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Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 1006

Armin Thurnher
am 06.05.2023

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Dengelhammer. Foto: Wikipedia

Von Rudi Klausnitzer erreichte mich zur 1000. Kolumne folgendes Schreiben:

„Lieber Herr Thurnher,

Gratulation zur 1000. Ausgabe Ihrer Kolumne, die ich regelmäßig lese. Gerade weil ich nicht immer Ihrer Meinung bin. Manchmal würde ich gerne antworten, fühle mich aber dann intellektuell nicht auf Augenhöhe und entmutigt von dieser bewunderswerten Wortgewalt. Daher verfolge ich stumm, manchmal erheitert, manchmal schaudernd, wie Sie mit Ihrer rhetorischen Sense durch die Medienlandschaft schreiten.

Ich verstehe, wie mühsam es ist, sich mit Positionen auseinanderzusetzen, die man selbst als falsch empfindet. Eine österreichische Lösung dafür ist, statt der Auseinandersetzung, die persönliche Verächtlichmachung. Sie werden jetzt vielleicht sagen, davon haben Literaten und Satire schon immer gelebt. Ja. Aber es führt dazu, dass diese Methode auch zum vorherrschendem Stil der Kontrahenten in der tagespolitischen Debatte wird. Und da gibt es wenig Literaten und maximal Real-Satire. Die Gegenseite lächerlich zu machen ohne auf ihre Argumente einzugehen, wird zum Hauptziel der politischen Diskussion; statt beizutragen, Gegensätze zu verstehen und eigene Meinungen bilden zu können. Dazu beizutragen ist aber vielleicht keine befriedigende Herausforderung für spitze Federn in unserer Aufregungsgesellschaft.

Ich freue mich auf den nächsten Tausender,

mit herzlichen Grüßen

Rudi Klausnitzer“


Lieber Herr Klausnitzer,

zuerst danke ich gebührend für die Gratulation und die gewiss ernstgemeinten Komplimente. Ich erschaudere leicht bei dem Gedanken, andere einzuschüchtern und sie davon abzuhalten, die offene Auseinandersetzung zu suchen. Das möchte ich nicht.

Vielleicht möchte ich es doch und gestehe es mir nur nicht ein.

Ich stimme Ihnen zu, das Verunglimpfen des anderen ist – selbst wenn es auf akzeptablem literarischen Niveau geschieht ­– insofern fatal, als es Nachahmungen auf anderem Niveau anregt, wenn nicht provoziert, und so den öffentlichen Diskurs nach unten zieht.

Ich stelle mit zunehmendem Alter fest, dass ich diesbezüglich unempfindlicher werde. Ich kann mir das nur durch einige persönliche Erfahrungen erklären, die ich gerne mit Ihnen teile.

Ich habe Gründe anzunehmen, dass Sie sich auf den aktuellen medienpolitischen Diskurs beziehen, an dem sie als Moderator der neuen Mediengesetze zumindest in jener Phase teilgenommen haben, als die Frau Ministerin Raab Meinungen von Experten anhörte, zu denen ich anfangs zu gehören schien.

Ich merkte jedoch schon, als ich dort versuchte, sachlich meine Argumente vorzutragen, dass dies in einem Klima des Klientelismus nicht nur unerwünscht, sondern auch unverständlich blieb. Dass ich entgegen der Ankündigung der Frau Minister zu weiteren Anhörungen nicht mehr eingeladen wurde, betrachtete ich nicht als übliche Ungehörigkeit, ich verstand vielmehr, dass es sich gehört, das Ungehörige nicht anzuhören. Oder es höchstens einmal reden zu lassen, um sich sozusagen symbolisch zu exkulpieren: auch Sonderlinge kamen zu Wort. Es wunderte mich nicht.

Der medienpolitische Diskurs wird ja sogar im öffentlich-rechtlichen Rundfunk (mit wenigen Ausnahmen wie Ö1) systematisch vermieden. Mein Medium, der Falter wurde dort jahrzehntelang nach allen Regeln der Kunst geschnitten.

Ich dächte, als  Mitgründer und Herausgeber eines der mittlerweile inhaltlich relevantesten österreichischen Medienhäuser ein gewisses Recht zu haben, wenigstens Ansichten öffentlich artikulieren zu dürfen, kann aber nur konstatieren, dass jedes höflich vorgebrachte Argument nicht einmal mit Füßen getreten, sondern so vollkommen übergangen wird, als wäre es nicht vorhanden.

Soll ich Menschen, die mein Medium als Feindmedium betrachten, es seit Jahrzehnten als Fake-News-Medium diskreditieren (von Ernst Strasser bis Karl Nehammer), jedoch die verwerflichsten, korruptesten und niedrigsten Medien mit ihrer Kohle zuscheißen, wie es Mario Adorf in der von Helmut Dietl und Patrick Süskind geschriebenen Fernsehserie „Kir Royal“* einst so schön formulierten, soll ich solchen Menschen mit ausgesuchter Höflichkeit begegnen?

Ich habe es lange genug versucht. Aber ich gebe zu, die Sense verschafft mir, wenn nicht die Gewissheit politischer Wirkung (im Gegenteil hege ich jene der völligen Wirkungslosigkeit), so doch ein gewisses Gefühl persönlicher Erleichterung.

Ich werde mich immer bemühen, Argumente zu verstehen. Was aber, wenn ich sie zu gut verstehe und nur als die vorgeschobenen Lügen empfinde, die sie – zum Beispiel im Fall Sobotka und dessen angeblichem rechtlichem Zwang, den Untersuchungsausschuss zu präsidieren – wirklich sind? Wenn ich zusehen muss, wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk mutwillig ruiniert, die Wiener Zeitung böswillig zerstört wird? Wie ohne jeden Anflug von Zimperlichkeit die Fundamente unserer Demokratie beschädigt werden? Immer schön höflich bleiben?

Da greife ich lieber zu Dengelhammer, Wetzstein und Sense.

Zugleich werde ich immer versuchen, das Gras wachsen zu hören.

Schauen wir, ob es es für weitere 1000 Kolumnen reicht.

Ihr AT

*korrigiert am 6.5. (Ursprünglich stand hier „in der von F.X. Kroetz geschriebenen…“ K. spielte aber „nur“ die Hauptrolle in Kir Royal)


Im Übrigen bin ich der Meinung, man muss die Wiener Zeitung vor der Regierung retten.


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Was wir aus der Pandemie gelernt haben könnten: Distanz kann nicht schaden, halten Sie Ihre Impfungen up to date, Händewaschen ist nie falsch, benützen Sie Masken, wenn es sich empfiehlt, und bleiben Sie rücksichtsvoll. Ihr Armin Thurnher

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