Political Animal


BARBARA TÓTH

02.03.2020

Haben Sie Pamela Rendi-Wagner auch schon abgeschrieben, so wie viele innenpolitische Kommentatoren in den letzten Wochen? Seit die SPÖ-Chefin sich entschlossen hat, ihre Parteimitglieder über ihre persönliche Zukunft abstimmen zu lassen, scheint sich die veröffentlichte Meinung endgültig von ihr abgewandt zu haben. Sie kann es einfach nicht, ihr fehlt das politische Gespür, eine sympatische Frau und tolle Expertin, das schon. Aber halt leider kein „politicial animal“, wie der langjährige politische Beobachter Peter Rabl zuletzt twitterte.

Also Game Over.

Da mischt sich der legitime journalistische Anspruch, einen politischen Helden beim Scheitern in Echtzeit begleiten zu wollen mit der vor allem bei fallenden Heldinnen leider gebräuchlich gewordenen Häme und banalem Voyeurismus.

Der Begriff „political animal“ verdient aber aus zwei weiteren Perspektiven eine nähere Erörterung. Er ist aus dem Englischen in den deutschen Politik-Journalistenjargon eingesickert, in  Anlehnung an Aristoteles‘ Definition des Menschen als politisches Wesen, und wurde zuletzt zum Beispiel für Boris Johnson oder Sebastian Kurz in klassischen Printmedien verwendet.

Sehen wir eine Frau vor uns, wenn wir uns ein „political animal“ vorstellen? Oder eher einen echten Kerl, so einen Polit-Haudegen? Und welche Grundidee eines Politiker steht dahinter, wenn wir die Fähigkeit, in diesem Beruf zu überleben, auf ein quasi naturgegebenes Talent begründen? Also auf etwas, das in der DNA einer Person steckt, nicht auf etwas, dass man durch Fehler und Erfahrung lernen kann?

Die britische Feministin Caroline Criado-Perez beschreibt in ihrem neuen Buch „Unsichtbare Frauen“ sehr gut, wie oft wir Begriffe in unseren Köpfen nicht als geschlechtsneutral, sondern als männlich wahrnehmen. „Political animal“ fällt ganz klar unter diese Kategorie.

„Pam ist kein political animal“ bedeutet nicht nur „Pam kann den harten Job Politik nicht“, sondern „Pam kann den harten Job Politik nicht, weil sie eine Frau ist“. Umgangssprachlich könnte man auch schreiben: „Pam fehlen die Eier dafür“, aber so etwas würde sich ein Mann in Zeiten der Sensibilisierung für Sexismen natürlich nicht mehr formulieren getrauen, also nimmt er den Umweg über Sprachbilder, um die entsprechenden Assoziationen entstehen lassen, ohne plump frauenfeindlich zu sein.

Der deutsche Jurist und Nationalökonom Max Weber (1864-1920) nennt ihn seinem legendären Essay „Politik als Beruf“ drei Eigenschaften, die für einen Spitzenpolitiker unerlässlich sind: Leidenschaft, Verantwortungsgefühl, Augenmaß. Vermutlich lässt sich Leidenschaft nicht lernen, Verantwortungsgefühl und Augenmaß jedoch schon.

Weber beschreibt das Politiker-Sein jedenfalls als etwas, das Berufung und Handwerk gleichermaßen ist. Daraus folgt, dass man aus Fehlern lernen können soll. Ein „political animal“ aber ist das genaue Gegenteil: ein Instinktpolitiker, einer, der aus dem Bauch heraus weiß, was zu tun ist, der das Spiel mit der Macht beherrscht und es auch genießt, die geborene Führerfigur.

So gesehen ist es ein Kompliment für Pamela Rendi-Wagner, kein „political animal“ zu sein. Es sagt nichts Gutes über das österreichische polit-mediale System aus, wenn es Persönlichkeiten wie ihr mit dieser Begründung schon nach wenigen Monaten (Rendi-Wagner ist seit 15 Monaten Parteichefin) keine Chance mehr gibt.

Dafür zeigt es auf, wie groß die Sehnsucht nach klaren, und damit immer auch autoritären (und in Genderkategorien maskulinen) Verhältnissen nach wie vor ist.