Warum ich meinen Wein mache

FLORIAN HOLZER | 07.07.2014

Das ist jetzt eher was Persönliches, und wer was Persönliches in einem Blog nicht aushält, soll besser nicht weiterlesen. Ich will hier jetzt nämlich erklären, warum ich Wein mache. Warum ich meinen eigenen Wein mache. Und warum ich das nicht nur für ein feines Hobby, sondern auch für wichtig halte.

Zuerst, ich mache es, obwohl es nicht wenig Geld kostet, man bei der Bauernversicherung eine verpflichtende Unfallversicherung abschließen (done) und im Landwirtschaftsministerium eine Bestandsmeldung abgeben muss (noch immer nicht gemacht, ur strafbar, glaub ich …). Ich mache es, obwohl man im Winter raus muss zum Rebschneiden und einem da der eisige Wind in die Knochen bläst; und obwohl man im Sommer raus muss, wenn es so unerbittlich heiß ist, um Stock zu putzen und Geiztriebe auszubrechen. Ich mache es, obwohl man sich dabei in den Finger schneiden (eher unwahrscheinlich) oder von Insekten gestochen werden kann (nahezu hundertprozentige Wahrscheinlichkeit). Und ich mache es, obwohl es viel zu viel ist, um den Wein selber zu trinken – schließlich will man ja auch mal was anderes im Glas haben –, und ich den Saft andererseits nicht verkaufen darf – dazu ist mir erstens der bürokratische Aufwand zu groß und zweitens käme ich als Beislkritiker in einen Interessenskonflikt, wenn ich meinen Wein an Gastronomen verkaufen würde. Also ein bisschen selber trinken, ein bisschen die im Weingarten mithelfende Freunde damit belohnen, und sehr viel davon verschenken. Für meinen vorigen Wein, 300 Liter Grünen Veltliner 2008 vom Kahlenberg, hab ich sechs Jahre gebraucht, vorige Woche wurden meine aktuellen 600 Liter Neuburger aus Pfaffstätten gefüllt, da muss ich wohl einen Zahn zulegen, weil im Herbst ist schon die nächste Lese …

IMG_2425

Wenn man einmal mit der Weinmacherei angefangen hat, kann man jedenfalls ganz schwer wieder damit aufhören. Mein erster Wein war ein Grüner Veltliner vom Kammerner Heiligenstein, Jahrgang 1991, 250 Liter, ein befreundeter Winzer überzeugte mich damals, dass man von Wein nur was verstehen könne, wenn man weiß, wie sich ein Rebstock anfühlt, weshalb wir da zu dritt und unter seiner Patenschaft ein Plastikfässchen sauren Veltliner kelterten, der im nächsten Sommer bei einer rauschenden Gartenparty eigentlich zur Gänze ausgetrunken wurde. Vielleicht, weil das Etikett (mit einem Cartoon des heurigen Bachmannpreisträgers Tex Rubinowitz!) so super war, nein, der 91er ist in Wirklichkeit immer noch ziemlich gut.

Seither lässt es mich nie mehr ganz los, und wenn ich mal ein paar Jahre nicht an Weinstöcken herumgezupft habe, wächst es sich zu einem doch eher starken Bedürfnis aus. Weil das ganz nahe der Meditation ist, wenn man bei 300 Weinstöcken, von denen jeder ein bisschen anders ist, das Gleiche macht. Und man sich unendlich schöpferisch und glücklich fühlt, wenn man mit dem Rebschnitt und dem Anbinden fertig ist, und alles so ordentlich aussieht, oder mit dem Reinstricken und Ausbrechen, und wieder alles ganz ordentlich aussieht, und wenn man die Trauben beim heranreifen beobachtet, dann lässt sich der Eltern-Stolz quasi nicht vermeiden. Und wenn’s an die Lese geht, ist das eine Nervosität und ein Glücksgefühl, das sonst wahrscheinlich nur Mütter bei der Geburt haben. Gewagter Vergleich, ich weiß.

IMG_2100 IMG_2430

Mein Weingarten kostet mich ein bisschen mehr als 30 Stunden Arbeit im Jahr, das klingt nach wenig, ich weiß aber, dass es nicht wenig ist. Und es lohnt, weil man weiß danach, wie Wein entsteht, man wird zum mündigen Weintrinker. Man lernt, drei Jahre vorauszudenken, weil das beim Rebschnitt und beim Rebstock-Management nun mal wichtig ist; man lernt, die Natur zu fürchten, denn ein Hagel ist dann kein klimatisches Entertainment mehr, sondern kann dir deine Arbeit in zwei Minuten zerstören; man beginnt den Septemberregen zu hassen und in der Nacht aufzuwachen, wenn Tropfen ans Fenster trommeln; man lernt Gefühle wie Demut und Respekt einer 79jährigen, knorrigen Pflanze gegenüber kennen. Allein das ist es wert, und ich weiß, wie pathetisch das klingt. Abgesehen davon, dass man von Winzern weitaus ernster genommen wird, wenn man eine Ahnung hat, wovon man redet – nicht ganz unpraktisch im Tätigkeitsfeld des Genuss-Journalismus.

IMG_2431

Ich hab mir den 2013er ein wenig körperreicher erhofft, aber okay. Ist ja gerade erst auf der Flasche, Füllschock, außerdem karges, Säure-reiches Jahr. Und Säure ist beim Neuburger eh Mangelware. Wir werden uns schon aneinander gewöhnen in den nächsten sechs Jahren …