Ich lese Hemingway!

Harry Bergmann über die Pechvögel und Pechvögelinnen der Wien Energie, die die Hosen verlieren, während sich die anderen Energieunternehmen eine goldene Nase verdienen

Harry Bergmann
am 02.09.2022

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Hemingway bei der Arbeit | Foto: Look Magazine U.S. National Archives and Records Administration, Gemeinfrei

Ich lese Hemingway. Klingt theatralisch, ist es aber nicht. Hemingway ist nie theatralisch. Hemingway ist präzise beschreibend, ist scharf, ist ganz und gar nicht woke, ist manchmal kurz angebunden, ist gern betrunken, aber theatralisch, nein, theatralisch ist er nicht.

„A moveable feast“ heißt das Buch, das ich gerade lese. Es geht um das Leben in Paris in den 20er Jahren. Und da lese ich gleich am Anfang: „For reasons sufficient to the writer, many places, people, observations and impressions have been left out of this book. Some were secrets and some were known by everyone and everyone has written about them and will doubtless write more.“

Gut, dass ich Hemingway lese. Ich wollte nämlich gerade über Wien Energie schreiben.

Über die Milliarden, die pfutsch sind. Obwohl die SPÖ sagt, dass sie nicht pfutsch sind, dass sie nur im Moment pfutsch sind, aber genauso gut jederzeit wieder da sein könnten. Was soll sie schon sagen, die SPÖ? Soll sie sagen „Wir haben es verzockt“? Ha ha, man stelle sich Pam vor, wie sie mit den imaginären Hosenträgern ihres Hosenanzugs schnalzt (pardon, nicht woke, ich weiß, aber ich lese gerade Hemingway) und bei dem ORF-Sommergespräch sagt: „Wir haben es verzockt, Herr Pötzelsberger, da brauchen sie gar nicht mit heißen, roten Ohren nachzufragen.“ Sie müsste natürlich „wir“ sagen, denn wenn sie nicht „wir“ sagt, dann hätte sie den Goodwill des Herrn Bürgermeisters verzockt und ohne Goodwill des Herrn Bürgermeisters hätte sie die Chance auf die Kanzlerin verzockt. Schön blöd, das alles.

Schon echte Pechvögel und Pechvögelinnen (woke?) diese Wien Energetiker, wie sie jetzt mit heruntergelassenen Hosen (pardon, nicht woke, ich weiß, aber ich lese gerade Hemingway) dastehen.

Ich lese Hemingway, also schreibe ich das alles natürlich nicht, denn – siehe oben – „everyone has written about them and will doubtless write more.“ Und außerdem: Martin Staudinger hat am Dienstag im Falter.morgen die hochnotpeinliche Affäre so erklärt, dass sogar ich sie verstanden habe. Besser kann man sie nicht erklären.

Da schreibe ich lieber über Gerhard K. Ich schreibe deshalb lieber über Gerhard K., weil ich mich so ärgere, dass Schandtaten oder Schandworte immer nur so lange leben, bis sie – nur wenige Tage später – von den nächsten Schandtaten oder Schandworten abgelöst werden und für immer verschwinden. Der Schandtäter oder Schandwortführer weiß das natürlich, hält einfach die Luft an und wenn er wieder einatmen muss, ist alles vorbei.

Man nennt das dann „Steher-Qualitäten“, was mich, ehrlich gesagt, auch ärgert, weil man es ja eigentlich nicht aussteht, sondern aussitzt. Aber egal. Ich will, dass man das, was Gerhard K. so von sich gibt, nicht so schnell vergisst. Insbesondere das, was er vor Kurzem bei Armin Wolf in der ZIB2 so von sich gegeben hat.

Überraschend ist das alles nicht. Es war von allem Anfang an klar, was das für einer ist, der Gerhard K. Man wird in unserem schönen Alpenland vielleicht von einem Tag zum anderen Minister, weil es irgendeinem Ministermacher oder irgendeiner Ministermacherin so in den Kram passt oder weil der, der gerade noch auf diesem Ministersessel gesessen ist, jetzt auf einen höheren Sessel gesetzt wurde, weil es irgendeinem Kanzlermacher oder irgendeiner Kanzlermacherin so in den Kram gepasst hat, man wird aber nicht von einem Tag zum anderen ein Bürgermeister einer Kleinstadt, in dem die wunderschöne Idee reift unter allen möglichen Museen, ausgerechnet ein Dollfuß-Museum errichten zu lassen. Diese Gedenkstätte für einen Austrofaschisten macht Gerhard K. natürlich nicht automatisch zu einem Faschisten. Zu einem Antifaschisten allerdings auch nicht.

Als ich Gerhard K. via ZIB2 plötzlich in meinem Wohnzimmer sitzen hatte und ihm zuhörte, wie er die Asylantenkarte ausspielte, weil er hoffte, damit ein paar Gleichgesinnte wieder heim ins ÖVP-Reich zu führen und wie er dann auch noch ein höchstgerichtliches Urteil in seiner Eindeutigkeit ignorierte, fiel mir ein anderer K. ein. Josef K.

Josef K., der Anti-Held eines dunklen Romans, der mit dem berühmten Satz beginnt „Jemand musste Josef K. verleumdet haben, denn ohne, dass er etwas Böses getan hätte, wurde er eines Morgens verhaftet.“ Diesem Josef K. wird der Prozess gemacht und er wird auch verurteilt, und dieses Urteil wird sogar vollstreckt, ohne dass er jemals erfährt, wessen er angeklagt und wer überhaupt das Gericht ist. Ein beklemmendes Drama in einem absolut rechtsleeren Raum. Womit wir wieder bei Gerhard K. und seinem beklemmend rechten und rechtsleeren Raum sind.

Es gibt natürlich einen großen Unterschied zwischen Josef K. und Gerhard K. Bei Josef K. schwingt immer die Schuldvermutung mit („Irgendeiner Sache wird er sich schon schuldig gemacht haben, das kann ja anders gar nicht sein.“), während Gerhard K. und Gleich- oder Ähnlichgesinnte ungestraft – notfalls im Schutze der Unschuldsvermutung – ihren Stiefel daherreden können.

Apropos daherreden: Gerhard K. sagte auch etwas zum Tod von Frau Doktor Kellermayr. Dazu noch einmal Hemingway: „Zwei Jahre braucht der Mensch, um das Sprechen, ein Leben lang, um das Schweigen zu lernen.“

Wann hat das eigentlich aufgehört, dass man in die Politik gegangen ist, weil man die Vision einer besseren Gesellschaft hatte, an der man mitarbeiten wollte?

Fragt sich,

Ihr Harry Bergmann


Dr. Harry Bergmann, Werbedilettant (gar nicht einmal so schlecht), Kolumnisten-Dilettant (na, ja…). Hat durch das Schreiben einige Freunde verloren, aber mehr gewonnen (glaubt er zumindest). Denkt seit einiger Zeit darüber nach, ob der Flug Wien – Tel Aviv ein Hinflug oder ein Rückflug ist.

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