Ich schreibe mich aus

Wer wird Thomas Schmid als neuer ÖBAG-Alleinvorstand nachfolgen? Na ich!

Harry Bergmann
am 09.04.2021

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Foto: APA/Herbert Neubauer

Ich habe mir die Entscheidung wahrlich nicht leicht gemacht. Ich habe mit ehemaligen Weggefährten gesprochen, ich habe mit Freunden gesprochen, ich habe mich mit Feinden nach Jahren wieder an einen Tisch gesetzt, ich habe meine Anwälte konsultiert, aber auch jene Anwälte, gegen die meine Anwälte schon krachend verloren haben, ich habe mich gesundheitlich durchchecken lassen, ich habe meine Gesprächstherapie abgebrochen und eine Analyse begonnen, ich habe meine Ernährung umgestellt, ich habe mir ein Horoskop erstellen lassen, ich habe mein Schlafzimmer ausgependelt, ich gehe jetzt wieder regelmäßiger in die Synagoge, ich habe mich insgesamt fünfmal – zweimal Astra Zeneca, zweimal Pfizer, einmal Johnson & Johnson – impfen lassen, ich trage jetzt auch beim Schlafen eine FFP2-Maske, ich habe einen tschetschenischen Sprachkurs belegt und ich habe von einem Freund aus Kindergartentagen, der jetzt ein hohes Tier beim Mossad ist, wichtige Hintergrundinformationen bekommen.

All das hat mich in meinem Entschluss bestärkt: ich werde die Nachfolge von Thomas Schmid antreten. Sie werden sich jetzt vielleicht wundern, dass ich das so selbstbewusst hinausposaune, wo doch dieser Job erst nach einer Ausschreibung vergeben werden kann.

Aber ich habe da so eine Idee. Ob die am Ende wirklich so einfach ist, wie sie klingt, kann ich nicht sagen, aber es ist einen Versuch wert. Ich brauche gar nicht das Rennen in der Ausschreibung, sondern nur das Rennen um die Ausschreibung machen. Ich muss den Auftrag kriegen, die Job-Anforderungen zu erstellen. Genau! Ich schreibe die Ausschreibung selbst und zwar so, dass am Ende nur ein Bewerber übrigbleibt. Ich.

Ich kenne Ihren Einwand und glauben Sie mir, er ist mir hundertmal durch den Kopf gegangen: „Wenn es wirklich so einfach ist, warum hat es dann noch nie jemand gemacht?“

Meine etwas ausufernde Antwort: „Einer muss der erste sein und mir schwebt auch nicht das übliche Procedere vor, sondern ein ganz gefinkelter, machiavellistischer, tiefenpsychologischer, „Tante Jolesch“-affiner, assoziationskettenverknüpfender, Iwan Petrowitsch Pawlow–eingedenker Eignungstest.“

Gleich zu Beginn eine Drop-Out-Frage: „Lieben Sie Ihren Kanzler mehr oder weniger als Krautfleckerln?“ Diese Frage ist praktisch unmöglich richtig zu beantworten. Wählt man den Kanzler als Objekt oder Subjekt der Begierde … Falsch! Das hat schon einmal in die Oberstpeinlichkeit geführt. Wählt man die Krautfleckerln, ohne die Krautfleckerln der Tante Jolesch zu erwähnen … Falsch! Nur ihre Krautfleckerln können über der obersten Instanz des Staates stehen. Hält man sich aber für besonders gefinkelt und erwähnt die Tante Jolesch … Falsch! Die Tante Jolesch hat nie das Rezept verraten, also kann man ihre Krautfleckerln nur zu ihren Lebzeiten gegessen haben. Die richtige Antwort lautet daher: „Die Frage ist nicht zu beantworten, denn es wären die Krautfleckerln der Tante Jolesch, deren Rezept sie aber leider mit ins Grab genommen hat.“

Eigentlich sollte ich an dieser Stelle schon der Nachfolger von Thomas Schmid sein. Wenn aber nicht, dann könnte die nächste Fangfrage die endgültige Entscheidung bringen.

„Was verstehen sie unter Le Chat Noir?

A: Der schwarze Kater

B: Ein Kabarett auf dem Montmartre, Ende des 19. Jahrhunderts

C: Ein ÖVP-interner Chat“

Die richtige Antwort: A und B und C

In dieser Tonart geht der Assassment-Test weiter, wenn er denn weitergehen muss.

„Benützen Sie ein Handy?“

Die richtige Antwort: „Nein. Ich benütze mehrere Handys. Alle mit Wertkarte, die nach jedem Telefonat oder SMS von einem jungen Mitarbeiter, der adoptiert ist und deshalb seinen richtigen Namen nicht kennt, geschreddert werden.“

„Gefallen Ihnen Emojis und wenn ja, welche am besten?“

Die richtige Antwort: „Nein, ich finde Emojis kindisch und distanzlos. Insbesondere in Zeiten des Social Distancing sollte man davon mindestens zwei Meter Abstand halten.“

Da bis spätestens zu diesem Zeitpunkt alle aussichtsreichen Bewerber aus dem In- und Ausland die Segel gestrichen haben, wird es zur folgenden – politisch sehr kniffligen – Frage nicht kommen. Da ich aber noch ein gutes Jahr Vorlaufzeit für diesen Job habe, möchte ich nichts dem Zufall überlassen und baue auch noch die österreichischste aller Fragen ein: „Haben Sie ein Parteibuch?“.

Die richtige Antwort muss mit einem Räuspern beginnen. Da es sich beim Räuspern um einen Pawlowschen Reflex handelt, passiert das gewissermaßen automatisch. Erst dann setzt man ganz langsam zur Antwort an. „Ja und nein …“ das verschafft einem ein paar Sekunden, in denen man alle machiavellischen Spins und Gegenspins vor dem geistigen Auge Revue passieren lassen kann „… ich hatte ein Parteibuch, aber das habe ich zurückgelegt, um diese exponierte Aufgabe überhaupt annehmen zu können. Nur so kann der Kanzler seine überparteiliche Haltung bei meiner Bestellung unter Beweis stellen. Und wenn etwas wirklich in die Hose gehen sollte, ist nicht er oder die Familie hin, sondern nur der Parteilose.“

Ach, ich freue mich schon so auf meinen Job.

Ihr Harry Bergmann

Öbag Ganzalleinvorstand in spe


Dr. Harry Bergmann, kein Studienabbrecher, aber in der Werbung dennoch Autodidakt. Seit 2 Jahren nicht mehr in der Werbung, aber schon wieder Autodidakt. Diesmal beim Schreiben. Lebt in Wien und in Israel, außer es ist gerade in einem der beiden Länder ein Lockdown.

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