Zeig mir, was du isst, und ich sag Dir, ob ich Dich wähle

FLORIAN HOLZER | 22.05.2014

Österreichische Politiker hatten bisher ein recht eindeutiges Verhältnis zu den Themen Essen & Trinken: Leugnen, Verheimlichen, Lügen, Heucheln. Fragte man österreichische Politiker nach ihren Lieblingsgerichten, kam mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit „Butterbrot, aber mit nur ganz wenig Butter“, „Schinkenfleckerl, so wie’s die Oma immer gemacht hat“ oder „ich habe leider keine Zeit zu essen und außerdem muss ich immer an das Elend der Welt denken“.

Die Dekadenz-Panik

No sicher. Grund dafür ist einerseits ein weit verbreitete Dekadenz-Angst, also die Befürchtung, beim Wähler als maßloser Prasser dazustehen, wenn man die Keckheit besitzt, zuzugeben, dass man gerne essen geht und dafür gern auch den verlangen Preis zahlt. Woher diese Einstellung rührt, ist nicht ganz leicht auszumachen, ich mein, immerhin sind Tourismus und Gastronomie zwei nicht ganz unwesentliche Geschäftszweige in Österreich, zu denen sich heimische Politiker aber lieber nur prinzipiell bekennen, nicht aber im Detail.

Was auch an den schlechten Erfahrungen liegen mag, die der frühere Bundeskanzler Alfred Gusenbauer machen musste, der dem Profil einst bereitwillig in die offensichtliche Falle tappte und auf die Frage nach einer Wein-Empfehlung antwortete. Was darauf folgte, war das, was man heute Shitstorm nennt, völlig absurd, lehrte Volksvertreter aber einerseits die ostentative Askese, andererseits Genuss und Hedonismus nur mehr im Untergrund zu praktizieren. Warum das etwa bei Theater- und Opern-Darbietungen anders ist, bleibt die Frage, aber okay, das ist ja Hochkultur und nicht die schnöde Lust-Befriedigung.

Die Fragen

Um den aktuellen Status des öffentlichen Genuss-Outings zu eruieren, schrieb ich an fast alle Kandidaten der EU-Wahl ein recht lapidares E-mail und fragte nach folgenden drei Dingen:

• Lieblingsgericht, und warum?

• Lieblingslokal in Österreich, und warum?

• Lieblingslokal in Brüssel, und warum?

Die Idee dahinter: Nicht nur die Offenheit, seine Lieblingsgerichte und Lokale zu verraten, sagt viel über einen Politiker aus, man kann – so meine Theorie – auch Werte, Weltläufigkeit, Genussfähigkeit, Mut und Neugierde erkennen. Dinge, die einem bei einer Wahlentscheidung vielleicht nicht ganz unwichtig sind. Die Antworten trudelten bald ein und waren – muss ich ehrlich sagen – überraschend:

Die Antworten

Fünf von sechs Kandidaten antworteten, Harald Vilimsky nicht, entweder, weil er den Falter nicht mag, keine Zeit hatte oder kein Lieblingsgericht hat.

Der erste war Martin Ehrenhauser, Europa Anders, der sich bodennah bis kämpferisch gibt:

Lieblingsgericht: Pasta mit Senf-Kapern-Sauce. Kreativ, würzig und trotzdem bodenständig.

Lieblingslokal in Österreich: Donauwirtinnen oder Spirali in Linz. Weil Menschen mit Leidenschaft und Herz dahinter stecken und man sich dort wie zu Hause fühlen kann.

Lieblingslokal in Brüssel: Das Porto Fino. Es ist das Restaurant in dem Ernst Strasser von den Sunday Times Journalisten überführt wurden.

Ich selbst war dort noch nie essen. Es ist jedoch seitdem für mich der Beweis dafür, dass es gottseidank auch investigativen Journalismus in Brüssel gibt.

Simon Rutar aus dem Büro von Eugen Freund, SPÖ, antwortete nur eine halbe Stunde später, Eugen Freund bleibt ein wenig unspektakulär, zeigt aber Geschmack:

Lieblingsgericht: Kärntner Kasnudel, weil sie mich an meine Kindheit erinnern.

Lieblingslokal in Österreich: Das Gasthaus Wolf im vierten Bezirk, wegen der guten Atmosphäre und der ausgezeichneten Küche.

Lieblingslokal in Brüssel: In Brüssel hab ich noch kein Lieblingslokal.

Sieben Minuten danach Emmanuel Ockay, Pressesprecher der Rekos, der für Ewald Stadler antwortete. Das Ergebnis liegt exakt im Spektrum bisheriger politischer Genuss-Offenheit:

Lieblingsgericht: Linsen mit Laugenbrotknödel. Diese Speise ist fleichlos, gesund und schmeckt ausgezeichnet, besonders wenn meine Frau diese Speise zubereitet.

Lieblingslokal in Österreich: Der Strasserhof von Nina und Alexander Eisenbock in Straß im Straßertale. Dort gibt es eine vorzügliche, bürgerliche Küche und einzigartige Atmosphäre.

Lieblingslokal in Brüssel: In Brüssel habe ich kein Lieblingslokal, generell gehe ich in Brüssel fast nie auswärts in Lokalen essen.

Am Tag danach schließlich auch Antwort von den Neos, Heike Fleischmann verrät die Vorlieben von Angelika Mlinar, die zumindest beim Lieblingsgericht nicht unoriginell sind:

Lieblingsgericht: Gemüsesuppe mit Apfelstrudel

Lieblingslokal in Wien: Café Français – schönes Lokal, gute Location, gutes Essen, freundliche, internationale Bedienung.

Lieblingslokal in Brüssel: Le Pain Quotidien, schönes Konzept mit Gemeinschaftstischen, gutem Essen und freundlicher, internationaler Bedienung.

Kurz danach Nachricht von Daniel Köster, Pressesprecher von Othmar Karas, ÖVP, der uns Folgendes verrät:

Lieblingsspeise: Meine Lieblingsspeise ist Saibling.

Lieblingslokal in Österreich: Ich gehe sehr gern in den Gasthof Schönberger in Nußdorf am Attersee. Mit Blick auf den See schmeckt es noch besser.

Lieblingslokal in Brüssel: Nach meinen Abendterminen treffe ich mich manchmal mit befreundeten Parlamentariern im Restaurant Positano, ein kleiner Italiener mit familiärer Atmosphäre, nur drei Minuten vom Europäischen Parlament entfernt. Auch am späten Abend gibt es dort eine sehr gute Minestrone.

Und schließlich konnte Wolfgang Machreich auch die kulinarischen Vorlieben von Ulrike Lunacek von den Grünen eruieren:

Lieblingsgericht: Saibling aus heimischen Gewässern mit Petersilienerdäpfel – weil ich Fische sehr gern mag und da auf die Herkunft achte; und ab und zu habe ich großen Gusto auf ein gut angebratenes Blunzengröstel – weil es so richtig deftig ist!

Lieblingslokal in Österreich: Ich habe nicht ein spezielles Lieblingslokal in Österreich. Zum Glück sind wir mit sehr vielen ausgezeichneten Restaurants und Gasthäusern im Land gesegnet. Da ich aber regelmäßig im Haus der EU im 1. Bezirk in Wien bei Veranstaltungen oder Arbeitstreffen bin, kann ich Ihnen ein ganz kleines Lokal aus dem Grätzel nennen, in das ich immer wieder gerne gehe: Das „a Barraca“ in der Hohenstaufengasse kann ich allen empfehlen, die einmal ausgezeichnete portugiesische Spezialitäten probieren wollen.

Lieblingslokal in Brüssel: Das „Coco“ am Place du Luxembourg – weil es für mich sehr praktisch gleich neben dem Europäischen Parlament liegt und es dort wunderbare Wok-Gerichte gibt.

Also kulinarisch wäre die Wahl recht eindeutig entschieden, find ich.