Uni, Ricci und ich

FLORIAN HOLZER | 01.08.2016

Das erste Blog seit zwei Monaten, in denen dieses meist unzusammenhängende Kulinarik-Tagebuch aufgrund von Urlaubsentspannung einerseits und darauf folgendem Superstress andererseits für 60 Tage ausfallen musste. Aber dafür gibt’s jetzt auch ordentlich was zu erzählen.

Zum Beispiel, was passiert, wenn man gemeinsam mit einer Freundesgruppe am Meer urlaubt, von denen jeder mindestens ein 14- bis 16jähriges Kind hat. Da ist es dann erstens ganz schön laut, also nämlich wirklich, und zweitens ertappt man sich dabei, zu glauben, dieser Lautstärke durch Gewitztheit ein Schnippchen schlagen zu können. Etwa, indem man die gemischte Brut dazu motiviert, ausgestattet mit ihren Hightech-Taucherbrillen und nicht versiegen wollender jugendlicher Energie nach Seeigeln tauchen zu lassen. Was jetzt noch nicht so der große Renner wäre, ich weiß, aber ich warf leichtfertig in den Raum, dass ich die Viecher dann auch zubereiten würde, was in den halb-erwachsenen Kindern offenbar doch eine gewisse abenteuerlustige Neugierde hervorrief und sie dazu ermunterte, zumindest mehrere Augenblicke lang unterzutauchen und die Erwachsenen zumindest sechs Minuten lang ungestört in der Sonne dösen zu lassen.

Die Momente waren rasch vorbei, die Brut stand mit einem Kübel voller Seeigel vor mir und forderte die Einlösung meines Versprechens.

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Okay, ich hab noch nie Seeigel zubereitet. Ich hab ein paar Mal Seeigel gegessen, „Uni-Sushi“ beim Japaner, cremig, fischig, leicht tranig, aber nicht uninteressant, beim Italiener als „Spaghetti con ricci di mare“, intensiv und toll, in Chile auch einmal, da kann ich mich aber nur vage dran erinnern, weil ich daraufhin mehrere Tage sehr krank war.

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Wie macht man Seeigel? Ich dachte, mit der Pasta-Version liege ich sicher nicht ganz falsch, und ich erinnerte mich, dass mir Seeigel fast immer äquatorial halbiert angeboten wurde. So machten wir es auch, beziehungsweise, so probierten wir es auch: Mit einer Zange halten und mit einer Schere am Äquator entlang aufschneiden. Dazu muss man jetzt sagen, dass ich mir Seeigel irgendwie anders vorgestellt hatte, stachelig und starr irgendwie. Tatsächlich waren die Tiere aber doch recht lebendig und beweglich, eh klar, und nicht nur das: Sie sahen auch ganz anders aus als in meiner Erinnerung, im Fernsehen oder in entsprechenden Foodblogs. Außer den fünf dünnen orangen Streifen, die das einzig Essbare am Seeigel sind, waren da nämlich auch irrsinnig viele Sand-artige, ungenießbare Steinchen (Ballast? Munition?), die sich kaum von den wenigen Gramm essbaren Seeigel-Organen trennen ließen. Wir schnitten also auf, löffelten in ein Teesieb, strichen die paar Tropfen Essenz in ein Tomaten-Zwiebel-Knoblauch-Stangensellerie-Petersil-Pesto.

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Nach etwa einer Stunde schweißtreibender Arbeit (die Kinder hatten das Interesse an der Verwertung ihres Jagderfolges ja längst verloren und waren wieder am Strand brüllen) hatten wir einen Topf voll inzwischen kalt gewordener Pasta mit einem Sugo, das erstaunlicherweise toll nach Meer, nach Brandung, nach Süden schmeckte. Jedenfalls nicht die schlechteste Pasta meines Lebens und sicher nicht die unaufregendste. Aber die wohl aufwändigste. Und ich lernte: Versprich der jagdlüsternen Brut keinen Bärenbraten, wenn du nicht weißt, wie du die Beute aus dem Fell schlägst. Das nächste Mal lass ich sie nach Langusten oder Wolfsbarsch tauchen …