Heute wollen wir der Dürren huldigen. Nein, nicht Dürüm, auch super, aber Dürre ist diesmal dran. Die gewöhnlichste unter den Würsten, die billigste unter den gefüllten Häuten. Eine der wenigen Würste, die man sich nicht einmal beim Meinl (gibt es sie dort überhaupt?) aufschneiden lässt. Dürre ist nitritpökelsalzige Meterware, Dürre kauft man im Ausmaß von zumindest einer Elle oder auch ein halbes Kranzel.
Der Ursprung der „Wiener Dürren“, auch bekannt als Braunschweiger, wird in der Zeit vor dem ersten Weltkrieg angesiedelt, einer Zeit, als wohl viele polnische Würste Eingang in die Wiener und Österreichische Junkfood-Kultur fanden, so etwa auch die Kabanosz und die Kolbasz. Die Dürre gehört zur Karegorie der Brät- und Brühwürste, das heißt, die Masse – bestehend aus Schwein, Rind und Speck – wird in den Darm (zumeist Kaliber 45mm) gefüllt und dann geräuchert und getrocknet. Die Nomenklatur des österreichischen Lebensmittel-Codex führt eine Menge Unterarten an, die Grenzen sind aber fließend.
Und selbst wenn der Name dieser wohlfeilen Spezialität vielleicht mit biblischen Katastrophen assoziiert wird, die sieben Jahre währen, mit Hungersnöten und Elend, und auch wenn in die Dürre wohl definitiv nicht die besten Teile von Schwein und Rind kommen („mittlere Qualität“), so ist diese Wurst dennoch ein wesentlicher Baustein des Wiener Wohlgeschmacks. Dürre etwa ist originalerweise für die fleischliche Komponente von Wurstfleckerln verantwortlich, und Dürre ist natürlich auch ein unverzichtbarer Bestandteil von Erdäpfelgulasch. Und als die Wurstsemmel erfunden wurde, waren es vornehmlich Braunschweiger oder Dürre, die da eingeschnitten wurden. Extrawurst wurde erst später die Nummer 1. In Kombination mit der einigermaßen hundertjährigen Haltbarkeit dieser salzigen, roten Wurst lag es für einen Wiener Haushalt daher nahe, immer zumindest einen halben Meter davon auf Vorrat in der Speis’ oder später im Kühlschrank liegen zu haben.
Wirklich lässig ist die Dürre natürlich dann, wenn sie vom Pferd ist. Pferdedürre! Ah, das klingt schon sehr nach authentischem Geschmack, herrlich. Auch geräucherte Varianten gibt’s, vor allem im Salzburger Land, können auch sehr gut sein. Und zwar nämlich auch und vor allem dann, wenn man die Dürre solitär genießt, also im Ganzen, ohne Nudeln und ohne Gulasch.
Die beim Urbanek am Naschmarkt gerne erzählte Legende besagt, dass die Rezeptur von Reinhard Gerer – einst als Küchenchef des Korso einer der besten Köche Mitteleuropas – stammt, die Dürre einfach ins warme Backrohr zu legen und durchzubraten. Verfährt man so, ist die Metamorphose der gewöhnlichen Wurst jedenfalls absolut bemerkenswert: Sie wird erstens saftig und weich, also das Gegenteil von dürr, und vor allem spannt sich die typischerweise gewellte Wursthaut. Ob das daran liegt, dass sich das Brät ausdehnt (so stark?) oder die Wursthaut unter der Hitze-Einwirkung zusammenzieht, ist für jemanden mit meinen physikalischem Wissen nicht seriös zu beantworten, ich nehme es schlichtweg zur Kenntnis. Ideal dazu: Estragonsenf. Und ein G’spritzter.