Das Rätsel der Träume

Frei nach Siegmund Freud, der auch schon in der Loge 17 saß

Harry Bergmann
am 22.07.2020

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Wieder in Wien.

Nach einer harten Landung – sowohl physisch als auch psychisch – sitze ich weich und behaglich in meiner Loge 17.

Geht mir Griechenland ab? Schon.

Zum Beispiel die Farben. Dort haben Türkis, Blau, Grün, Rot und Pink keine politische, sondern nur ihre natürliche Zuordnung. Meer, Himmel, Olivenzweig, Sonnenuntergang. Blühende Bougainville .

Die Politik, die wirtschaftliche Misere, die gesellschaftlichen Probleme – ja selbst die tausenden Flüchtlinge in den Camps – gehen im Ignorieren  des erholungssüchtigen Urlaubers unter. Das Gewissen liegt in der Hängematte.

Jetzt heißt es aber, sich zuhause wieder zu integrieren. Bei Anlaufschwierigkeiten kann man ja immer noch die visionäre Susanne „ich als Integrationsministerin sage Ihnen“ Raab fragen und hoffen, dass man zufällig den richtigen Textbaustein erwischt.

Die Ober in meinem „Büro“ machen mir den Restart leicht. Sie freuen sich wirklich mich wiederzusehen. Sogar der Dienstälteste, der mich immer „Herr Professor“ nannte, bis ich ihn endlich davon überzeugen konnte, dass ich kein Professor bin („Macht nichts, Herr Professor!“) vergisst seine Traurigkeit über meine akademische Degradierung und strahlt übers ganze Gesicht.

Siegmund Freud, (vielleicht) am Weg ins Kaffeehaus | Foto: APA/dpa (Archiv)

Aber wieso tragen sie keine Masken? Hab ich mich verlesen? Es ist doch wieder Maskenpflicht, oder?

„Na Moment , Moment, so afoch geht des bei uns net !“ wiehert der zum Lipizzaner aufgepimpte Amtsschimmel. Zur Einführung der Masken muss es  eine Pressekonferenz geben. Höchstwahrscheinlich, um das richtige „Einführen“ zu demonstrieren. Da ist vor allem der Innenminister gefordert. Zum einen muss er ja Demonstrationen bewilligen und zum anderen wird er uns erklären müssen, wie weit nach Innen … verzeihen Sie, ich verlaufe mich da wieder in seltsamen Phantasien.

Sebastian Kurz hat jedenfalls in Brüssel alles liegen und stehen gelassen, um bei dieser Demo dabei zu sein. Pressekonferenz ohne Kurz ist wie Würschtl ohne Senf oder Saft oder was-weiß-ich-was.  Abgesehen davon, dass es zur bad news der Maske die good news der Millionenersparnis zu verkünden gilt. Sebastian, der Sparsame  – böswillige nennen ihn Sebastian, den Geizgeilen – hat das als Beute von Brüssel mitgebracht, um sie seinen Landsleuten stolz vor die Füße zu werfen. „Teilt Euch das Fell des Bären und preiset den Jäger!“

Völlig unverständlicherweise verweigern einige in Europa unserem jugendlichen Helden die gebührende Achtung. Besonders negativ tut sich da der Französische Präsident hervor. Der hat ja Sebastian, den Kurz-Sichtigen – auch so wird er gerne hinter seinem Rücken genannt – hingestellt wie einen Lausbuben. Ich finde, unser Außenminister sollte den Französischen Botschafter einbestellen und ihm tüchtig die Marseillaise blasen.

Seit den Napoleonischen Kriegen hat es keine Schmach wie diese gegeben. Und wenn der Franzmann sich nicht entschuldigt, sollte man ihn schleunigst an die Schlacht in Aspern erinnern.

Vielleicht eh keine schlechte Idee: ein militärischer Erfolg gegen die von den Gelben Westen geschwächte Französische Armee  könnte von den innenpolitischen Schwierigkeiten ablenken.  Der voraussichtliche Sieg würde auch die kleine Delle in der Beliebtheit von Sebastian, dem Feldmausmarschall wieder ausbügeln. Anschober beliebtester Politiker Österreichs ? Lächerlich! Wer ist Anschober?

Okay, der kurze Napoleon hat seinen ersten Sieg mit 26 errungen und der napoleonische Kurz ist schon paarunddreißig. Aber Corona, Untersuchungs-Ausschuss, Wien-Wahl, Raab, Aschbacher, Tanner, Edtstadler, Schramböck, ein erster Adjutant, der seinen Laptop verloren hat, tägliche Koalitionskriege (Napoleon hatte nur wenige), das Vereinte Europa zu entzweien – und vor allem – die eigene, galoppierende Amnesie, lässt einen einfach schneller altern.

Der nächste Herbst kommt bestimmt. Und Sebastian, der Unsäumige, wird sich nicht lange auf den Lorbeeren des Frankreich-Sieges ausruhen können. Die Wiederaufnahme des U-Ausschusses naht. Die Strategie vom Ibiza-Video (zumindest vom untergriffigen Director’s Cut) abzulenken und gleich das ganze System, das man ja nicht erfunden hat, auf die Anklagebank zu setzen, scheint aufzugehen. Aber Vorsicht, Netflix und Amazon rittern schon um die Ausstrahlung als Christmas Special und Gudenus rechnet sich gute Chancen bei den Golden Globes aus.

Aber damit nicht genug. Sebastian, der Winkelzügler  muss auch noch HC Strache in Wien unterstützen, um die Rechte zu schwächen. Auch da kann er sich auf niemand anderen verlassen.

Schließlich das Heer von Arbeitslosen. Die gilt es für die Armee zu rekrutieren, denn nur mit freiwillig zurückgekehrten Zivildienern wird man den Europa-Triumphzug nicht fortsetzen können. Aber gut, das könnte man zur Not auch von der WKO abwickeln lassen. Die hat die Corona-Feuertaufe ja glänzend bestanden.Und das AMS (Austria Militär Sonderkommando) ist der ersehnte letzte Puzzlestein, der das türkise Meisterwerk vollendet.

„Herr Bergmann, Herr Doktor Bergmann, Herr Professor Bergmann…..entschuldigen Sie, dass ich Sie störe, aber Ihr türkischer Kaffee wird kalt. Sie sind ein bisschen eingenickt.“

Türkischer Kaffee? Ich wollte doch einen griechischen Kaffee. „Das ist das gleiche, Herr Bergmann. Hier bei uns heißt er türkischer Kaffee.“ Hier bei uns ?

Wieder in Wien.

Das nächste Mal schreibe ich dann irgendwas – ich habe genug von meinen ewigen Ankündigungen, die ich nicht einhalte –  aber vielleicht wird es eh interessant.

Ihr Herr Doktor Professor Harry Bergmann 


Harry Bergmann. Früher der Nachname von Demner, Merlicek & Bergmann. Jetzt einfach Bergmann. Weiß nach 4 Jahrzehnten ganz genau, was er alles über Werbung noch immer nicht weiß. Hobby-Schreiber. Da weiß er noch viel weniger und findet das gerade deshalb so spannend. Lebt in Wien und Herzlia/Israel.

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