Ochs im Glas, Teil 2: Wir trafen Carson

FLORIAN HOLZER | 26.05.2014

Oberösterreich, Gleinkersee, ungefähr zwischen Windischgarsten und Vorderstoder – ein kleiner, tiefer See, dahinter grau empor ragende Felswände, daneben sattgrüne Wälder und saftige Wiesen, davor das Gasthaus Seebauer (http://www.gleinkersee.at). Irgendwie der schönste Ort der Welt.

Hier halten Gunda und Klaus Dutzler seit knapp drei Jahren Rinder und Schweine – ursprünglich, um den Bedarf ihres Seegasthauses zu decken, mittlerweile mit einem sehr viel unbescheideneren Anspruch, nämlich als Modellfall für Nutztierhaltung zu dienen, zu zeigen, dass es auch anders geht: hochwertige Rassen aus guten Zuchten, zertifiziert biologische Haltung, Fütterung nur mit Hof-eigenem Futter, stressfreie Schlachtung, perfekte Reifung und erstklassige Zubereitung ganz ohne elitäre Attitüde.

Das hier war der Betrieb, von dem wir unseren Ochsen haben wollten. Und das war zum Glück auch der Betrieb, der sich darauf einließ, eine Schlachtung mit drei naiv beseelten Voll-Amateuren durchzuführen, um die ein hochprofessionelles Team von drei bis zu den Zähnen mit High-Tech-Zeugs bewaffneten Kamera-Leuten, einem Ton-Mann, zwei Regisseuren und zwei Assistenten herumwuseln.

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Heute waren wir da und trafen Carson. Carson ist der Ochs. Carson ist 26 Monate alt und wiegt etwa 640 Kilo, eine Angus-Galloway-Kreuzung aus der diesbezüglich besten Zucht, die es in Österreich gibt, der BOA-Farm von Fred und Dani Zehetner in Wildendürnbach (http://www.galloway.at). Carson ist der Älteste in Klaus Dutzlers Herde und daher der Chef. Er ist vorsichtig und etwas misstrauisch, und wenn ihm etwas nicht passt (etwa Kamera-Leute, die ihm zu nahe kommen), dann macht er daraus auch kein Geheimnis (und die Kamera-Leute schauen dann, dass sie Meter gewinnen). Carson ernährte sich seit den Tagen, an denen er nicht mehr am Euter seiner Mutterkuh saugte, ausschließlich vom frischem Gras und knusprig-duftendem Heu, kein Getreide, kein Soja, kein Mais, kein anderer Mast-Schnickschnack.

Morgen werden wir Carson schlachten. Das ist einstweilen noch ein komisches Gefühl. Wir wissen nicht, wie es uns gehen wird, wenn der Schuss fällt und der Ochse betäubt umfallen wird. Wenn das Messer durch die Halsschlagader fährt und das Blut rinnt. Wenn der dann tote Körper des Ochsen namens Carson wahrscheinlich noch recht lange zucken wird. Das wird nicht lustig sein, soll es auch nicht. Denn weil es lustig ist, machen wir das ja auch nicht.

Wir wissen nicht, wie es sein wird, wenn wir Carson den Kopf abschneiden, die Hufe abschlagen und die Haut abziehen müssen.

Es wird jedenfalls nicht so sein wie irgendwas, was ich bisher in meinem Leben gemacht habe. Und es wird höchste Zeit, dass ich es endlich mache. Morgen werde ich wissen, wie das ist. Und wissen, ob ich dann noch Fleisch essen kann und will.