Diese Wurst hatte nur ein Ende

FLORIAN HOLZER | 15.07.2014

Gestern war französischer Nationalfeiertag. Der richtige Moment, einer Spezialitäten zu gedenken, die es in ihrer Herrlichkeit nur in Frankreich gibt und geben kann. Und meine Bewunderung ist da überhaupt nicht ironisch gemeint, echt nicht, mir schmecken diese Sachen wirklich sehr.

Nein, gelobt werden sollen nicht die berühmten Froschschenkel, für deren Verzehr die Franzosen seit jeher vor allem in der englischsprachigen Welt verachtet werden; nein, auch nicht die Weinbergschnecken, denn deren Köstlichkeit wurde nicht zuletzt ja sogar in Österreich – nicht unbedingt das Kompetenzzentrum des Mollusken-Genusses – wieder entdeckt; auch die Lamproie sei hier nicht besungen, das düstere Lebewesen namens Flussneunauge, das man in Bordeaux gern in Rotwein und eigenem Blut gart. Weil man es in Lettland und Schweden auch macht, wie man in Wikipedia lesen kann.

Die Lobpreisung soll einer Wurst zuteil werden, und zwar einer, die nur von wenigen Menschen außerhalb Frankreichs geliebt wird (und auch unter den Franzosen gibt’s ein paar, die mit dieser Wurst nicht so recht viel anfangen können, sagt man): der Andouillette.

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Die Andouillette ist ein schon eher arges Teil, das im Wesentlichen aus Darm und Magen von Schwein und Kalb besteht und sowohl ziemlich stark danach aussieht, als würde sie im Wesentlichen aus Darm und Magen von Schwein und Kalb bestehen, vor allem aber auch ein bisschen so riecht, als würde sie aus Darm und Magen bestehen. Also ja, der Geruch ist gewöhnungsbedürftig.

Meine erste Andouillette hatte ich 1998 in einem kleinen Bistro am Boulevard Raspail, ich wusste nicht, worauf ich mich einließ und der Wirt warnte mich ausdrücklich. Ich aß das leise nach Fäkalien riechende und doch recht bissfeste Ding aber auf, recht viel scharfer Senf half ein bisschen, und wurde vom Wirt dann sogar auf einen Schnaps eigeladen. Weil er meinte, er hätte noch nie einen Deutschen gesehen, der eine Andouillette geschafft hätte. Ich hatte Angst, den Schnaps bezahlen zu müssen, wenn ich ihm erklärte, Österreicher und außerdem auch der Kuttel, des Beuschels und vor allem des Bruckfleischs guter Freund zu sein.

Seither lass ich aber keine Gelegenheit aus, die arge Wurst zu essen. Am besten sind sie wohl in Lyon, aber dort sind ja alle Würste am besten. Oder in Troyes, das offenbar als die Heimat der Andouillette gilt, aber dort war ich noch nie. Die „Association amicale des amateurs d’andouillettes authentiques“ (http://www.andouillettes.com), die an handwerklich hergestellte und hervorragende Andouillettes das Siegel AAAAA vergibt, weiß jedenfalls jede Menge Geschichten, Anekdoten und Belege aufzufahren, die den Troyeser Ursprung belegt. Soll mir recht sein. Sie erklären auf ihrer Seite auch, dass die Wurst fünf Stunden in Court Bouillon gekocht werden muss. Das ist nachvollziehbar und sicher nicht die schlechteste Methode, die Darm-Wurst weich zu bekommen. Aber wo bekomm ich in Wien jetzt so eine herrlich stinkende Wurst her?