„Die euphorischen Jahre sind vorbei“

Die Berliner Konferenz re:publica stellt die Frage: Wie können wir das Internet wieder zu einem Ort machen, an dem Bürgerrechte etwas wert sind?

INGRID BRODNIG | 04.05.2014

internet-republica-zuschnitt

Egal, ob man sich für die Überwachungstools der Geheimdienste interessiert oder für süße Katzenfotos im Internet: Die re:publica ist eine der buntesten und wichtigsten Veranstaltungen zur Netzkultur. Von einst 700 Besuchern ist die Berliner Konferenz auf ein Vielfaches gewachsen: Heuer werden 6000 Teilnehmer erwartet.

Für den Falter ist diese Woche auch Medienressortchefin Ingrid Brodnig vor Ort und bloggt von etlichen Diskussionen – auch jener mit David Hasselhoff. Was der Hollywood-Star auf der Konferenz zu suchen hat und was heuer die Programmhighlights sind, erzählt Markus Beckedahl, einer der Gründer der Konferenz.

Falter: Herr Beckedahl, diese Woche findet wieder die re:publica in Berlin statt. Was für eine Konferenz ist das überhaupt?

Markus Beckedahl: Auf der re:publica treffen sich Menschen, die sich den Rest des Jahres meist nur im Netz begegnen. Es ist eine Konferenz über Blogs, soziale Medien und die digitale Gesellschaft. Wir diskutieren verschiedenste Facetten der Digitalisierung aus einer kritisch positiven Sichtweise.

Man trifft dort also lauter technikverliebte Geeks?

Beckedahl: Na ja, so wird das immer von außen dargestellt. Wir glauben eher, dass das Internet im Leben nahezu aller angekommen ist. Man macht keine bewusste Unterscheidung mehr, ob man gerade online oder offline ist. Man ist selbst zum Sender geworden, indem man zum Beispiel über soziale Medien mit anderen Menschen kommuniziert.

Heuer lautet das Motto „Into the Wild“. Worum geht es denn da?

Beckedahl: Die euphorischen Jahre des Internets sind vorbei – vor allem, seit den Enthüllungen dank Edward Snowden. Viele sind irritiert, verängstigt. Wir wollen nun unter diesem Motto eine Debatte führen: Was sind die nächsten Entwicklungsschritte des Netzes? Wie können wir online Privatsphäre zurückerobern und gleichzeitig die Offenheit des Netzes erhalten? Wir glauben, dass die Karten wieder neu gemischt werden.

Welche Rolle spielt denn der NSA-Skandal im Programm der re:publica?

Beckedahl: Überwachung und Datenschutz war uns schon immer wichtig, wobei wir heuer den Schwerpunkt ausgebaut haben. Zwischen 20 und 30 Vorträge beschäftigen sich mit dem NSA-Skandal und der Privatsphäre. Das Interesse ist gewachsen: Wir haben schon in früheren Jahren über die Geheimdienstüberwachung diskutiert, aber das wurde damals von vielen als Verschwörungstheorie abgetan. Jetzt ist das Vertrauen von vielen erschüttert worden. Endlich können wir richtig über dieses Thema reden.

Was ist denn Ihr persönliches Highlight heuer?

Beckedahl: Ich freue mich auf Ron Deibert vom Citizen Lab aus Kanada. Er ist Politologe und bringt in seiner Forschungseinrichtung Hacker und Politikwissenschaftler zusammen. Das Citizen Lab ist jener Ort, an dem wohl am meisten über Staatstrojaner geforscht wird und wie repressive Staaten Überwachungs- und Zensurtechnologien einsetzen. Er spricht darüber, wie eine alternative Sicherheitspolitik aussehen könnte – es geht also um die Frage, wie wir das Netz sicherer machen und gleichzeitig Grundrechte schützen können. Ron Deibert denkt schon lang über dieses Thema nach.

Im Vorfeld sorgte ein anderer Gast für Aufsehen: Heuer spricht auch David Hasselhoff auf der re:publica. Warum denn gerade der?

Beckedahl: Wir waren auch ein bisschen verwundert. Wir haben natürlich Sponsoren, ohne die könnten wir die re:publica nicht finanzieren. Einer der diesjährigen Sponsoren ist F-Secure, eine finnische Firma, die Antivirensoftware herstellt und nun auch datenschutzfreundliche Werkzeuge für die Massen anbieten will. Die bringen als Markenbotschafter David Hasselhoff mit. Einerseits finden wir das lustig, weil jeder eine Meinung zu David Hasselhoff hat. Aber gleichzeitig finde ich es auch interessant, dass es nun anscheinend einen Markt für Datenschutz gibt und Unternehmen da offensichtlich Geld hineininvestieren.

David Hasselhoff ist also ein Gag, damit die mehr Aufmerksamkeit bekommen?

Beckedahl: Ja, wobei, als Gag würde ich es nicht bezeichnen, es ist ein geschickter Schachzug. Die wissen halt, wie Medien funktionieren, und wollen das Größtmögliche aus ihrer Präsentation herausholen. Lassen wir uns mal überraschen. Das kann alles werden: von grandios bis peinlich.

Das Medienecho ist gewaltig. Gab es schon je einen Vortrag auf der re:publica, der für so viel Aufsehen sorgte?

Beckedahl: Ne, das ist ein bisschen surreal und man sagt sich: ‚Na gut, so funktioniert das Mediensystem halt‘. Aber dann gibt es auch Momente, wo man sich denkt: Eigentlich wär mir lieber, wenn Medien anders funktionieren würden.

Zur Person:

beckedahlWer sich mit Überwachung und Datenschutz beschäftigt, kommt an Markus Beckedahl nicht vorbei. Der deutsche Journalist betreibt das Blog Netzpolitik.org und gründete 2007 mit Andreas Gebhard, Johnny Haeusler und Tanja Haeusler die Konferenz re:publica, die beim ersten Mal 700 Besucher zählte.

rp14_banner_234x60Heuer werden 6000 Teilnehmer und etliche renommierte Redner erwartet, darunter etwa die Wikileaks-Journalistin Sarah Harrison, die Edward Snowden von Hong Kong nach Moskau begleitete, oder der Netztheoretiker Evgeny Morozov, der mit seiner Kritik an der Netzeuphorie oft für heftige Debatten sorgt. Viele Auftritte werden auch live im Netz übertragen, siehe re-publica.de

Credit: Das Foto von Markus Beckedahl machte Fiona Krakenbürger. Das Logo stammt von der re:publica, ebenso das obige Foto, siehe Flickr-Account der re:publica