My private Dschungelprüfung

FLORIAN HOLZER | 20.01.2016

Dschungel ist wieder und damit die Chance, Menschen, die zuvor bei irgendwelchen Reality-Shows, Daily-Soaps und Casting-Deathmatches gewannen oder nicht gewannen, beim Leiden zuzusehen. Beziehungsweise eher beim gruppendynamischen Leiden am Lagerfeuer, weil die Sonder- und Ekelprüfungen sind nach den zehn Jahren, die es diese Show jetzt auf RTL gibt, ja schon ein bisschen berechenbar. Die Kakerlaken kommen von oben, die Krabben von der Seite, und wenn es was mit Wasser ist, dann sind Aale drin. Okay. Und auch seit den Zeiten des Schwarzweißfernsehens ein Klassiker: Dschungel-Teilnehmer müssen irgendwas unendlich Ekelhaftes essen, dann schreien, protestieren, würgen und mit den Augen rollen, wobei sie fix 37% der geschockten deutschen Zuseher an ihrer Seite haben.

Das sind die Augenblicke, in denen ich mir denke: Sind diese Dschungelcamp-Bewohner da jetzt so echt wie die Angeklagten bei Richterin Salesch? Oder freuen sich die nach ein paar Tagen Reis und Bohnen echt nicht über endlich ein bisschen tierisches Protein?

Zum Beispiel vor vier Jahren, als die Ernährungssituation der Dschungelbewohner davon abhing, ob Radost „Momo“ Bokel etwas runterwürgt, was ihr von den Moderatoren (gemeinerweise) als „vergorenes Entenei“ (oder so ähnlich) verkauft wurde. Sie machte ein unendliches Theater, schrie und weinte, und aß das „vergorene Entenei“ dann nicht. Obwohl das eigentlich haargenau so aussah wie das klassische hundertjährige Ei, das man in jedem besseren Chinarestaurant bekommt, dessen Cola-farbenes Eiweiß nach Soja und Gewürzen schmeckt, dessen grünlicher Dotter herrlich cremig ist und geschmacklich an geröstete Haselnüsse erinnert. Und von dem ich nach einer Woche Schmalhans gerne nicht nur eines essen würde. Aber was isst Radost Bokel, wenn sie im Chinarestaurant weilt? Immer nur die Acht Schätze? Immer nur M12?

Oder das unvermeidliche Sperma irgendeines exotischen Tieres. Meine Güte, okay, ist halt nicht paniert wie der köstliche gebackene Karpfenmilchner etwa in Patrick Müllers „punks“ (www.facebook.com/punks8https://www.falter.at/lokal/9714/punks), aber deshalb muss man doch nicht gleich eine tragische Arie singen und die Stimmung im Camp riskieren. Oder ebenso unvermeidlich die diversen Insekten, Mehlwürmer, Kakerlaken, Nashornkäfer, geröstet und gesalzen. Ich mein’, bei den diversen Foodfestivals, die unser Land derzeit epidemisch überschwemmen, stellen sich die Leute eine halbe Stunde lang an und zahlen echtes Geld, um ein paar von diesen Chitin-Kringeln kosten zu können (http://www.speiseplan.wien) – aber nach vier Tagen Reis ist ein knusprig frittierter, gewürzter Mehlwurm ein Problem? Ich versteh’s nicht.

IMG_4269

Gut, wenn man Vierter bei einer Bachelor-Show wurde oder mit einem Puff-Besitzer verheiratet ist, heißt das natürlich noch lange nicht, dass man sich fürs Essen interessiert und für kulinarische Abenteuer offen ist. Aber essen die Menschen, die da in dieses Dschungelcamp geladen werden, im wirklichen Leben immer nur Burger oder vegane Wok-Variation? Machen die bei jeder Andouillette, derer sie in einem französischen Bistro ansichtig werden, bei jedem frittierten Schweineohr, bei jeder Fischbeuschlsuppe auch immer so ein Theater? Oder ist das eh alles nicht echt? Immer diese Zweifel!