Ich Verpel!

FLORIAN HOLZER | 14.04.2016

Unlängst strich ich mit Richard Poltnig durch die Tullner Aus, wir waren auf der Suche nach Morcheln, beziehungsweise sollten wir den Eindruck erwecken, als ob wir auf der Suche nach Morcheln wären (es war für eine Reportage über Morcheln …). Richard Poltnig ist einer der obersten Schwammerl-Auskenner und Schwammerl-Händler dieses Landes. Der ruhige, weise Mann aus Kärnten hat schon überall auf der Welt mit Schwammerln gehandelt und hat es ziemlich im Gefühl, wann es was wo und warum gibt – oder nicht. An diesem Tag gab es in Zeiselmauer jedenfalls keine Morcheln, was den Richard Poltnig aber auch nicht überraschte (weshalb er fürs Foto welche mitgebracht hatte. Lügenpresse!)

Wir nutzten die Zeit insofern, als er mir von seinen Morchel-Abenteuern in Alaska erzählte, wo riesengroße, köstliche Morcheln gedeihen, von den Morchel-Wettsuchereien in Wisconsin, von Kärntner Morchel-Original Edi Wallisch, der sich auf der Suche nach den zerfurchten Schwammerln mit einem Eishockey-Schläger eine Bahn durch Unkraut und Bärlauch fräst. Und davon, dass die wunderbare Morchel in Österreichs Gastronomie quasi nicht handelbar sei, weil einfach zu teuer. Beziehungsweise nicht unbedingt zu teuer, sondern um genau zu sein: viel teurer als die „Böhmische Verpel“.

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What the fuck is die Böhmische Verpel? Das ist auch ein Schwammerl, eine Morchel-Verwandte, die ähnlich aussieht, ebenfalls jetzt in den Auen gedeiht, aber halt häufiger Vorkommt als die echte Morchel. Und daher etwa dreimal weniger kostet. Allerdings halt auch nach dreimal weniger schmeckt, beziehungsweise halt nach einem eh guten, wässrigen Schwammerl schmeckt, wohingegen the real Morchel sowohl einen ganz speziellen Biss hat als auch einen unvergleichlichen Geschmack. In der Gastronomie würden daher hautsächlich böhmische Verpel verkocht, sagt der Auskenner, und mit dem Pulver getrockneter (echter) Morcheln aromatisch auf Touren gebracht. Ganz schön desillusionierend. Ich fühlte mich gleichermaßen vor den Kopf gestoßen als auch fortan im Besitz der einzigen Wahrheit.

Und ging auf den Markt, um Morcheln zu kaufen. Saftig lagen sie da, sagen ein bisserl pervers aus, erinnerten an den Penis eines außerirdischen Horrorwesens, wie das halt sein muss. Kaufte ich, schnitt sie auseinander und realisierte: Öha, es sind Verpeln (erkennt man daran, dass Schirm und Stiel nur am Kopf verbunden sind). Also nix da mit einziger Wahrheit, wieder reingefallen, wahrscheinlich hatte ich in meinem Leben noch keine echte Morchel gekauft, womöglich sogar noch nicht einmal gegessen. Mit klein gehackter Zwiebel, etwas Weißwein, etwas Hühnersuppe und einem Schuss Obers wurde jedenfalls ein ganz gutes Morchel/Verpel-Sugo draus, aber da hätten Champignons wohl auch geschmeckt. Trotzdem komisches Gefühl.