Die Spargelgeilheit oder das Lulu-Argument

FLORIAN HOLZER | 16.05.2016

Ich mag Spargel gerne. Sowohl den weißen als auch den grünen, gerne gekocht, gebraten, als Gratin oder Lasagne gebacken, in der Folie gegart, von mir aus auch im Glasl eingelegt. Soll alles sein, macht mir alles Freude. Trotzdem geht mir der Hype auf die Nerven.

Dieses Zittern um den möglichst frühen Beginn der Spargelsaison, zum Beispiel, gerne auch mit hohem technischen Aufwand um ein paar Tage nach vorne verlegt. Es ist für die Qualität des Spargels nämlich völlig wurscht, wann die Saison beginnt, die ist nur für den Hype wichtig, wiederum ist dem Hype der Spargel am Ende seiner etwa zweimonatigen Saison schon wieder völlig egal, obwohl er da genauso gut ist, aber halt nur mehr halb so viel kostet. Wer soll das verstehen? Ich nicht, mir schmeckt er im Juni genauso wie im April.

Aber was macht ihn aus, diesen Hype? Dass es ihn nur so kurz gibt, den Spargel, vielleicht? Na ja, zwei Monate ist in der Gemüsewelt ja eigentlich nicht so ganz kurz, da gibt’s Saubohnen, Artischocken und Kerbelknolle auch nicht länger, dass die es deshalb aufs Cover der Zeitungen gebracht hätten, wäre mir aber nicht aufgefallen (obwohl sie es verdient hätten!).

Na dann vielleicht die „magischen“ – zwinker, zwinker – Fähigkeiten des Gemüses, die angeblich aphrodisierende Wirkung. Hahaha, also wer so etwas glaubt, der glaubt auch an die aphrodisierende Wirkung des Osterhasen. Ich mein, das ist längst wissenschaftlich widerlegt, und wenn man aufgrund von Spargelkonsum besser, länger, öfter, schöner oder sonstwie anders könnte/wollte als ohne, dann hätten Pfizer oder ein anderer Pharma-Riese damit wohl schon sehr ordentlich Milliarden geschöpft. Haben sie aber nicht, weshalb man davon ausgehen darf, dass es sich bei der Lust-fördernden Wirkung des Gemüses um einen Schmäh handelt.

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Aber die phallische Form, und die Römer meinten doch auch schon …! Erstens meinten die Römer viel, wenn der Tag lang war, und wenn’s zweitens wegen der Form wäre, dann müsste die Gurke ja auch fahren wie Sau, oder? Und der Verzehr von Morcheln wäre in katholischen Haushalten untersagt und fromme Mütter würden Kindern keine Bananen in die Schule mitgeben.

Interessanterweise hört man häufig, wenn über Spargel gesprochen wird, die Ansicht, dass der veränderte Geruch des Urins nach dem Spargelverzehr ein Argument für irgendwas sei, für Entwässerung, für Entschlackung, für Luststeigerung oder eh alles zusammen. Ist halt Blödsinn, der Geruch entsteht nämlich durch enzymatischen Aufspaltung des Spargel-Inhaltsstoffes Asparagin in schwefelige Verbindungen, was außer zu diesem Geruch zu sonst gar nicht führt. Weil die Rote Rübe ja auch nicht gut, böse, geil oder ungeil ist, nur weil man nach ihrem Verzehr rot pinkelt. Oder die Heidelbeere vom Teufel besessen ist, nur weil man nach reichlichem Genuss der Beere schwarz kackt. Wir haben 2016, Aberglauben ist out, Leute!

Bleibt die Frage: Warum funktioniert der Hype um das Gemüse trotzdem so gut? Ganz einfach, weil er aufwändig und teuer ist und es sich deshalb lohnt, Marketing zu machen. Vor 20 Jahren war der Spargel noch jedem ziemlich gleichgültig, man freute sich, wenn es ihn gab, nicht zuletzt, weil das selten der Fall war. Dann wurde die Anbaufläche im Marchfeld drastisch erhöht, Marken wie „SoloFino“ wurden geschaffen und plötzlich ging’s echt um Geld. Und wo Geld, da ist auch die Berichterstattung nicht weit und schon wird ein Gemüse zur aufregenden Angelegenheit.

Wunderbar!