Was liegt, das pickt

Über Klimakleber und andere Sympathieträger wie den Erfinder des Doppel-ch, Franz Hörl

Harry Bergmann
am 20.01.2023

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Nahaufnahme einer Ent-Pickungsaktion | Foto: Florian Wieser/ APA

Unlängst lief ich auf einem privaten Fest in einen bekannten, alterfahrenen Journalisten hinein: „Ah, … “ sagte er mit einem eher süffisanten als freudig überraschten „Ah“ „ … du bist also unter die Journalisten gegangen. Lustig, was Du da schreibst.“ Er quälte sich so etwas Ähnliches wie ein mitleidiges Lächeln heraus. „Infotainment! Das haben die Leute jetzt gern.“ Sein Unterton ließ keinen Zweifel daran, dass er es ganz und gar nicht gern hat und er mir maximal das leichte -tainment und sicher nicht die Info zugesteht.

Da ich kein Journalist bin und es frühestens, wenn überhaupt, im nächsten Leben werde, machte mir diese, als tätschelndes Wohlwollen getarnte, vernichtende Kritik nichts aus. Irgendwie hat er ja recht. Ich erzähle Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, nichts Neues. Nichts, was Sie noch nie gesehen, gehört oder gelesen haben. Ich erzähle einfach, was sich in den letzten Tagen so zugetragen hat und wie ich das finde. Wenn Sie das Gleiche finden und schmunzeln, gut. Wenn Sie das Gegenteil finden und schmunzeln, auch gut, denn dann sind Sie überzeugt, dass Sie recht haben und ich nicht.

Blöd ist nur, dass ich mich meistens mit eher ernsten Themen beschäftige – zum Beispiel damit, wie unsere Gesellschaft dorthin geraten konnte, wohin sie nun einmal geraten ist – und da stellt sich immer wieder die Frage, wie leicht die Schulter sein darf, auf die man den Text nimmt.

Nehmen wir die Klimakatastrophe.

Die Klimakatastrophe, die wie alle Katastrophen nicht als Katastrophe angefangen hat, sondern in diesem Fall als Erderwärmung. Da der Mensch es aber sehr gern wohlig warm hat, hat der Begriff „Erderwärmung“ natürlich niemanden hinter dem warmen Ofen hervorgelockt.

Also musste der gute alte Wandel her. „Klimawandel“. Auch kein kommunikativer Heuler, denn alles unterliegt dem steten Wandel, also warum groß aufregen oder gar etwas tun?

Nächster Versuch: „Klimakrise“. Nur blöd, dass es im Moment vor Krisen nur so wimmelt. Corona-Krise und damit verbunden die Krise im Gesundheitswesen. Energie-Krise und damit verbunden die Krise im Portemonnaie. Krieg und damit verbunden die größte aller menschlichen Krisen, Todesangst. Alles Krisen, die einem näher sind als die Klimakrise. Sie wissen schon, das Hemd und der Rock und so. Das Wegschmelzen der Gletscher, die man eh nie gesehen hat, nimmt sich dagegen eher so aus: „I kann mi wirklich net um ois kümmern!“

Nachdem jede dieser Alarmstufen auf taube Ohren, selbstzufrieden gefüllte Bäuche und verschlossene Herzen gestoßen sind, musste ja – früher oder später – die ultimative semantische Keule ausgepackt werden, die „Klimakatastrophe“.

Leider geht es aber nicht um Semantik, auch nicht um Kommunikation und schon gar nicht um Marketing. Es geht ums Leben.

Ich sag das deshalb, weil ich befragt wurde, was mir, der ich eine ziemliche Zeit lang in einer Werbeagentur mitarbeiten durfte, aus Kommunikationssicht zu den Aktionen der Klimakleber einfällt. Zuerst fiel mir – Berufskrankheit! – der Kalauer „Was liegt, das pickt“ ein. Dann aber kam mir in den Sinn, dass – trotz der verständlichen kommunikativen Verzweiflung der Aktivisten – auch die Umkehrung des Kalauers richtig sein könnte: wer pickt, liegt nicht zwangsläufig richtig. Natürlich haben die Kleber in kürzester Zeit die maximale Aufmerksamkeit generiert. In der Öffentlichkeit. In den Medien. Aber diese Aufmerksamkeit bleibt auf den Klebern und ihren disruptiven Aktionen kleben und verstellt zum Teil die Sicht auf die wichtige und richtige Botschaft. Aufmerksamkeit ist nämlich nicht teilbar.

Sympathie übrigens auch nicht. Wer angefressen im Stau steht, wird nicht unbedingt mit fliegenden Fahnen ins Lager der Letzten Generation wechseln.

Die Politik, die eigentliche Angeklagte, putzt sich wieder einmal ab und macht das, was sie am besten kann. Sie schreit: „Haltet den Dieb!“ Damit gerieren sich diese Dreistlinge auch noch zu Schützern von öffentlichem Eigentum. Es gilt: je näher zur Niederösterreich-Wahl, desto dreister.

„Es ist schon alles gesagt, nur nicht von allen“, sagte Karl Valentin einst. Was die Klimakleber betrifft, muss es wohl heißen: „Es ist schon alles von allen gesagt.“ Spätestens jetzt, wo ich unbedingt auch noch was dazu sagen musste.

Apropos „Aufmerksamkeit ist nicht teilbar“: Da wäre noch die Sache mit Florian T.  Ich weiß, es gibt ein gutes Dutzend Gründe, den Namen von T. auszuschreiben, ich bleibe trotzdem lieber bei T. Noch lieber wäre mir sogar nur eine anonyme Nummer, dann wäre nämlich die ganze Aufmerksamkeit auf der Tat und nicht auf dem Täter. Und es müssten sich nicht alle paar Minuten neue Adabeis melden, die ihn noch besser gekannt haben, die noch länger geahnt oder gewusst haben, was mit ihm los ist, die ihn eh damit konfrontiert haben, aber von ihm schamlos belogen wurden. Die Aufmerksamkeit muss auf der grauenhaften Einzigartigkeit der Tat liegen und genau dort picken bleiben und sonst nirgends.

Meint

Ihr Harry Bergmann

Jetzt hätte ich das fast vergessen: Ich sah den idealen Botschafter für den Satz „Was liegt, das pickt“ unlängst im Fernsehen, den Sympathieträger und Erfinder des Doppel-ch, Franz Hörl. „Des is ins olles gleichch, Hauptsachch der Schnee liegt und die nichcht schtornierbare Buchchung pickt. Und wenn der Schnee nichcht liegt, pickt die Buchchung erscht rechcht.“

Er hat das nicht unbedingt so gesagt, aber gedacht könnte er es doch haben, oder?

 


Dr. Harry Bergmann, Werbedilettant (gar nicht einmal so schlecht), Kolumnisten-Dilettant (na, ja…). Hat durch das Schreiben einige Freunde verloren, aber mehr gewonnen (glaubt er zumindest). Denkt seit einiger Zeit darüber nach, ob der Flug Wien – Tel Aviv ein Hinflug oder ein Rückflug ist.

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