In der Schweiz gibt es keine Berner Würstel. In der Schweiz weiß man nicht, was Berner Würstel sind. Weil das nämlich so war, dass die in Österreich irgendwann in den touristischen Wirtschaftswunderjahren erfunden wurden. Und weil man damals alles, was irgendwie mit Paprika war, als „Zigeuner-“, alles mit Paradeisern und Käse als „Mailänder-“, und alles, das man höchstwahrscheinlich unpassenderweise mit Dosen-Ananas verbrämte, als „Hawaii“ benannte, nannte man eben auch alles, was irgendwie mit geschmolzenem Käse war, „Schweizer“ oder „Berner“. So wohl auch das Würstel.
Seit einem Jahr besitzt das Berner Würstel sogar einen Wikipedia-Eintrag, der sich allerdings hauptsächlich auf eine „Wiff“ bezeichnete Sendung des Bildungssenders Puls 4 bezieht, dessen Redakteuren die Information vorlag, dass das Berner Würstel im Hotel Berner in Zell am See erfunden wurde. Nun ja, könnte schon sein, vielleicht aber auch nicht.
Aber wie auch immer, das Berner Würstel war bald Fixpunkt jeder Speisekarte einer Schihütte und jedes Ausflugsgasthauses, die Kreation eines Frankfurter Würstels, der Länge nach halbiert und mit Käse gefüllt, zur Fixierung dann wieder mit Speck umwickelt, erwies sich als Glückstreffer, gegrillter Speck, geschmolzener Käse und – obligatorisch – zuckersüßes Ketchup waren eine verdammt gute Mischung, muss man schon sagen, bitteschön.
Waren. Denn das Berner Würstel verschwindet. Also es steht natürlich schon noch auf Speisekarten von ranzigen Imbiss-Standeln, Ausflugsgasthäusern in Gegenden, die keinen Menschen mehr interessieren, oder Beisln, deren Budget nicht ausreicht, eine neue Karte zu drucken. ABER: DAS SIND ALLES KEINE ECHTEN BERNER WÜRSTELN MEHR! Das sind Frankfurter gewordene Käsekrainer, also Würstel mit integrierter Käsebröckerl-Fülle, lascher Speck nur mehr pro Forma und fürs Auge herumgelegt, ohne stabilisierenden Zweck, ohne statische Bestimmung. Diese Berner Würsteln sind – sprechen wir es offen aus – Betrug! Wo bleibt Slow Food, wenn man es mal braucht, frage ich. Wer rettet die Tradition des echten, des handgemachten Berner Würstels? Wo ist die Liga zur Befreiung vor dem vorgefüllten Berner Würstel?
Nirgendwo ist diese Liga, man bleibt allein gelassen. Machte ich also mal selber wieder Berner Würsteln. Mit feinen Zutaten natürlich, auf die Kalbsfrankfurter von LandArt hatte ich gerade keinen Zugriff (hoffentlich gibt’s die überhaupt noch!), also irgend so ein angeblich regionales, nachhaltiges Ding aus dem Supermarkt, Rohmilch-Tilsiter aus dem Bregenzerwald, Bio-Räucherspeck von der Gleinkersau aus Oberösterreich. War mühsam, muss ich schon sagen, Fitzelei, und damit wohl auch irgendwie naheliegend, warum die holde Tradition zugunsten eines maschinell gefertigten Pseudo-Berners verschwindet.
Aber welch ein Unterschied! Natürlich schmilzt der Käse bald, bildet eine Kruste, die sich mit dem ebenfalls krustenden Speck verbindet; das Würstel bleibt ungebraten, wird nur warm, was eh nicht so schlecht ist, die Küche stinkt sagenhaft nach verbranntem Käse. So wie früher.
Ich war auf meine Berner Würstel jedenfalls sehr stolz, werde ihnen die Treue halten, ihre Tradition trotz allen Gegenwindes bewahren. Wenn mich wer für ein Bundesverdienstkreuz vorschlagen will – ich stehe zur Verfügung.