Damit es gut rutscht …

FLORIAN HOLZER | 30.12.2016

Okay, gerade hat man sich vom rituellen Fressen am Heiligen Abend, am Christtag und am Stefanitag ein wenig erholt, geht’s gleich wieder zur Sache, und zwar diesmal nicht nur traditionell, sondern gern auch ordentlich abergläubisch.

Ist Aberglauben eigentlich schon postfaktisch oder eher noch praefaktisch? Egal, er hat zum Jahreswechsel absolute Hochsaison und durchaus das Zeug, in den Leitkultur-Kataster aufgenommen zu werden. So essen wir Schweinekopf und Schweinerüssel einerseits, weil das Schwein Glück bringt (schwer belegbar, aber okay, kommt wahrscheinlich drauf an, wie man „Glück“ definiert …), andererseits weil der Rüssel „nach vorne“ schaut, wie ich soeben auf der ORF-Steiermark-Seite las. Und vorne ist das Glück? Weiß nicht.

Angeblich wird auch Fisch aus Glücksgründen gegessen, weil der immer nach vorne schwimmt. Ob das in einem fließenden Gewässer tatsächlich ausschließlich der Fall sein muss, darüber könnte man zu Silvester schon das eine oder andere Stündchen diskutieren (und damit eventuell die Pummerin und den Walzer versäumen, was schon einmal Glück wäre). Fisch, auch ganz wichtig, die Fisch-Kekse gäbe es schon ewig, las ich irgendwo, somit ein Alt-Aberglauben, die Wiener Schnittenfabrik Manner erzeugt 18 Tonnen pro Jahr. Darüber, ob man den Fisch vom Kopf oder vom Schwanz her anknabbern sollte, herrscht Uneinigkeit – wenn das kein Grund zur Panik ist, gerade jetzt!

Und dann natürlich Linsen, weil die so wie Geld aussehen. Ich persönlich finde zwar nicht, dass die wie Geld aussehen, ich finde eher, dass dünne Rübenscheibchen wie Geld aussehen, aber soll mir recht sein, ich mag Linsen. Hufeisen werden generell ja eher selten gegessen, Rauchfangkehrer auch nicht so und die venezianische Gondeln nur in Blei gegossen, glaub’ ich. Und was ist eigentlich mit dem mitternächtlichen Erdäpfelgulasch, was bedeutet das? Im Zweifelsfall wahrscheinlich Glück, Gesundheit und Reichtum, wie alles andere ja auch irgendwie, vielleicht aber auch nur die Erfüllung des schönen Reims

„Hast du Sonne im Herzen, und Zwiebel im Bauch,

da lässt sich’s gut furzen, und stinken tut’s auch“

Na toll, hätten wir das also auch abgehandelt.Man kann das Jahresende aber auch noch ganz anders kulinarisch dem Aberglauben widmen. Tiefkühltruhe abtauen, zum Beispiel, sehr rituell, sehr symbolisch. Oder Eiskasten entrümpeln, sehr rituell, sehr symbolisch und Jahr für Jahr erstaunlich, was da aus den hinteren Ecken alles zu Tage tritt. Auch nicht schlecht: Messer schleifen, sehr rituell, sehr symbolisch und ein starkes Zeichen für Willenskraft, findet Ihr persönlicher Aberglaubens-Beauftragter.

Wovon ich bisher noch nirgends gelesen habe, was im Umfeld all dieser Aufräum-, Ordnungs- und Erledigungs-Aberglauben zum Jahreswechsel aber auch ganz gut passen würde: Alle über die Jahre geöffneten Flaschen austrinken, besonders wirksam dann, wenn der Inhalt aller Kandidaten in einem Kübel gemischt und zu Mitternacht per Strohhalm konsumiert werde. Das sorgt für Luft im Schnapsregal und lässt einen spätestens am 2. Jänner in ganz anderer Qualität über den Blödsinn von Silvesterbräuchen nachdenken.