Trutgiving

FLORIAN HOLZER | 27.11.2016

Halloween kann mir persönlich ja gestohlen bleiben. Beziehungsweise ist es mir egal, da die geschminkten Kinder selten bis zu mir hinauf ins oberste Stockwerk kommen (oder es macht ihnen niemand auf, keine Ahnung), und die deutschen Studenten im Stock unter mir wollen eigentlich immer nur als Zombies verkleidet schreiend bunten Alkohol trinken, nach Süßigkeiten fragten sie jedenfalls noch nie.

Mit Thanksgiving ist das ein bisschen anders. Erstens, weil Erntedankfeste sowieso super sind, also zumindest dann, wenn sich Bauernbund und Raiffeisen dabei nicht allzu sehr in den Vordergrund drängen. Und zweitens, weil es das kulinarischste Fest des nordamerikanischen Kontinents ist, wenn nicht sogar einer der wenigen Beiträge dieses Kontinents zur kulinarischen Weltgeschichte. Familie, Gebet, Besinnlichkeit und Weihnachtsschmuck – mag man halten, wie man will, tatsächlich ist es aber natürlich der Truthahn, den man feiern sollte.

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Jetzt hat der Trut bei uns ja nicht so sehr den besten Ruf. Jahrzehntelang galt er als trocken-magere Alternative für Menschen, die nicht gerne Fleisch essen, sich zum Vegetarismus aber irgendwie noch nicht ganz durchringen konnten; wir erinnern uns mit Schrecken an Truthahn-Schinken, Truthahn-Extrawurst, Truthahn-Frankfurter; und dann natürlich die Bilder dieser ohnehin schon so bizarr aussehenden Vögel, blass, nackt und missgebildet in Massentierhaltungen, da beschloss man schnell und gerne einmal, auf Produkte aus der Truthahn-Welt zu verzichten.

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Dieses Jahr war es aber so weit: Der Indian kam ins Rohr. Ich besorgte einen (beziehungsweise einen halben, wir waren nur zu fünft, und ein halber Truthahn wiegt auch schon vier Kilo …) Bio-Truthahn aus dem Waldviertel, wir schoben ihm dick gehobelte Schwarztrüffel unter die fette Haut, rieben ihn noch mit Butter ein und verzichteten im Übrigen auf Fülle, weil ein halber Truthahn halt nicht so leicht zu füllen ist. Und weil wir außerdem eh Süßkartoffel-Prinzesskartoffeln hatten (nach einem Andi & Alex-Rezept, funktionierte leider nicht so richtig) und Kürbis-Curry und in Ahornsirup und Butter geröstete Maroni (aus dem Mittelburgenland, vom Verein „Kestenklauber“, super!) und das Gemüse, das wir mit dem Vogel mitgebraten haben und eine Pecan-Pie auch noch.

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Es war jedenfalls sehr super. Nach eineinhalb Stunden riet die beste Köchin bei uns in der Runde, Flügel und Bein mit Folie abzudecken, machten wir, die Haut wurde goldbraun (die Trüffel-Action wäre nicht notwendig gewesen, schmeckte man kaum; egal, lustig war’s), das Fleisch saftig und geschmackvoll. Wir jauchzten vor Extase.

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Wir schafften etwa Dreiviertel des halben Großvogels, am nächsten Tag ging sich dann noch ein Risotto mit aus den Trut-Knochen geschmorten Fond mit Radicchio und saftigem Restfleisch aus. Machen wir nächsten November wieder!