Fisch Ahoi, Teil 17 – Als wir im Öl sein wollten

FLORIAN HOLZER | 05.04.2019

Ich habe noch nie Lebertran getrunken. Soll schrecklich geschmeckt haben, sagen Leute, die Leute kennen, die in ihrer Kindheit diese Erfahrung machen mussten. Angeblich wurden Kinder bis in die 60er-Jahre dazu gezwungen, jeden Tag einen Löffel davon runterzuschlucken, nämlich zur Rachitis-Vorbeugung. Was man heutzutage aber nur mehr als Bestandteil von Machtmissbrauch und schwarzer Pädagogik interpretieren kann, denn dass das Provitamin D3, um das es da geht, etwa auch durch Sonnenlicht generiert werden kann, war damals schon längst bekannt.

Aber okay, auch Lebertran ist eine hochgradig interessante Angelegenheit und seit etwa tausend Jahren in Gebrauch. Ich hab zwei Apothekerinnen gefragt, ob sie mir sagen könnten, wie man das am besten herstellt, denn aus den Erläuterungen im historischen Werk Hagers Handbuch der pharmazeutischen Praxis, das ich im Netz fand, wurde ich nicht so recht schlau. Die mir bekannten Pharmazeutinnen gestanden, mit der Herstellung von Lebertran noch nie etwas zu tun gehabt zu haben und rieten mir auch sehr eindringlich dazu, es ebenso zu halten. Was natürlich ein bisschen ein Anreiz war.

Konkret fand ich heraus, dass es zwei Arten Lebertran gibt, nämlich den „alten“, der gewonnen wird, indem man eine große Menge von Fischlebern vergammeln lässt, bis sich durch den Eigendruck da ein Öl absondert. Kam für uns nicht in Frage, denn auch wenn wir seit Anfang der Dreharbeiten im April 2018 Fischlebern gesammelt und eingefroren hatten, so etwas Ähnliches wie Eigendruck wäre mit dem Bisschen nie zu erzielen gewesen.

Also die zweite Variante, der „helle“ Lebertran, der durch Dampf-Extraktion gewonnen wird. Ich konstruierte ein Gerät, mit dem das meiner Meinung nach funktionieren sollte, schickte die Skizze an Nowak und Pertramer, worauf mir Pertramer eröffnete, dass ich da soeben den Dampfentsafter erfunden hätte, mit dem er seit hundert Jahren die Äpfel seines südburgenländischen Gartens zu Saft mache.

 meine Erfindung: die Lebertran-Maschine

Na gut. So sehr ich von meiner Methode überzeugt war, so sehr war Nowak der Meinung, dass er mit seiner Second-Hand-Brennblase zur Gewinnung ätherischer Öle erfolgreicher sei, ein Kompromiss schien nicht möglich, also probierten wir beides.

Einschub: Lebertran hat übrigens nichts, wie oft geglaubt, mit Wal-Tran zu tun. Wal-Tran, also das ausgelassene Schmalz von Walen, diente bis zur Etablierung von Erdöl-Produkten als Brennstoff für Lampen, nicht aber zum Genuss. Lebertran indes wird aus den (großen und Fett-haltigen) Lebern von Kabeljau, Dorsch und was man in der Nordsee halt sonst noch so fing, gewonnen.

     Bild 1: der Dampfentsafter, Bild 2+3: Nowaks Destille. (Fotos: Hanna Gassner)

Wir heizten die Geräte also an und zu unserem Erstaunen, kam da auch wirklich bald ein Ergebnis zustande: Bei mir eine grau-braun-trübe Flüssigkeit, die nach Fischleber schmeckte und insgesamt wohl die Mischung aus der Gewebsflüssigkeit der Lebern und kondensiertem Wasser des Entsafters war; bei Nowak und Pertramer klares Wasser, von dem sie sehr überzeugt waren, dass da ein hauchdünner Öl-Film drauf gewesen wäre. Ich hab den jedenfalls nicht gesehen. Und nein, wir kühlten unsere Proben nicht herunter, um eventuellen Lebertran von den Flüssigkeiten zu trennen, wir resignierten triumphierend. Schließlich war die Idee einfach super. Und wir gehen eh lieber in die Sonne.