Ochs im Glas, Teil 4: Innereien oder – die Chronologie des Scheiterns

FLORIAN HOLZER | 30.05.2014

Nach der Schlachtung und Zerlegung des Ochsen, der bis Dienstag Früh Carson war, brachten wir Fleisch, Knochen, Blut und Innereien in einem Kühl-Anhänger, den uns freundlicherweise die Fleischerei Höllerschmid (http://www.hoellerschmid.at) zur Verfügung stellte, ins Waldviertel, zum Hof, in dem wir bis Mitte Juni verkochen, einkochen und das ganze drehen werden.

Es regnete seit Stunden in Strömen, der Kamp führte schon bedrohlich Hochwasser und unsere als Open-Air-Aktion geplante Koch-Session bekam ein Problem. Und es sollte nicht das einzige bleiben. Für den ersten Tag waren die Post-Schlachtungs-Klassiker Bruckfleisch, Blutwurst, Leberwurst und Leberknödel vorgesehen. Für die Blutwurst hätten wir uns aber um Kopffleisch und Schwarte vom Schwein kümmern müssen, denn ohne die funktioniert Blutwurst einfach nicht, schon gar nicht mit Rinderblut, was definitiv ein wenig unkonventionell ist.

Wir bekamen die Zutaten, aber nicht früh genug, um die Wurstmasse noch zuzubereiten und einrexen zu können, noch dazu, wo niemand von uns je Blutwurst gemacht noch sie in Gläschen gefüllt und in heißem Wasser eingekocht hatte. Also auf den nächsten Tag verschieben und Bruckfleisch machen: bisschen Leber, bisschen Milz, Stichfleisch – das ist das mit Blut getränkte und daher nicht verkaufsfähige Fleisch rund um die Einstichstelle zwischen Hals und Brust, wo der durch den Schuss betäubte Ochs ausblutet und dadurch stirbt – und Zwerchfell.

Dieses Zwerchfell war die Überraschung des Tages: Zwischen den Lappen weißer Sehnen-Struktur befinden sich mehrere Stränge fantastischen, kurzfasrigen Fleisches, dessen Muskelstruktur fast an Blutorangen erinnert. Und zwar gar nicht so wenig. Außerdem noch Rotwein, reichlich Wacholder und Lorbeer, Wurzelgemüse und natürlich Blut. Nicht viel, halber Liter oder so. Das ist auch eindrucksvoll genug, muss man sagen.

Scheitern mit Bruckfleisch

Tja, und dann müsste man sich halt in Anatomie ein bisschen besser auskennen und weniger Gourmet-obergescheit sein. Ich hab den Kollegen jedenfalls die Luftröhre als Aorta – die ja, vulgo „Lichteln“, auch ins Bruckfleisch gehört – verkauft. Ingo Pertramer schnitt sie nach meiner Anleitung brav in Ringerln und ich ließ mir meine Zweifel, dass diese harte Röhre jemals weichgekocht werden könnte, nicht anmerken. Sie bemerkten meinen Irrtum aber rasch, nachdem sich die Knorpelmasse der Luftröhre in dem schwarzbraunen Ragout zu steinharten Kringeln drehte. Ich musste sie wieder herausfischen, man lachte sehr über mich.

Das Beuschel klappte besser, obwohl die Lunge eines dreijährigen Ochsen natürlich nicht so zart wie die eines Kälbchens oder eines Lämmchens ist. Und obwohl sich die Kollegen vehement weigerten, das Wurzelgemüse „julienne“ zu schneiden. Es wurde trotzdem ein ziemlich gutes Beuschel.

Rahmherz klappte jedenfalls tadellos, bei den Nieren stellte es sich als Herausforderung dar, diese Innerei, die normalerweise immer rosa bis blutig serviert wird, durchzugaren, denn anders geht das  beim Einkochen nicht. Wir entschieden, diesen Fauxpas mit dramatischen Aromen zu kompensieren, eine Sauce aus einer Flasche Flasche Sherry, Senf und sehr viel Butter – gelang gar nicht schlecht, auch wenn nur zwei Gläser draus wurden.

Scheitern mit Kutteln

Einstweilen siedeten die zwei Tage in Salzwasser geweichten Kutteln. Das italienische Rezept für „Trippa Neapolitana“ (auf italienisch!) sprach von 30 Minuten Dünst-Dauer. Davon, dass die Dinger danach irgendwie zu beißen gewesen oder sonstwie genießbar gewesen wären, konnte man jedenfalls wirklich nicht sprechen. Sepp Schellhorn, anerkannter Kuttelmeister und Wirt des Restaurants Hecht! im Hotel Seehof in Goldegg (http://www.derseehof.at/restaurant-hecht/haubenkuche-salzburg/) riet uns Verzweifelten telefonisch, die Pansenstücke vier Stunden im Backrohr bei 140° zu garen, sonst würden sie nie weich, meinte er. Okay.

Bei der Blutwurst ging natürlich auch am nächsten Tag nicht alles gut, aber egal. Pertramer bringt mittlerweile minütlich seine Abneigung gegen Innereien zum Ausdruck, aber Nose-to-tail ist halt kein Ponyhof. Nowak ist besorgt ob unseres minimalen Outputs an eingerexten Gläsern, akzeptiert das aber noch als „Anfangsschwierigkeiten“. Morgen machen wir Zunge in Erbsenpüree, die – dann hoffentlich weichen – Kutteln, den Ochsenschlepp, die Backerln in Rotwein geschmort und Leberknödel, die wir mit mittlerweile sagenhaft intensiver Rindsuppe umhüllt in Gläser füllen wollen. Wird schon klappen.