Schnee am Kilimandscharo

Vom wunderbaren Schnee am Berg und von der Pandemie, die Kanzler Nehammer nicht Schnee von gestern sein lassen kann.

Harry Bergmann
am 17.02.2023

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Der Schnee am Kilimandscharo könnte nicht schöner sein | Foto: Harry Bergmann

Ich weiß wirklich nicht, warum ich mir das antue. Da schreibt unlängst Armin Thurnher über seine schönsten Skipisten-Erlebnisse und kann auch noch mit vergangenen Skilehrerausbildungs-Schnurren punkten (es fehlte allerdings das „mit einem Ski eine Buckelpiste Runterfahren“, höchstwahrscheinlich aber nur wegen der angeborenen Vorarlberger Bescheidenheit) und ich habe nichts Besseres zu tun, als in seiner Spur nachzufahren.

Dabei weiß man ja von den stets zurückhaltenden, bescheidenen und – wie heißt jetzt das Gegenteil von chauvinistisch? – österreichischen Ski-Fernsehkommentatoren, dass kein Blumentopf zu gewinnen ist, wenn man in der Spur des Unmittelbar-vor-einem-Gestarteten bleibt.

Aber was soll ich machen? Ich hatte keine Lust mehr in Israel zu bleiben (nein, nicht aus dem Grund, den Sie meinen) und schon gar keine Lust in Wien zu sitzen und nachzudenken, was ich als Nächstes schreiben soll.

Das ist gar nicht so einfach, wie Sie sich das vielleicht vorstellen. Stimmt schon, es passiert ständig irgendetwas Unsägliches, aber kaum ist es passiert, schon haben alle alles darüber geschrieben und das auch noch wesentlich fundierter, als ich es kann.

Diesmal hätte ich mich höchstwahrscheinlich mit folgenden Alternativen abgequält:

Doskozil? Fad.

Pam? Fad.

Doskozil gegen Pam? Noch fader.

Vorschlag von Kaiser, also Doskozil und Pam gemeinsam? Lustig, aber für eine satirische Betrachtung ungeeignet, weil schon der Vorschlag Satire ist.

Grüne in der Versenkung suchen? Wozu?

Regierung dögeln? Also nicht wirklich, sondern nur verbal. Aber wen zuerst? Sind einfach zu viele. Schaffe ich nicht allein.

Sobotka verspotten? An sich gut, aber Thurnher kann das sogar in Versen. Wer wartet da auf meine Prosa?

Nehammers Selbstvernichtung analysieren? Da kann ich Josef Votzi das Wasser nicht reichen, also nein danke.

Irgendetwas wirklich Lustiges und gleichzeitig Vernichtendes über Kickl schreiben? Ja, sehr gern, aber was, wenn Christian Nusser dann mit leichter Feder zeigt, wie es wirklich geht. Also s-i-c-h-e-r nicht!

Und dann sind da noch Claus Pandi, Stefan Kappacher, Barbara Toth, Hans Rauscher und ein gutes Dutzend anderer Giganten.

Wer kann es mir dann verdenken, dass ich lieber gleich Skifahren gegangen bin? Nicht auf der Piste, wie Armin Thurnher, denn das ist mir zu gefährlich, aber abseits – „weg von die Leut‘“, wie man hier sagt – mit Fellen und einem Bergführer, der jeden Meter kennt und mit einer Atmung, die von Bergtour zu Bergtour besser wird. Foto anbei (nicht von der Atmung, von der Tour). Wenn die Atmung besser wird, kommt mehr Sauerstoff ins Hirn – bilde ich mir zumindest ein – und wenn mehr Sauerstoff ins Hirn kommt, fällt einem Dies und Das ein, wenn man Glück hat, vielleicht sogar eine Kolumne.

Wie ich also versuche, beim Aufstieg mit dem Bergführer Schritt zu halten – ich spüre, wie er sich anstrengen muss, mein langsames Tempo zu gehen – und nichts Besseres zu tun habe, als den Schnee vor meinen Skispitzen kontemplativ anzustarren (ich könnte jetzt Werbung für meine Fischer-Ski machen, aber ich bin aus der Übung), denke ich angestrengt nach, was ich Thurnher, Votzi, Nusser & Co. entgegenzuhalten habe.

Da fällt mir Hemingways „Schnee am Kilimandscharo“ ein. „Na ja, so viel Sauerstoff ist jetzt auch nicht in ihrem Hirn gelandet“, werden Sie jetzt sicher denken. Und Sie haben völlig recht, denn ich habe nicht die geringste Ahnung, was der Kilimandscharo mit mir, Thurnher, Votzi, Nusser, Doskozil, Pam, Kaiser oder Kickl zu tun haben könnte.

Aber in einem kenne ich mich echt gut aus, in Headlines. Ich habe schließlich ein halbes Leben lang damit meine Rechnungen bezahlt. Oder wie Jane Fonda in der Lugner City sagte (Jane Fonda in der Lugner City!!! Ich muss es noch einmal schreiben, sonst glaube ich es nicht: Jane Fonda in der Lugner City): „Ich bin hier, weil ich das Geld brauche. Ich muss schließlich meine Rechnungen bezahlen.“

Ich sage Ihnen: „Schnee am Kilimandscharo“ ist eine gute Headline, da fährt die Eisenbahn drüber. Und gegen Hemingway tun sich auch Thurnher, Votzi und Nusser schwer. Und vom „Schnee am Kilimandscharo“ ist es nicht weit zum „Schnee von gestern“ und vom „Schnee von gestern“ ist es nur ein Tag bis zum „Schnee von heute“ und praktisch habe ich damit schon die Kolumne.

Nehmen wir zwei Schnees von gestern: den Korruptions-Untersuchungsausschuss und Corona. Schwuppdiwupp sind beide plötzlich „Schnee von heute“.

Was den Untersuchungsausschuss betrifft, ist der Abschlussbericht des Vorsitzenden, Wolfgang Sobotka, erschienen. Das Erste, was mir dazu einfällt, ist, dass ich einen Korruptions-Untersuchungsausschuss über das Verfassen von Abschlussberichten zu Korruptions-Untersuchungsausschüssen fordere.

Der Zweite, der mir dazu einfällt, ist der gute Herr Hanger. Für ihn haben sich ja alle Vorwürfe „in Luft aufgelöst“. Ach, was würde diese Republik ohne so Typen wie diesen Hanger machen? Wenn ich an meine Skitour denke, fiele mir ein: endlich wieder richtig durchatmen.

Apropos „durchatmen“: Corona ist mehr oder weniger vorbei. Grund zur Freude? Ja, schon, aber nicht im Land der amtlichen Zwiderwurzn. Ich habe unseren Bundeskanzler gesehen und gehört, wie er zerknirscht über das Aufarbeiten des Corona-Managements gesprochen hat. Ich bin ja wirklich ungeeignet, der Pflichtverteidiger von Nehammer zu sein, aber haben schon alle die Toten von Bergamo vergessen? Welcher verantwortungsvolle Politiker wäre nicht übervorsichtig gewesen?

Warum, um alles in der Welt betreibt Nehammer wieder einmal das Geschäft von Kickl & Co., die am liebsten chinesische Schauprozesse gegen alle Verantwortungsträger während der Corona Zeit abhalten würden. Wie kann man es zulassen, den „Schnee von gestern“, nämlich Corona, wieder zum Wahlthema machen zu lassen?

Fragt sich,

während er in den immer weniger werdenden Schnee schaut,

Ihr Harry Bergmann

PS: Ich entschuldige mich bei Armin Thurnher, Josef Votzi, Christian Nusser und allen anderen Giganten der sinnvoll zusammengestellten Worte. Und gestehe, dass ich die Kolumne ursprünglich „Wie ich Armin Thurnher, Josef Votzi und Christian Nusser hinter mir ließ“ nennen wollte, aber zu diesem Zeitpunkt noch ein Sauerstoff-Defizit hatte, das sich negativ auf mein Selbstbewusstsein auswirkte.

PPS: Sie müssen wissen, ich habe immer wieder Zuschriften von Lesern bekommen, die meinten, dass sie sich auf meine Kolumne freuen, weil ich die gleichen Gedanken habe, wie sie selbst, aber sie aussprechen kann. Damit ist es jetzt wohl vorbei. Ich werde mich wieder von ganz unten hinaufarbeiten müssen. Ich fange am besten mit dem Verspotten von Sobotka an.


Dr. Harry Bergmann, Werbedilettant (gar nicht einmal so schlecht), Kolumnisten-Dilettant (na, ja…). Hat durch das Schreiben einige Freunde verloren, aber mehr gewonnen (glaubt er zumindest). Denkt seit einiger Zeit darüber nach, ob der Flug Wien – Tel Aviv ein Hinflug oder ein Rückflug ist.

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