Vor ein paar Jahren wurde der Hof des Hauses, das ich bis dahin mit Freude bewohnte, von Tauben besiedelt. Erst ein paar, dann immer mehr, schließlich achtzehn Stück, die da ihre sozialen Dinge, ihren Sex, ihren Krieg, ihre Ausscheidungen miteinander hatten. Von etwa fünf Uhr Früh bis Sonnenuntergang, manchmal auch mitten in der Nacht, begleitet immer von gellendem Gegurre (das Geräusch des Leit-Täuberichs erinnerte eher an Bellen und Kreischen) und Geflatter.
Das machte mich nicht froh, echt nicht. Ich sprach mit dem Chef der Hausverwaltung, fragte nach Netzen, Gittern, Dornen, er lachte und riet mir, ein Luftdruckgewehr zu besorgen und die Viecher abzuschießen.
Was ich tatsächlich überlegte, allerdings davon Abstand nahm, weil ich mir dachte, dass das in der Kronenzeitung irgendwie sicher nicht gut kommt, wenn der Beislkritiker vom Falter aus seinem Fenster schießt. Und einen Einsatz der Wega wollte ich auch vermeiden.
Der Gedanke der jagdlichen Lösung meines Problems ließ mich aber dennoch nicht ganz in Ruhe. Schließlich wusste ich, dass man etwa im Gut Oberstockstall (www.gut-oberstockstall.at), einem bis zu 700 Jahre alten ehemalig kirchlichen Anwesen am Wagram der Tauben auch Herr wird, indem sie einmal im Jahr runtergeschossen werden. Und dass Taube seit jeher gerne gegessen wird, ist auch kein Geheimnis, und daran, dass ich sie etwa bei Heinz Hanner (www.hanner.cc), im Tanglberg zu Vorchdorf (www.tanglberg.at) oder bei Konstantin Filippou (www.konstantinfilippou.com/de/) schon unendlich gut gegessen habe, kann ich mich auch noch sehr gut erinnern. Eine wunderbare Lösung eines echten Problems schien in Sicht!
Aber die erste Frage ist: Darf man das überhaupt? Darf man sich das köstliche Wildtier von der Brüstung pflücken, die Keulen schmoren, die Brüste rosa braten und die Knochen für die feine Sauce in die Entenpresse füllen? Ich rief bei der MA60 – Veterinärdienste und Tierschutz – an, die mir aber telefonisch keine Auskunft geben wollte und meinte, dass man in Presse-Angelegenheiten grundsätzlich zurückgerufen werde (passierte aber zwei Wochen lang nicht, wahrscheinlich alle auf Urlaub).
Ich fand dann eine Seite, auf der erklärt wird, dass Jagd – auch auf Tauben – in Wien grundsätzlich nur von „Jagdausübungsberechtigten“ durchgeführt werden dürfe (machen deshalb so viele Menschen, die ich kenne, den Jagdschein?), und dass es allen anderen nicht erlaubt sei, Wildtiere mutwillig zu beunruhigen, verfolgen, fangen, verletzen und töten. Von Zubereiten steht allerdings nichts da, von Notwehr auch nicht (www.wien.gv.at/gesellschaft/tiere/wildtiere/verhalten.html).
Womit wir bei der zweiten Frage wären: Wollen wir die Flugratte überhaupt essen? Ich rief Gerhard Methlagl an, der seit ein paar Jahren im Südburgenland Speisetauben züchtet und damit so ziemlich die ganze Gourmet-Restaurantszene beliefert (www.dertaubenhof.com). Seine Tauben seien besser als die bisher stets aus Frankreich bezogenen Tiere, sagen die Köche. Herr Methlagl meinte auf die Frage, ob man die Tiere, die da bei mir jeden Tag in der Früh Terror machen und die Fensterbretter zuscheißen, essen könne, „grundsätzlich ja“. Die Stadttaube sei so wie seine Zuchttauben ein Abkömmling der Felsentaube und damit durchaus genießbar. Ich brachte die mitunter enorme Größe der Tiere ins Gespräch und fragte, ob je fetter desto schmackhafter sei, was der Züchter allerdings verneinte, weil er meinte, dass die Stadttaube vom ursprünglichen Körner-Fresser zum Müllfresser geworden sei, was die Fleischqualität halt auch nicht so befördere. Die Keimzahl sei bei Stadttauben außerdem eher im katastrophalen Bereich angesiedelt und Dauerwirt für Trichinen, Salmonellen und Milben sei die Taube sowieso. Eher grauslich. Bei Arbeiten mit Handschuhen, genauer Kontrolle des Fleisches auf Trichinenbefall und Bevorzugung von Rezepten, wo die Flugratte durchgeschmort wird, könne man eine kulinarische Verwertung aber schon überlegen, so Methlagl.
Allerdings müsse man damit rechnen, dass das Tauberl aus dem Park recht zäh ist, er schlachte seine Vögel nämlich in der fünften bis neunten Woche, noch bevor sie mit dem Fliegen beginnen. Danach sei die Brust nicht mehr zu derbeißen.
Okay, man darf also nicht und aller Wahrscheinlichkeit nach will man das auch nicht. Schade. Ich sag das mal meinen Freunden, die sich gerade für den Jagdschein angemeldet haben …