sind vernünftig.
Dass ich auf Grund der ersten Stellungnahmen zu diesem Thema in der ZIB des Montag Abend der Meinung war, das Kindegartenjahr würde „hinten“ angehängt war ein Fehler meinerseits.
Vernünftig ist die Forderung, dass die Leiterin des Kindergartens akademisch ausgebildet sein soll, und dass das irgendwann für alle Kindergärtnerinnen gelten soll.
Dann wird man sie wenigstens irgendwann adäquater bezahlen müssen.
Allerdings wird es auf diese Weise besonders lang dauern, bis der aktuelle Mangel an Kindergartenpersonal behoben ist.

„Es ist vernünftig, Noten schon vor der vierten Klasse zu kennen“

Bezüglich der Volksschule werden wieder Noten eingeführt und charakteristischer Weise hat das den meisten öffentlichen Wirbel verursacht, obwohl es das Unerheblichste ist: Die SPÖ diagnostizierte prompt einen „Rückschritt“, obwohl die schriftliche Beurteilung ja weiterhin gleichzeitig stattfinden kann und ich mir vorstellen könnte, dass es für ein Kind reizvoller sein könnte, sich klar ersichtlich von einer 2 auf eine 1 zu verbessern, als zu lesen: „bei den letzten Diktaten hast Du kaum mehr Fehler gemacht.“
Jedenfalls macht es keinen wesentlichen Unterschied.
Und ganz sicher ist es unsinnig, die Kinder drei Jahre nicht zu benoten, um sie dann in der vierten Klasse unter besonderem Stress erstmals mit Noten zu konfrontieren, weil davon abhängt, wie ihr weiterer Bildungsweg verläuft.
Bezüglich dieses weiteren Weges bleibt türkis-blau „bei unserem differenzierten Schulsystem“, obwohl eine gute Gesamtschule noch mehr differenzieren kann, aber so wie sie in Österreich zustande gekommen wäre – mit viel zu großen Klassen (zu wenigen Lehrern bzw. Sozialarbeitern) hätte auch ich sie für keinen Fortschritt gehalten. Und dass man auch mit unserem System hervorragende PISA-Resultate erzielen kann, beweist die Schweiz.
Klimatisch ist der Unterschied allerdings groß: In der Vergangenheit hat es keine Gesamtschule gegeben, weil die ÖVP (und die Bevölkerung) sie nicht wollte, während die SPÖ das ständig beklagt hat – jetzt gibt es sie nicht, weil ÖVP und FPÖ sie gemeinsam nicht wollen. Es wird also keinen „Streit“ geben, was den Österreichern mit das wichtigste gibt – so wenig es die Realität beeinflusst.

„Auf der Ganztagsschule hat schon die SPÖ bestanden“

Ein wesentlicher Schritt dorthin ist das Forcieren von Ganztagsschulen mit verschränktem Unterricht, den Sonja Hammerschmid bis dahin einsam, aber erfolgreich unternommen hat. Die Hürde der Abstimmung unter Einbeziehung des Lehrkörpers bleibt freilich leider bestehen, weil die ÖVP die Ganztagsschule ja ursprünglich als „Zwangstagsschule“ verunglimpft hat.
Häufigere Zwischenprüfungen sind wahrscheinlich ein Vorteil. Dass man die Schule nicht verlassen kann, ohne ausreichend Deutsch und die Grundrechnungsarten zu beherrschen, war zu meiner Zeit (vor 60 Jahren) eigentlich auch nicht wirklich anders, weil man mit einem Fünfer sitzen geblieben ist und die Klasse einmal und zur Not zwei Mal wiederholt hat.
Dass dieses türkis-blaue Bildungspaket PISA-Ergebnisse in absehbarer Zeit erheblich verbessern wird, sehe ich nicht wirklich – aber es ist auch sicher kein Rückschritt.