Delta ist nicht Omega

Harry Bergmann macht den notorischen Sommerverderber und weist darauf hin, dass die Inzidenz derzeit genauso hoch ist, wie letzten Juli

Harry Bergmann
am 13.07.2021

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Bahn frei für die vierte Welle? Foto: APA/ Barbara Gindl

Das griechische Alphabet hat zwar nur 24 Buchstaben, die können aber mindestens so viel, wenn nicht sogar mehr als unsere 26 Buchstaben. Behaupte ich halt einmal so, während ich auf meinen 7 Buchstaben sitze, um Ihnen etwas aus Griechenland zu erzählen.

Ich fange einmal mit Omega an. Ich weiß schon, dass Omega das Ende ist und daher am Anfang nichts verloren hat. Außer einer ist „das Alpha und das Omega“, also der Anfang und das Ende in Personalunion, aber da fallen mir im Moment – außer dem in der Bibel – nicht gerade viele ein, die das von sich behaupten könnten. Omega bedeutet aber nicht nur das einfache Ende, sondern auch das großartige Ende, die Vollendung. Das Streben nach Vollendung darf, ja sollte, an jedem Anfang stehen. Das Scheitern kommt dann schon früh genug. Ich, für meinen bescheidensten aller bescheidenen Teile, erlebe das bei jeder meiner Kolumnen.

Dieses Omega ist ein echter Tausendsassa und Multitasker. Es mischt in so vielen unterschiedlichen Bereichen mit: in Uhren sowieso, in Pharma, Physik, Chemie, Wirtschaft, Mathematik und und.

Nehmen wir gleich einmal die Mathematik. Da ist Omega ein sogenanntes „Landau Symbol“. Das sagt Ihnen nur deshalb nichts, weil sie kein Zahlentheoretiker sind. Wären Sie nämlich einer, würde Ihnen das Herz vor Freude im Leib hüpfen über das „asymptotische Verhalten von Funktionen und Folgen.“ Wären Sie ein politischer Kommentator oder zumindest ein politisch sehr interessierter Mensch, könnten Sie darüber lächeln, wie sehr sich Mathematik und österreichische Innenpolitik manchmal ähneln.

Omega ist aber keineswegs der absolute Herrscher über die anderen griechischen Buchstaben. Wir reden schließlich über Griechenland! Wir reden über die Wiege der Demokratie. In der Demokratie kann man mal oben und mal unten sein. Mal vorne, mal hinten. Mal an der Macht, mal an der Ohnmacht. Mal ein Alpha-Tier, mal ein Omega-Tier. Außer man verbiegt die Demokratie. Dann bleibt man länger oben, als man sollte und es für die drunter gut ist.

Warum erzähle ich Ihnen all das? Keine Ahnung!

Ach ja, es fällt mir wieder ein. Ich wollte eigentlich über das Delta sprechen. Alle sprechen im Moment über das Delta. Über die Virus-Mutation, die bis vor kurzem noch die diskriminierende Bezeichnung „indische Mutation“ hatte, welche die diskriminierende Bezeichnung „südafrikanische Mutation“ abgelöst hat, welche die – insbesondere in Kenntnis des Ausgangs des Elfmeterschießens – diskriminierende Bezeichnung „britische Mutation“ abgelöst hat. Delta ist der vierte Buchstabe im Alphabet. Ob das was damit zu tun hat, dass Delta die vierte Welle auslösen wird, weiß ich nicht. Was ich aber weiß, ist, dass sich die ganze Welt darauf vorbereitet.

Die ganze Welt? Fast. Bis auf ein „gallisches“ (kommt daher, dass einem, öfter als einem lieb ist, die Galle hochkommt) Dorf zwischen Bodensee und Neusiedlersee. Die 7-Tage-Inzidenzen steigen, wohin das europäische Auge blickt: in England extrem, in den Niederlanden, in Portugal, in Spanien. In Israel, wo es schon wieder mehr als 300 Neuinfektionen pro Tag gibt, laufen bald viele der zeitlich limitierten Grünen Pässe aus. Die dritte Impfung klopft schon an.

Und auf der Insel der Seligen und Weinseligen, der Schwangeren und scheinheilig Schwangerschaftsgratulierenden, der fesch in den Wörthersee Springenden, der noch fescher bei den Salzburger Festspielen Vorbeischauenden, der frauenfeindlich fauchend aus dem Neusiedlersee Auftauchenden und nach Wien Krächzenden, der multiplen Sommergespräche Führenden, der „Wenn der VAR das Arnautovic-Tor gegen Italien nicht aberkannt hätte“ – Fußballeuropameister? Da hat man andere Sorgen, nämlich keine.

Jetzt genießen wir einmal sorglos den Sommer, das ist – nicht zuletzt – auch gut für das politische Beliebtheitsbarometer. Wen kümmert da Delta? Delta steht schließlich auch für Differenz. Und so differenzieren wir uns von all diesen Schwächlingen, diesen Paranoikern, diesen Corona-Kriechern, die jetzt schon Vorkehrungen treffen für einen eventuell harten Herbst und für einen sicher harten Winter.

Als notorischer Sommerverderber wollte ich nur anmerken, dass die Inzidenz genauso hoch ist, wie letzten Juli, dass 60 Infizierte im Krankenhaus liegen und zumindest so viele Intensivbetten belegt sind.

Die Alpha-Tiere, die in Österreich für das Delta-Management verantwortlich sind, kommen einem vor wie der Geisterfahrer, der meint, dass alle anderen in der falschen Richtung unterwegs sind. Hierzulande werden noch die letzten geschlossenen Türen geöffnet, während genau diese Türen im Ausland wieder fest ins Schloss fallen. Selbst vom Turnschuhe tragenden Arzt ist nichts zu hören. Er dürfte in der Zwischenzeit zum Politiker mutiert sein.

Das Bundesalpha – mehr so Bundesalpherl – ist überhaupt der Beste. Letzten Sommer hat er wenigstens nichts gesagt und nichts gemacht, heuer macht er erst recht nichts, kündigt das aber noch goschert an. Jeder soll sich um seinen Scheiß selbst kümmern und wer sich nicht impfen lässt, wird schon sehen, wenn ihn der Covid holt. Könnte ihm vielleicht jemand zuflüstern, dass erst rund 50 Prozent der Bevölkerung beide Impfungen haben?

Wenn ich das richtig gelesen habe, dann beträgt der Schutz gegen Delta für zweimal Geimpfte weniger als 70 Prozent. Ja, aber gegen einen schweren Verlauf ist man mehr als 90 Prozent geschützt, wird gekontert. „Und die Langzeitwirkungen?“ „Wurscht, Du Querulant!“

Und glauben Sie bitte ja nicht, dass Delta schon Omega – also das Ende – ist. Da werden noch ein paar Mutationen folgen und die Pharma-Industrie wird sich goldene Nasen verdienen und wir werden im gallischen Dorf nur das Licht am Ende des Tunnels, aber keine Impfdosen sehen.

Ach, jetzt habe ich vergessen, Ihnen etwas über Griechenland zu erzählen. Egal, bin eh in ein paar Tagen wieder in Wien.

Auf bald in der Loge 17,

Ihr Harry Bergmann


Dr. Harry Bergmann, Werbedilettant (gar nicht einmal so schlecht), Kolumnisten-Dilettant (na, ja…). Hat durch das Schreiben einige Freunde verloren, aber mehr gewonnen (glaubt er zumindest). Denkt seit einiger Zeit darüber nach, ob der Flug Wien – Tel Aviv ein Hinflug oder ein Rückflug ist.

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