Die Welt als Schießbude

Große Ankündigungen, wenige Ergebnisse: Die politischen Bühnen New Yorks, Israels und Österreichs erinnern dieser Tage stark ans Hornberger Schießen.

Harry Bergmann
am 26.09.2022

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Hier wird echt geschossen. Zumindest mit Platzpatronen | Foto: Roman Skrypnyk

Wieder in Israel. „Oh, nein“, werden sich jetzt einige denken „jetzt fängt er sicher wieder mit der Hinflug-Rückflug-Geschichte an“. Nein, er fängt nicht damit an, weil es diesmal, nach mehr als fünf Monaten Abwesenheit in Israel, eindeutig ein Hinflug war. „Ah ja, gut, dass er dort ist“, werden vielleicht andere denken, „dann kann er uns gleich was von der fünften Wahl innerhalb von drei Jahren erzählen.“

Was wollen Sie hören? Ja, Bibi ist wieder da. Ja, Bibi wird wohl die meisten Sitze gewinnen. Über 30 Sitze, sagt die Meinungsforschung, die viel sagt, wenn der Tag lang ist und Wahltage sind besonders lang, aber diesmal wird sie wohl recht haben. Ja, Bibi wird sich am Wahlabend mit strahlendem Gesicht zum Wahlsieger erklären. Und Donald und Basti werden ihn mit strahlenden Gesichtern anrufen und ihm gratulieren. Wenn er es geschafft hat, dann sie vielleicht eines Tages auch, werden sie sich denken und noch mehr strahlen.

Dass das keine besonders gute Nachricht für das Land, keine besonders gute Nachricht für die Unabhängigkeit der Justiz, keine besonders gute Nachricht für das Nachdenken über eine Zwei-Staaten-Lösung ist, wird weder Bibi, noch Donald, noch Basti besonders stören. Im Gegenteil.

Aber halt, es wird am Ende trotzdem nichts dabei herauskommen. Also „nichts herauskommen“ wird nicht herauskommen. Es wird schon irgendetwas herauskommen. Eine sechste Wahl zum Beispiel, nämlich dann, wenn Bibi keine Koalition mit mindestens 61 Sitzen zusammenbringt.

Die eigentliche Frage, die es zu dieser Wahl zu stellen gilt, – und ich bin mir fast sicher, dass sie von den israelischen Meinungsforschungs-Instituten nicht gestellt wurde – ist diese: „Liegt Jerusalem in Baden-Württemberg?“ „Nein, natürlich nicht!“ werden Sie sofort antworten und die Augen über diese unsinnige Frage rollen – natürlich nur, wenn Sie ein Augenrollertyp oder eine Augenrollertypin sind.

Aber Moment, nicht so schnell. Natürlich liegt Jerusalem nicht in Baden-Württemberg. Aber Hornberg liegt in Baden-Württemberg (wenn ich das noch ein paarmal schreibe, gewöhne ich mich vielleicht an das doppelte „t“ und das „m“ in Württemberg). Und Hornberg und Jerusalem haben eine große Gemeinsamkeit: das Hornberger Schießen.

Sie kennen doch die Redewendung, dass etwas ausgeht „wie das Hornberger Schießen“, oder? Es wird etwas groß angekündigt, aber es kommt nichts dabei heraus und endet ohne Ergebnis. Ich wollte Ihnen ersparen, selbst auf Wikipedia nachsehen zu müssen, woher diese Redewendung kommt und bin daher selbst auf Wikipedia gegangen. Was soll ich Ihnen sagen? Dieser mein Leserinnen- und Leserservice ist ausgegangen wie das Hornberger Schießen selbst. Es gibt kein eindeutiges Ergebnis über die Herkunft des Begriffs. Alles, was ich Ihnen sagen kann ist: das Ganze handelt im 16. Jahrhundert, und es geht entweder um irgendeinen Herzog von Württemberg oder um irgendeinen Angriff von irgendwelchen Villingern auf Hornberg. Jedenfalls wurde aber die ganze Munition verschossen, bevor irgendetwas so richtig angefangen hat.

Nicht nur die Wahl in Israel wird ausgehen wie das Hornberger Schießen, die ganze Welt scheint zu einer Hornberger Schießbude verkommen zu sein. Die letzte Woche hat gezeigt, dass auch New York in Baden-Württemberg liegt. Da sind sie alle in der UN-Hauptversammlung aufgetreten, die großen Schießbudenfiguren der Welt, und haben geredet und geredet und geredet … und was wird dabei herauskommen? Hornberg.

Und bei uns – also bei uns ist im Moment nicht hier, wo ich bin, sondern dort, wo Sie sind – in unserer kleinen Welt? Auch wir haben eine Wahl. Also eigentlich haben wir ja keine Wahl. Wir haben VdB, wir haben Marco Pogo und dann haben wir noch ein paar rechte Grauslichkeiten, bei denen einem die Wahl schwerfällt, wer noch grauslicher ist, als der andere. Ich gebe zu, ich war in letzter Zeit auf VdB einige Male ein bissl bös. Man kann – oder ich kann auf ihn immer nur „ein bissl bös“ sein. Weil er ist, wie er ist, und „auf den Tisch hauen“, wie es einige Male notwendig gewesen wäre, ist eben seine Sache nicht. Aber vielleicht hat er einfach das Hornberger Prinzip lange vor mir erkannt. Warum, ohne zu erwartendes Ergebnis, in der Gegend herumballern? Also ich habe ihn jedenfalls briefgewählt, bevor ich nach Israel geflogen bin. Hätte ich noch eine zweite Stimme gehabt, dann wäre die mit Sicherheit an Marco Pogo gegangen. Seine Wahlkampagne mit 9 (!) Plakaten ist einfach wunderbar (und davon verstehe ich zumindest ein bisschen was). Übrigens sind es jetzt nur mehr 8 Plakate, weil eines – wie er selbst getwittert hat – „gefladert“ worden ist.

Zumindest haben wir es dort, wo Sie gerade sind, lustiger, als hier, wo ich gerade bin. Apropos lustig: der ORF-Satiriker Peter Klien wurde zum FPÖ-Parteitag nicht zugelassen. Er hätte vielleicht nicht fragen sollen: „Habt ihr Angst, dass wir lustiger sind als ihr?“

Dafür beginnt hier, wo ich gerade bin, heute ein neues Jahr. „Shana tova“, sagt man hier. Und das sage ich jetzt auch Ihnen, obwohl es dort, wo Sie gerade sind, erst in 3 Monaten soweit ist.

Aber schaden kann es ja nicht, meint

Ihr Harry Bergmann


Dr. Harry Bergmann, Werbedilettant (gar nicht einmal so schlecht), Kolumnisten-Dilettant (na, ja…). Hat durch das Schreiben einige Freunde verloren, aber mehr gewonnen (glaubt er zumindest). Denkt seit einiger Zeit darüber nach, ob der Flug Wien – Tel Aviv ein Hinflug oder ein Rückflug ist.

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