Die Putschisten

Auch Ihr Kolumnist sollte vorsichtiger sein!

Harry Bergmann
am 29.08.2021

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Freude im Rahmen des Parteitages. - FOTO: APA/HERBERT PFARRHOFER

99,4 Prozent. Da muss man dem Herrn Parteivorsitzenden schon gratulieren. Erstens, weil man einem Parteivorsitzenden immer gratulieren muss, wenn er wieder Parteivorsitzender geworden ist. Das gilt für eine Parteivorsitzende natürlich auch. Und zweitens, weil man so einem Parteivorsitzenden immer gratulieren muss, außer man hat eine ausgeprägte politische Todessehnsucht. Das gilt für eine Parteivorsitzende natürlich nicht.

Aber halt, was ist mit den 0,6 Prozent? Verräter? Wer sind diese Verräter? Was ist ihr Motiv? Sind sie vielleicht Putschisten? Wollen sie den, der selbst durch einen innerparteilichen Putsch an die Macht gekommen ist, wegputschen? Sind sie vielleicht gar die Initiatoren der „KURZ MUSS WEG“-Transparente. Oder war das nur ein Irrtum und der Text hätte lauten sollen: „MUSS KURZ WEG“.

Aber vielleicht ist es auch ganz anders und es sind die, die weggeputscht worden sind und sich jetzt zurückputschen wollen. In diesem Fall schaut es für die Zurückgeputschten in spe gar nicht gut aus. Die ursprünglichen Putschisten, also die, die die weggeputscht haben, die sich jetzt vielleicht wieder zurückputschen wollen, sitzen fest im Sattel.

Putschisten – ich meine die, die schon erfolgreich geputscht haben und ergo an der Macht sind – sind sehr vorsichtige Menschen. Man könnte sie auch als Kontrollfreaks bezeichnen.

Das ist kein Wunder, denn sie wissen ja, wie sie selbst an die Macht gekommen sind und schließen selbst die kleinsten Lücken, durch die neue Putschisten in ihr System, das sie zwar nicht erfunden haben, aber kein besseres kennen, eindringen könnten. Fast käme es einem in den Sinn, „die Reihen fest geschlossen“ vor sich herzusummen, wenn man nicht berechtigte Angst hätte, sofort verklagt zu werden. Nicht wegen Wiederbetätigung, sondern wegen Aufruhr gegen die Machthaber. Unlängst wurde erst ein Pensionist – also einer, der von dem System, das die Putschisten nach erfolgreichem Putsch fest in der Hand haben, abhängig ist – verklagt, der sich mit den Worten „vergesslich oder korrupt“ Luft machen wollte. Ja, mit Putschisten ist nicht zu spaßen.

Apropos: auch ich sollte vorsichtiger sein. Daher werde ich das Wort „Putschisten“ von nun an in Anführungszeichen setzen und bitte Sie, verehrte Leserin und verehrter Leser, auch im bisherigen Text das Anführungszeichen sozusagen mitgelesen zu haben. Vielleicht ist es überhaupt besser, wenn Sie den Text einfach nochmals mit Anführungszeichen lesen. Vielen Dank. Sie können mir damit viel Ungemach ersparen. Im Gegenzug könnte ich, sollten Sie eine Impfgegnerin oder ein Impfgegner sein, darauf verzichten, mit Ihnen zu diskutieren oder gar zu erwähnen, dass eine Durchbruchsinfektion nur zu einem minimalen Prozentsatz eintritt. Na ja, kaum fühle ich mich wegen der Anführungszeichen sicherer, schon schweife ich wieder ab.

Wir, die wir nicht zu den 0,6 Prozent – und schon gar nicht zu den 99,4 Prozent – gehören, weil wir keine Anhänger der Partei sind, die ihren jungen, alten Parteivorsitzenden zum neuen Parteivorsitzenden gewählt haben, haben in den letzten Tagen keine besonders große Freude mit einigen Vertretern der „Putschisten“. Das kommt daher – sie werden es sicher schon gehört haben – dass es im fernen Afghanistan einen bewaffneten Putsch gegeben hat. Das hat sofort zwei Vertreter jener Partei, die gerade ihren Parteivorsitzenden gewählt hat, auf den Plan gerufen. Der eine ist für alles Innere zuständig, also eine Art politischer Internist ohne Fachausbildung und der andere für alles Äußere, also ein Polit-Dermatologe.

Die Diagnose und verordnete Therapie des Internisten war – sagen wir einmal – überraschend. Nein, eigentlich war sie gar nicht überraschend, denn erstens sagt, oder zischt, er immer das Gleiche und zweitens haben die „Putschisten“ ein Instrument entwickelt, das sie Message Control nennen. Sie erinnern sich vielleicht, dass ich weiter oben davon gesprochen habe, dass „Putschisten“ Kontrollfreaks sind. Und die Unsrigen, ich nenne sie halt die Unsrigen, auch wenn sie nur von rund 40 Prozent von uns die Unsrigen sind, sagen alle das Gleiche. Und zwar immer. So kann man sie nicht auseinanderdividieren. Clever.

Also sprach der Internist, dass die im eignen Land als Fremdkörper Empfundenen genau dorthin wieder zurückgeschickt werden sollen, woher sie kommen und wo derzeit Dantes Inferno aufgeführt wird. Nach Afghanistan.

Nun gut, der Internist ist ein landauf landab bekannter grober Klotz, aber was ist mit dem eleganten Herrn Dermatologen? Der hat seinen Ovid gelernt und zeigt uns im Bald-Schon-Weißmann-Fernsehen eine Metamorphose der besonderen Art. Vom Feinsinn zum Feindsinn. Ob er das, was der Internist gemeint hat, nicht schändlich und schockierend findet, wird er gefragt. „Überhaupt nicht!“ flötet es zum Fragenden zurück.

Liebe Leserin und lieber Leser, ich würde es verstehen, wenn Ihnen in den letzten Tagen bei soviel Indolenz nach Innen und Impertinenz nach Außen mitunter die Spucke weggeblieben ist, aber bitte heben Sie sich noch ein bisschen Spucke auf, sie werden sie nicht nur für die Neubestellung der ÖBAG-Alleinvorständin brauchen, sondern vor allem für die wieder steigenden Zustimmungswerte unserer „Putschisten“.

Jedes Volk hat die „Putschisten“, die es verdient. Finden Sie nicht, Herr Parteivorsitzender?

Ich entschuldige mich bei allen, die ein Teil der steigenden Zustimmungswerte sind, vor allem aber bei allen Internisten und Dermatologen und verbleibe,

Ihr Harry Bergmann


Dr. Harry Bergmann, Werbedilettant (gar nicht einmal so schlecht), Kolumnisten-Dilettant (na, ja…). Hat durch das Schreiben einige Freunde verloren, aber mehr gewonnen (glaubt er zumindest). Denkt seit einiger Zeit darüber nach, ob der Flug Wien – Tel Aviv ein Hinflug oder ein Rückflug ist.


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