Sous Vide. Klingt super. Alles, was mit Essen zu tun hat, erfährt durch eine französische Bezeichnung ja gleich einmal ein bisschen einen Adelstitel – wenn es französisch ist, dann hat es kulinarisches Gewicht.
Eh. Abgesehen davon wurde die Garungsmethode ja auch wirklich in Frankreich erfunden und zweitens klingt „Vakuumgaren“ so, als schmeckte das Gegarte dann nach Chemie-Baukasten. Bei der Sous Vide-Garung handelt es sich um eine Hightech-Spielerei, die ursprünglich aus den Großküchen stammt, vor 15 Jahren dann aber auch von den Molekulargastronomen entdeckt und für Gourmet-Angelegenheiten weiterentwickelt wurde. Sous Vide-Garung funktioniert, indem man das Gargut – Fleisch, Fisch oder Gemüse – in Kunststoffbeutel einschweißt, die Luft absaugt und das Ganze dann im Wasserbad bei geregelter Temperatur extrem langsam Garen kann.
Die Vorteile liegen auf der Hand: Nichts, was drinnen ist, kann raus, kein Saft, kein Duft; Luft kann nicht dran, das heißt, man kann stundenlang herumgaren und das Zeug trocknet nicht aus; und eben dieses geschützte stundenlange Herumgaren ermöglicht eine Weichheit, die man sonst so eher selten zusammenbringt. Mit der Sous Vide-Garung kamen plötzlich Stücke auf den Teller, die sonst zu entweder Trockenheit oder Zähheit oder beidem neigten, Schweinerücken, Zwerchfell oder Herzzapfen vom Rind, zum Beispiel, plötzlich weich wie Marzipan.
Und genau darin liegt eines der Probleme. Ich will nicht, dass immer alles weich ist. „Weichheit“ ist für mich nicht automatisch ein positiver Qualitätsbegriff. Ich weiß natürlich, dass derzeit ein ziemlicher Trend zu weichem Essen herrscht – Schlagwort „Pulled Pork“ –, dass es derzeit weder den Köchen noch den Gästen weich genug sein kann, und dass wir uns essensmäßig stark in Richtung Brei bewegen. Ödet mich aber halt an. Für Wildbret brauchte man früher noch Zähne, heute kommt es mittels Kombidämpfer zu jeder Zeit allumfassend rosa und weich auf den Teller. Und damit es nicht ganz so fad ist, grillt man’s dann kurz vor dem Servieren noch kurz an, beziehungsweise legt – bei Schwein besonders gern gemacht – ein zum Popcorn frittiertes Schwartl dazu (das man allerdings auch zahnfrei knuspern kann).
Ein Steak mit Sous Vide-Garung „medium“ zu bekommen, ist keine Kunst mehr, man stellt einfach die Kerntemperatur ein und wartet ein paar Stunden – dann ist es weich und durchgehend rosa. Nicht mehr außen knusprig und graubraun, nach innen hin über rosig verlaufend bis zur Mitte mit seinem rosarotem Kern, nein, es ist durchgehend designer-rosa. Und weich (abgesehen davon, dass man wegen der langen Dauer von Niedertemperaturgarung natürlich immer auf Verdacht vorgaren muss – und die Fleischstücke dann am Abend wegschmeißen kann, wenn sie nicht bestellt wurden. Auch nicht so nachhaltig.)
Als einer der Pioniere der Methode gilt übrigens der englische Meisterkoch Heston Blumenthal, der mit besonders langer Garung und mit besonders niederen Temperaturen experimentierte. Dass seine Restaurants zweimal wegen Verseuchung mit Noroviren geschlossen werden mussten, hat zwar nicht unmittelbar etwas mit der Sous Vide-Garung zu tun, dass ein stundenlanges Simmern unterhalb der Pasteurisations-Schwelle gewisse Gefahren birgt, kann man aber halt auch nicht ganz von der Hand weisen.