Wo blieb good old Chickenorbeef?

FLORIAN HOLZER | 02.07.2014

Ja, früher war alles besser. Oder zumindest manches. Oder zumindest das Essen im Flugzeug. Okay, vielleicht war es nicht besser, aber zumindest origineller, herausfordernder – und vor allem gab es noch welches.

Essen im Flugzeug ist nämlich wahnsinnig wichtig, ich schätze, Essen im Flugzeug ist ungefähr so wichtig wie die Qualität von Essen im Gefängnis oder auf der Galeere: Es ist fast egal, was es gibt, solange es nur etwas gibt und man sich drauf verlassen kann, dass es etwas gibt. Im goldenen Zeitalter des Tourismus gab es immer was. So kurz konnte man gar nicht fliegen, dass nicht trotzdem ein warmes Essen serviert wurde, von Wien nach München kamen die Stewardessen da mitunter ganz schön in Stress.

Und es war gut so, es sorgte für Neugierde, was sich da wohl unter der glühend heißen Alu-Folie verberge. Ob es völlig absurd oder nur mäßig absurd ist, ob man sich eh drauf verlassen kann, dass der weiße Plastik-Napf bis oben hin voll mit brodelnder roter Sauce ist, die sich bei der ersten kleinen Turbulenz glühend in den Schritt ergießt; ob man alles erkennen oder zumindest erraten wird können, was da komprimiert in diesen lustigen kleinen Tellerchen gestapelt wurde, und ob man alles wird aufessen können. Die Frage „Chickenorbeef?“ kam so sicher wie die Demonstration der Schwimmweste, das gehörte einfach dazu …

Flugzeug-Essen hatte bis in die späten 90er natürlich nicht den Grund, die Leute satt zu machen (zumindest war das nicht der Hauptgrund), sondern, um Zufriedenheit herzustellen, Ablenkung zu schaffen. Denn beim Essen haben die Leute am wenigsten Angst, ihr Kleinhirn suggeriert ihnen Sicherheit – ein nicht unwesentlicher Punkt im Umgang mit Flugpassagieren. Es gliedert außerdem die Zeit, vermittelt die Illusion eines normalen Tagesablaufs, auf Übersee-Flügen gibt’s etwa alle drei Stunden was zu essen, man verlässt das Flugzeug mehr oder weniger gemästet. Nicht, weil man so hungrig wäre, sondern wegen Entertainment und Beruhigung.

Wobei Hunger natürlich auch ein Punkt ist, der im Flugzeug eher nicht passieren darf. Denn hungrige Passagiere werden schnell grantig, hungrige Männer mitunter sogar unberechenbar bis aggressiv, will man im Flugzeug alles nicht haben, siehe Gefängnis-Vergleich oben.

Manche Fluglinien schafften es sogar, sich über das servierte Essen zu definieren. Von irgendwelchen fernost-asiatischen Linien wurden sagenhafte Dinge erzählt, auch Lauda-Air schaffte sich mit dem Dogudan-Catering ein enormes Image. Kein Wunder, da wurde damals nicht nur logistisch, sondern auch psychologisch gedacht, beim Rückflug nach Wien gab es fast immer Schnitzel – die Menschen weinten vor Glück …

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Alles vorbei. So was wie damals bekommt man heute nur mehr, wenn man Glück hat und upgegradet wird (ich hatte am Montag dieses Glück). Wahrscheinlich ist es weniger der Kostendruck als vielmehr der Umstand, dass Fliegen heute schon so normal geworden ist. Dass man keine flugängstlichen Passagiere mehr mit Essen ablenken muss; dass man nicht mehr die Luxus-Illusion vorgaukeln muss; dass nicht zuletzt dank Etablierung der Billigflieger die Service-Erwartung beim Publikum so dramatisch nach unten ging. Find ich schade. Jetzt bekommt man trockene Weckerl in Zellophan-Papier. Oder 20 Gramm Salzbrezel alternativ zum Schokoriegel. „Chickenorbeef?“ wurde zu „Saltyorsweet?“.

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So macht fliegen aber keinen Spaß, finde ich. Ich will wieder das komische Essen – auch, wenn’s so aussieht wie die Horrorbilder auf Marco t’Harts Seite www.airlinemeals.net. Sehr zu empfehlen übrigens die Seite, sowohl wegen der schönen als auch der schrecklichen der über 20.000 Bilder.