The Junkfood Diaries, Teil 2: Der Lee van Cleef unter den Dosen

FLORIAN HOLZER | 29.10.2014

Gibt es Junkfood, das nicht nur böse ist, sondern so richtig böse? So böse, dass die Kinder zu weinen beginnen und sich die Hunde mit eingezogenem Schwanz unterm Bett verkriechen? Ja, gibt es. Und gibt es Junkfood, das nicht nur einfach schlecht ist, sondern so richtig schlecht, eine Ausgeburt des Schlechten sozusagen? Ja, gibt es. Und gibt es so ein wahrhaftig schlechtes, böses Junkfood, das ich aber dennoch liebe (okay, oder besser: liebte, als ich noch ein Kind war)? JA, das gibt es. Es trägt die euphemistische Bezeichnung „Frühstücksfleisch“ und befindet sich in der Hierarchie des Essbaren ziemlich weit unten.

Frühstücksfleisch ist wohl eine Interpretation der mitteleuropäischen Nahrungsmittelindustrie am anglo-amerikanischen „Corned Beef“ (doch nein, ich lese gerade, dass auch das „Frühstücksfleisch“ aus den USA stammt, 1937 von der Firma Hormel erfunden wurde, die ihr Produkt SPAM – spiced ham – nannte …), jedenfalls im Gegensatz zu Corned Beef, das in gewissen Gegenden und zu gewissen Zeitpunkten ja durchaus einen tadellosen Ruf genießt, der pure Junk. Kriegs-Nahrung, Not-Nahrung, letzte Reserve.

IMG_2836

Schon deshalb böse. Es ist aber auch böse, weil es in dieser rosigen Würfelform, die da aus der Dose flutscht, natürlich derart denaturiertes Fleisch ist, wie’s ärger eigentlich nimmer geht. Und es ist böse, weil es die längste Zeit im Wesentlichen aus Separatorenfleisch hergestellt wurde. Zumindest darf man das annehmen, wenn jetzt ganz groß drauf steht, dass KEIN Separatorenfleisch mehr drin ist. Zur Erinnerung: Separatorenfleisch ist das, was mit Hochdruck-Gummibürsten von den Knochen geschabt wird, hat seit BSE einen schlechten Ruf. Und es ist böse, weil es weder nach Fleisch aussieht, noch nach Fleisch riecht, eher nach Katzenfutter. Und böse ist es, weil man auf seinen seltsam indifferenten Gewürzextrakt-Geschmack doch irgendwie süchtig werden kann. Und böse ist es natürlich auch, weil man – um es zu öffnen – mit einem speziellen Schlüssel einen schmalen Streifen Metall aus der Dose herausdreht. Was an und für sich nicht böse, sondern lässig wäre, wenn die dadurch entstehende Kante nicht messerscharf wäre und ich mir da im Sommer in Malta den Finger … aber lassen wir das.

IMG_2849

Ich hab jetzt nach langer Zeit wieder mal „Frühstücksfleisch“ in einem österreichischen Supermarkt gekauft – gar nicht leicht zu finden, dürfte kein Bestseller mehr sein. Wird aber nach wie vor angeboten, der rosa Würfel. Den Riß-Streifen hat man durch eine übliche Aufreiß-Lasche ersetzt, auch ein wenig rosiger und homogener wirkt es nun (wahrscheinlich, weil kein Separatorenfleisch). Und es riecht immer noch nach Katzenfutter, und mit ein paar sauren Gurkerln, scharfem Senf, etwas Schwarzbrot und einem Bier geht das komischerweise immer noch ganz schön leicht runter. Seltsam. Wird hoffentlich nicht wieder Teil meiner kulinarischen Gewohnheit werden. Es ist einfach zu böse.

PS: Das obere Bild zeigt „Spam“, also Frühstücksfleisch alias „luncheon meat“, das untere Foto zeigt echtes Corned Beef, wie es derzeit auch noch im Supermarkt zu finden und gar nicht billig ist. Das besitzt dank seiner holländischen Beschriftung immerhin eine gewisse Exotik und muss auch nach wie vor mit diesem Dreh-Schlüssel geöffnet werden. Nein, diesmal hab ich mich nicht verletzt.