Über Ausnahmekönner und Ausnahmen

Oder: Was Thiem, Trump und Ludwig miteinander verbindet

Harry Bergmann
am 10.10.2020

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Mein Fernsehverhalten der letzten Tage könnte man getrost als erratisch bezeichnen. Ich zappe – eigentlich mehr zappel – von einem Sender zum anderen, von einem Thema zum anderen, von einem Kontinent zum anderen, von einem Unverständnis zum anderen, von einer Manie in eine Depression und wieder retour. Ein Thema hat sich in den letzten Tagen allerdings von selbst abgehakt: Dominic Thiem.

Er wollte mir ja mit seinen letzten Kraftreserven, weiteres Fernsehvergnügen bereiten, aber nach über 5 Stunden im letzten Match, konnte er einfach nicht mehr. Und ich auch nicht. Wobei er es etwas leichter hatte, als ich. Denn er hatte immer Diego Schwartzmann auf der anderen Seite, der außerdem sein Freund ist. Ich musste mich mit dem chauvinistischen „Unser Domi“ – Kommentator herumschlagen.

Wenn nicht auf einem anderen Kanal gerade eine Paintball-Direktübertragung stattfand und Herr Kickl und Herr Nepp Zeit gefunden haben ein bisschen Tennis zu schauen, dann hätten die Beiden mit diesem „echten Österreicher“ eine wirkliche Freude gehabt. Kam noch dazu, dass er vom Spiel nichts, aber schon gar nichts, mitbekam.

Manchmal wär Nicht-Fernsehen das bessere Fernsehen. Besonders im Wahlkampf. Foto: Tim Mossholder | Unsplash

Das erinnerte ein bisschen an den detailverliebten Heinz Prüller bei Formel 1 Übertragungen. Wenn man einen Fahrer schon seit 5 Runden vermisst hatte, dann begann Prüller gerade eine Lobeshymne über dessen Unbesiegbarkeit zu singen.

„Arturo, der mit seinem richtigen Namen eigentlich Gianfranco hieß, aber wegen General Franco sich nicht mehr so nennen wollte, hatte ein ganz schlechtes Verhältnis zu seinem Stiefvater, das ihn schon mit 14 Jahren aus dem Elternhaus vertrieb. Als jüngster Formel 1-Mechaniker der Welt schaffte er einen derart steilen Aufstieg , dass er schon mit 15 alleinverantwortlich für die 11. Kerze war……oh, ich sehe gerade….“

Satz vier und fünf sah ich mir jedenfalls auf Eurosport an. Verloren hätte Thiem höchstwahrscheinlich auch auf ORF. Ich hätte es nur nicht mehr gesehen. Ich hätte einfach den Sender und den Kontinent gewechselt, um ja kein ärztliches Bulletin über Trump zu versäumen. Ich beobachtete auf CNN genau, ob der Leibarzt von POTUS irgendeine Regung zeigen würde, wenn er medizinische Details über das Wohlergehen des Präsidenten zum Besten gab, die offensichtlich vom Wahlkampfleiter aufgesetzt wurden. Unglaublich diese Show! Und obwohl ich für die Welt nichts mehr fürchte, als eine Wiederwahl dieses Widerlings, bin ich nicht sicher, ob diese Mega-Inszenierung nicht noch alles auf den Kopf stellen kann.

In meiner Heimat, Israel, gab es eine ähnliche Situation. Auf der einen Seite, der Freund von Trump und Kurz, Netanjahu. Auf der anderen Seite Benny Gantz, ehemaliger Generalstabschef der israelischen Armee. Solange Gantz in Uniform war – ich hatte die Ehre ihn mehrmals bei einem gemeinsamen Freund privat zu treffen – hatte er ein derartiges Charisma, dass man dachte, „endlich ist einer da, der den Netanjahu-Spuk beendet.“ Gantz war nicht nur der Generalstabschef, er sah – braungebrannt, 2 Meter groß, kurzgeschnittenes graues Haar – auch wie ein Movie-Star aus, der den israelischen Generalstabschef spielt. Aber kaum ging es ans Wählen, hatte Gantz nur ein einziges Programm: „Ich bin nicht Netanjahu.“ Das ist zu wenig. Vor allem gegen jemanden, der mit dem Rücken zur Wand steht und wie ein Löwe kämpft. Genau deshalb könnte das auch bei Biden zu wenig sein. Diese TV-Show geht noch bis 3. November mit unzähligen Folgen weiter.

Eine andere endet diesen Sonntag. Die Wien-Wahl. Wenn diese Kolumne erscheint, ist vielleicht schon alles vorbei, aber ich kann getrost weiterschreiben, weil ohnehin jeder weiß, wie es ausgehen wird. Das einzige, was man erst am Sonntag am Abend wissen wird, ist, ob ein Mann, der wegen Missbrauchs aller Art wieder seinem erlernten Beruf als Zahntechniker nachgehen sollte, im Gemeinderat sitzen wird.

Wenn ich an meine Zahnarzt-Phobie denke, vielleicht eh besser. Das Wort „Schande“ will ich in diesem Zusammenhang gar nicht mehr in den Mund nehmen, es verhallt ohnehin in den Niederungen von Rassismus, Menschenverachtung, Korruption und der Wiener Kanalisation.

Obwohl eh alles klar ist, gab es 3 oder 4 sogenannte Elefantenrunden im Fernsehen. In jedem Sender, der sich zumindest selbst ernst nimmt, eine. Wir wissen, dass Elefanten ein gutes Gedächtnis haben. Was insofern hilfreich war, weil man auf die immer gleichen Fragen, die immer gleichen Antworten abrufen konnte. Die Moderatoren konnten einem wirklich leidtun. Was soll man überhaupt fragen? Ich konzentrierte mich jedenfalls bei der letzten Runde weder auf die Fragen und schon gar nicht auf die Antworten, sondern einfach nur auf völlig nebensächliche Details.

Das Mienenspiel der Sphinx von Floridsdorf, Bürgermeister Ludwig. Das Herumeiern der Frau Vizebürgermeisterin, bis sie endlich das Wort „Trotteln“ herausbrachte. Das Haargel des Herrn Nepp, dass er sicher in einem türkischen Barber-Shop erworben hat. Die dünnen Lippen von Herrn Blümel – als wären sie von einem 4H-Bleistift gezeichnet – denen von Zeit zu Zeit gezischte Abfälligkeiten in Richtung des früheren Koalitionspartners entfuhren. Die scherzhaft gemeinte Musterschüler-Frage an Herrn Wiederkehr, der er, wie ein Musterschüler, erst zum Ernst verhalf. Die Koalitionsfrage prallte an der Sphinx ab. Aber wenn man genauer hinhörte, bleibt auch da alles beim Alten. Elefanten eben.

Wenn man die „6 Elefanten“ als Unterhaltungssendung betrachtete, dann war es eh okay. Man musste es sich nur selber lustig machen. Gibt es irgendwas, das Thiem, Trump und Ludwig verbindet, außer mein Fernsehgerät? Vielleicht das: es kommt nur darauf an, dass man gewinnt, nicht wie man gewinnt. Leider.

Das nächste Mal schreibe ich dann über das schlechte Verhältnis zwischen Tirol und Island und wie es dazu kam, oder warum es besser ist, ein K1 als ein K2 zu sein oder über etwas wirklich Interessantes.

Und jetzt erinnere ich sie noch an die Flüchtlingskinder. Der Winter kommt und es wird alles nur noch schlimmer.

Ihr Harry Bergmann


Harry Bergmann. Früher der Nachname von Demner, Merlicek & Bergmann. Jetzt einfach Bergmann. Weiß nach 4 Jahrzehnten ganz genau, was er alles über Werbung noch immer nicht weiß. Hobby-Schreiber. Da weiß er noch viel weniger und findet das gerade deshalb so spannend. Lebt in Wien und Herzlia/Israel.


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