Das Spiel dauert 90 Minuten und der Ball ist rund und überhaupt

Die Politik lässt gern etwas Glanz vom Fußball auf sich selbst abstrahlen. Außer in Österreich, da gibt’s nichts zum Abstrahlen.

Harry Bergmann
am 29.03.2021

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Foto: APA/HERBERT PFARRHOFER

Die unwichtigste unter den „wichtigsten Nebenbeschäftigungen der Welt“ ist Fußball schauen. Die masochistischte Form davon ist, österreichischen Fußball schauen. Am Donnerstag am Abend verzappte ich mich in das WM-Qualifikationsspiel Schottland: Österreich („Heute spielt Österreich:Ungarn“ „Ah, gegen wen?“). Zu allem Überdruss kam ich auch noch zu früh und landete im Studio bei der Vorbesprechung des Spiels mit Herbert Prohaska. Der Zahn der Zeit ist auch bei unserem Jahrhundert-Kicker – „ich sag einmal so“ – nicht unnagend vorbeigegangen. Vor allem sein Spitzname „Schneckerl“ ist zu einem unlösbaren Suchrätsel verkommen.

Bevor ich jetzt einfach weiterschreibe: es ist mir bewusst, dass sich nur wenige von Ihnen für Fußball im Allgemeinen und für ein Spiel der österreichischen Nationalmannschaft im Speziellen, interessieren. Ich bitte Sie dennoch diesen Teil nicht achtlos zu überspringen, sonst könnte sich Ihnen vielleicht die Raffinesse des dann folgenden Textes nicht zur Gänze erschließen.

Nationalmannschaften sind wichtig. Sie sind Identitätsstifter. Das hat leider manchmal auch chauvinistische und nationalistische Auswüchse. Europameisterschaften oder Weltmeisterschaften werden dann gerne zu Ersatzkriegen aufgeschaukelt. Aber was wird heutzutage nicht zu einem Ersatzkrieg aufgeschaukelt? Ich erinnere mich an ein historisches Spiel – es war nicht Fußball, sondern Eishockey – zwischen der Tschechoslowakei und Russland, nach dem Einmarsch der Russen in Prag. Jeder, ich meine j-e-d-e-r, wollte den Sieg der Tschechoslowakei und bekam ihn auch. Für ein paar Stunden war die Niederschlagung des Prager Frühlings gerächt und vergessen.

Verstehen Sie mich bitte richtig: das Fußballspiel, das ich mir da im Fernsehen angeschaut habe, hatte keinerlei geschichtliche Bedeutung, nicht einmal eine sportgeschichtliche, ja nicht einmal eine Bedeutung im Bezug auf die Frage, ob sich Österreich schlussendlich für die WM qualifizieren wird. Man hat halt den Sieg verspielt, oder wenn man es sportkommentatorisch ausdrücken will „zwei Punkte in Schottland liegen gelassen“, die man aufgrund des starken Regens während des Spiels wohl auch nie mehr finden wird. Mehr ist darüber nicht zu sagen.

Na, vielleicht doch ein bisschen mehr. Als ich krampfhaft versuchte, dem ziemlich deprimierenden Spiel irgendetwas abzugewinnen, fiel meine Aufmerksamkeit auf etwas sehr Interessantes. Diese Mannschaft war nicht einfach der Repräsentant von Österreich. Nein, diese Mannschaft WAR Österreich! Und das Spiel selbst war ein Abbild dessen, was bei uns in den letzten Monaten passiert oder eben nicht passiert ist.

Ich werde versuchen diesen zugegebenermaßen etwas krausen Gedanken anhand von ein paar Beispielen zu erläutern.

In der Elf standen vier Spieler mit Migrationshintergrund. Ich kann natürlich nicht sagen, in welcher Generation die Migration stattgefunden hat. Was ich aber sagen kann, ist, dass diese Spieler, aus welchem Grund auch immer – vielleicht nur aus behördlicher Nachlässigkeit – nicht schon als Schulkinder abgeschoben wurden. Sonst würden sie ja jetzt für Serbien, Bosnien oder wen auch immer spielen. Einer dieser Spieler, ein gewisser Sasa Kalajdzic, war hauptverantwortlich dafür, dass Österreich, wenn man es wieder sportkommentatorisch ausdrücken will, „zumindest einen Punkt aus Schottland entführt hat“. Eigentlich eh klar, dass der Migrant, und einzig der Migrant, getrieben von seiner kriminellen Energie diese Entführung geplant und ausgeführt hat.

Ein skandalöser Ausschuss des österreichischen Tormanns (ohne Migrationshintergrund) hätte beinahe die Arbeit des oben erwähnten Entführers völlig zunichte gemacht und zur Katastrophe eines Eigentors geführt.

Hier war eine interessante Umkehr von Ursache und Wirkung festzustellen. Denn bei einem anderen skandalösen Ausschuss – im Parlament wird nicht nur gebetet, sondern auch ausgeschossen – stand die mit einem Video dokumentierte Katastrophe schon von allem Anfang an fest. Apropos Video: ausgerechnet bei diesem Spiel hatte der Schiedsrichter keinen sogenannten „Video-Assistenten“, der ihm normalerweise die Arbeit viel leichter macht. Wenn er sich nicht auskennt, schaut er sich das Video an. Bei den österreichischen Politikern ist es genau umgekehrt: wenn sie sich das Video anschauen, kennen sie sich nicht mehr aus.

Fußball ist ein Mannschaftssport, wie Regieren eigentlich auch. Jeder hat seine Position und Funktion, jeder hilft jedem und alle verfolgen das gleiche Ziel: die bestmögliche Leistung.

Die Leistung der österreichischen Fußballer entsprach an diesem Abend ziemlich genau der organisatorischen Leistung unserer Regierung in Bezug auf die Durchimpfungsquote. Österreich liegt im europäischen Vergleich auf Platz 24 unter 33 Staaten. Wie sagte ein bekannter Fußballer beim Halbzeitstand von 0:5? „Hoch g’winn ma‘s nimmer!“ Und was sagte einer der Fußball-Experten vor dem Donnerstag -Match? „Für mich ist Österreich der Favorit in der Gruppe!“ Die Ähnlichkeit mit Aussagen des Bundeskanzlers – „Wir sind im Europavergleich unter den Besten!“ – verwundert dann wohl niemanden mehr.

Das Spiel endete, wie es enden musste. Mit einem Unentschieden. Warum musste es so enden? Ganz einfach, weil Österreich der Weltmeister des Unentschieden-Seins ist.

„Schau ma, dann sehn ma’s eh“ ist auch der kleinste gemeinsame Nenner der Koalition zu pandemischen Zeiten.

Je länger ich allerdings darüber nachdenke, desto unsicherer macht mich der Vergleich zwischen Fußball und Politik. Im Fußball kann man schlecht spielen und dennoch gewinnen. Man kann Glück haben, ein schwacher Schuss könnte vom Rücken eines gegnerischen Verteidigers auf die Latte abgelenkt werden, von dort auf die rechte Stange und von dort auf den Hinterkopf des Tormanns … und Tor!

Ein Politiker kann sich nicht auf sein Glück verlassen, denn es wird ihn eines Tages verlassen, und es könnte gerade ein Wahltag sein. Ein Politiker sollte nicht ständig darauf schauen, wie es steht und – vor allem – wie es um ihn steht, sondern seine Strategie verfolgen, wenn er denn eine hat. Ein Politiker sollte nicht sein ganzes Tun nur auf die Gunst seines Fan-Sektors ausrichten und vor allem: das Ding dauert nicht nur 90 Minuten, sondern manchmal eine gefühlte Ewigkeit, wie zum Beispiel das monatelange, unerträgliche Pandemie-Gewurschtel.

Ihr Harry Bergmann

PS.: Wenn Sie diese Kolumne lesen, hat Österreich schon gegen die Färöer gespielt. Nach einem möglichen Sieg gegen die Amateurkicker sind wir natürlich wieder Weltmeister.


Dr. Harry Bergmann, kein Studienabbrecher, aber in der Werbung dennoch Autodidakt. Seit 2 Jahren nicht mehr in der Werbung, aber schon wieder Autodidakt. Diesmal beim Schreiben. Lebt in Wien und in Israel, außer es ist gerade in einem der beiden Länder ein Lockdown.

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