Regenschirme für alle

Neues von den Corona-Managern dieses Landes. Und ihren Regenschirmen.

Harry Bergmann
am 09.09.2021

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Foto: APA/Hans Punz

Über 2000 Neuinfizierte pro Tag. „Das interessiert mich nicht“, sagt ein erfolgreicher Parteiobmann, der zeitgleich auch ein miserabler Staatsmann ist, den es von Amts wegen interessieren sollte. „Ich schau mir nur mehr an, wie viele auf den Intensivstationen herumliegen“ und setzt ein grimmiges Clint-Eastwood-Italo-Western-Lächeln auf. Seinem weiblichen Gegenüber gefriert das Blut in den Adern. Oder war es vielleicht doch nur der kühle Wind am Dach des Ludwig-Museums?

Schnitt.

Unlängst sprach Minister Faßmann mit mir. Im Auto. Also ich im Auto, er im Radio. Er sagte mit sonoriger – sonorer und honoriger – Stimme, dass er zwar nicht wisse, ob es Mitte November regnen würde, dass er aber sicherheitshalber Regenschirme besorgen habe lassen. Ich verstand. Er würde die tausenden Schüler nicht im Regen stehen lassen und alle Vorkehrungen treffen, damit die Schulen – „egal was passiert“ – im Herbst und Winter geöffnet bleiben. Das Thema fesselte mich nur eine Rot-Phase an der Kreuzung, denn meine Kinder sind schon seit vielen Jahre aus dem Schulalter heraußen. Als ich dann bei Grün losfuhr, wurde ich aber plötzlich hellhörig. Keine Ahnung, wie der Mann, der für Schüler und Studenten zuständig ist, ausgerechnet auf die Zielgruppe der „Über 55jährigen“ zu sprechen kam. Diese Zielgruppe ist die allerwichtigste, meinte er. Geht es um die dutzendmal Sitzengebliebenen, oder um die unglaubliche Zahl von 20 Prozent nicht-geimpfter Lehrer oder gar um ihn selbst? Jedenfalls konnte ich mich des Gefühls nicht erwehren, dass dieser Mann so viele Pläne hat, dass er keinen Plan hat.

Schnitt.

Da kommt der Gesundheitsminister schon ganz anders daher. Kein Wunder, bei seinen feschen Turnschuhen. Er hat tatsächlich einen Plan. Sagt er. Nennen wir ihn – der Einfachheit halber und in hochachtungsvoller Erinnerung an einen früheren Bundeskanzler, der im Alleingang eine mehr als 100 Jahre lang existierende Partei erledigt hat – Plan A. In diesem Fall „A“, wie Arschkarte, weil die Partei des Gesundheitsministers selbige Karte schon seit längerer Zeit gezogen hat. Dieser Plan A ist der Plan, der die Skifahrer, die seinerzeit Ischgl mit Müh und Not überlebt haben, sicher durch diesen Winter bringen wird. Korrekterweise muss man sagen, dass der Gesundheitsminister diesen Plan nicht mehr hat, denn „er liegt beim Koalitionspartner“. Dort wird er wohl noch länger liegen, denn angeblich liebäugelt der Arzt, der zum hinterherhechelnden Politiker mutiert ist, zu oft mit der 1G Regel und das geht mit den Türkisen im Moment gar nicht.

Das weiß er natürlich, der Dr. Mückstein, und hebt die Arme in einer juniorkoalitionären Abwehrbewegung in die Höhe. „I sog’s glei, i kann nix dafür. I hob den Plan unter der Tür vom Basti eineg’schoben, wei i bei eam net einegehen derf und dann hob i nix mehr g’hert.“ „Heast, Mücki, bist ang’rennt, Du Kitzloch?“ fragt ein Insider. „Den Plan muaßt den Seilbahn-Lukaschenkos in Tirol einidrucken, net dem Schneebrunzer im Bundeskanzleramt.“ Damit scheint die Schisaison 2021/22 schon gelaufen zu sein, bevor sie noch begonnen hat. Schi Heil!

Schnitt.

Da hat es der Außenminister schon wesentlich leichter. Er hat ja von der Job Description her mit den Corona-Zahlen gar nichts am Hut. Wenn ihn, ressortmäßig gesprochen, eine Welle interessiert, dann nur die afghanische Flüchtlingswelle. Aber er, der Taliban-Geeichte, hat den anderen Mitgliedern des Regierungsteams seine Hilfe angeboten. Man ist ja schließlich kein Unmensch, auch wenn das in den letzten Wochen so herübergekommen sein könnte. Die Idee ist so einfach, dass sie schon wieder gut ist. Der Taliban an sich, stellt ja – in mehrfacher Hinsicht – ein gesundheitliches Risiko für andere dar. Nicht nur, aber auch, weil er ein eingefleischter Impfgegner ist. Und genau da setzt die geniale Idee des Außenministers an. Je weniger Afghanen über die Grenze nach Österreich kommen, desto kleiner das Infektionsrisiko. Null Afghanen, null Corona. An diesem Außenminister ist ein brillanter Finanzminister verloren gegangen. Null Afghanen, null Corona, null Defizit.

Schnitt.

Zurück zum erfolgreichen Parteiobmann, der ein miserabler Staatsmann ist. Zum capo di tutti capi. Zum Regenschirm aller Regenschirme. Zum Turnschuh aller Turnschuhe. Zum „Außen vor“-Minister des Außenministers. Der Mann, der alles verspricht, was andere dann nicht gehalten haben werden. Der Mann, der über das Wasser geht, das anderen schon bis zum Hals steht. Der Mann, der ein ORF-Sommergespräch zum Eiszapfen gefrieren lässt. Der Mann, der unerschrocken weiterregieren würde, auch wenn er im Gefängnis sitzt. Der Mann, der den Dolchstoß erfunden hat, der in der berühmten Dolchstoß-Legende vorkommt. Der Mann, der in Vielem so denkt, wie die Ungeimpften, aber für die Geimpften spricht. Der Mann, der vor jedem Hintergrund und auf jedem Untergrund die gleiche Farbe hat und dennoch ein Chamäleon ist. Dieser Mann hat es uns versprochen: NIE WIEDER LOCKDOWN!

Schnitt.

Wenn ich diese vier Herrn etwas fragen dürfte – und angeblich soll es ja noch erlaubt sein, Fragen zu stellen, auch wenn man eher keine Antworten darauf bekommt – dann wäre es das:

Warum gibt es keine professionelle Impfkampagne? Ich meine eine Werbekampagne. Eine Kampagne, die sich an die Impfskeptiker oder Impfängstlichen – eben nicht an die Impfgegner – wendet und für die Impfung regelrecht wirbt. Eine Kampagne, die auf die wichtigsten Argumente der Skeptiker – die man natürlich vorher erforschen muss – eingeht. Eine Kampagne, die sicher weniger kostet, als eine Kampagne, die diese vier Herren jederzeit zur Stimmenmaximierung ihrer Partei in Auftrag geben würden. Eine Kampagne, die sich zum Ziel setzen sollte ein Drittel der Ungeimpften zu Geimpften zu machen. Eine Kampagne, die Regenschirme verkauft.

Ihr Harry Bergmann


Dr. Harry Bergmann, Werbedilettant (gar nicht einmal so schlecht), Kolumnisten-Dilettant (na, ja…). Hat durch das Schreiben einige Freunde verloren, aber mehr gewonnen (glaubt er zumindest). Denkt seit einiger Zeit darüber nach, ob der Flug Wien – Tel Aviv ein Hinflug oder ein Rückflug ist.


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