Hier spricht euer Medienkaplan.

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 1005

Armin Thurnher
am 05.05.2023

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Ich war in Vorarlberg, beim famosen Matthias Neustätter, der eine Call-in Sendung bei Radio Vorarlberg macht und mich auf ein Live-Stündchen eingeladen hatte; dort wurden neben Hörerinnen und Hörern auch der Verfassungsrechtler Peter Bußjäger und die Concordia-Generalsekretärin Daniela Kraus zitiert.

Im Anschluss wurde ich auch kurz für das örtliche ORF-Fernsehen interviewt. Zur allgemeinen Überraschung sagte ich, unbezahlt und unbeeinflusst, mein Sprüchlein für den ORF auf.

Ich verteidige den ORF ja immer gern gegen seine Realität und für seine Möglichkeiten. Dazu später mehr.

Anlass für die Einladung war ein Podiumsgespräch, zu dem ich die einleitenden Worte sprechen durfte. Das fand in St. Arbogast statt, einer katholischen Bildungseinrichtung, die eine Reihe zu Medien und Demokratie mit dieser Veranstaltung eröffnete. So erhielt ich die Gelegenheit, in einigen Vorarlberger Medien vorzukommen, was ich insofern gern zur Kenntnis nehme, als ich in österreichischen Medien eher nur mit dem Wort des Ex-Ex-Kanzlers Sebastian Kurz vorkomme, ich hätte Schaum vor dem Mund.


In Vorarlberg geht es mir diesbezüglich besser, deshalb bedanke ich mich hier mit Hinweisen. Den Anfang machte das Vorarlberger Kirchenblatt, das mich gleich am Anfang fragte, welche Erinnerungen ich mit dem alten Sankt Arbogast verbinde (es wurde renoviert und auf völlig neue Füße gestellt). Ich antwortete wahrheitsgemäß: „Es war in den 1960er-Jahren ein modern-karger Raum, ich war dort ein-/zweimal zu Exerzitien, was ich mir als katholischer Jugendaktivist schuldig war. Die progressiven Jesuitenpatres haben mich als Diskussionspartner fasziniert und als ,moderne‘ Beichtväter irritiert. Da waren mir die schwerhörigen Kapuziner lieber.“ Und nein, die Richtung eines kirchlich-geistigen Lebens wollte ich nicht einschlagen, obwohl ich mir beizeiten vorkomme wie der Medienkaplan der Nation.

Ein noch schwerergewichtiges Interview führte Markus Barnay mit mir für die beachtliche Vorarlberger Zeitschrift Kultur, die ebenfalls gerade vor diesem Mediengespräch erschien. Er setzte sich mit meinem Buch „Anstandslos“ auseinander, es wurde drei ganze Seiten, die ich gerne zur Lektüre weiterempfehle. Hier nachzulesen ab Seite 18.


Im ORF-Studio bei Neustätter kam es mir dann: Auf die Frage, warum sich der Falter nicht an der Aktion „Weiße Seiten“ beteiligt habe, sagte ich nicht nur, was ich gestern hier ausführte.

Ich ging etwas weiter und führte aus, dass viel sinnvoller als die Idee, durch Beschränkung einer seriösen Konkurrenz seine eigenen, weniger seriösen Produkte profitieren zu lassen, mir eine Kooperation erschiene.

Ich weiß nicht, welchen medienpolitischen oder überhaupt politischen Horizont die medienpolitisch zuständigen Damen und der zuständige ORF-Chef Roland Weißmann haben. Den Verdacht, beides ende dort, wo ÖVP-Medienchef Gerald Fleischmann, der Medienguru des Sebastian Kurz, den Strich seiner einschlägigen Interessen ziehe, kann man nicht abweisen. Wo ist eigentlich der grüne Kuratoriumsvorsitzende Lothar Lockl geblieben? Hat es ihm die Sprache verschlagen? Die Enttäuschung  über die Grünen wächst ins Monumentale, und ich als ihr ehemaliger Teilzeitwähler kann nur hoffen, dass ihnen nicht ein Vor-Kogler-Schicksal blüht: bei einem Van-der-Bellen-Potential erneut aus dem Parlament zu fliegen.

Sie bemühen sich darum.


Hier aber endlich das Konstruktive, bestehend aus sechs medienpolitischen Vorschlägen.

Erstens: Die Blauen Seiten von orf.at werden nicht angetastet, sondern ausgeweitet.

Zweitens: Die Ausweitung besteht darin, dass sie täglich zehn anständige Artikel der österreichischen Konkurrenz bringen (von Dossier bis Presse), mit Link, Verweis auf den Ursprung und redaktioneller Aufbereitung der jeweiligen Zeitung.

Drittens: Die Anzeigenerlöse der Blauen Seiten (etwa 20 Millionen Euro) werden auf jene Medien verteilt, die seriösen (also von drei Experten, ausländisch und inländisch, definierten und überprüften) Ansprüchen genügen.

Viertens: Die Speicherbeschränkung von 30 Tagen für Beiträge des ORF wird gestrichen. Ein für alle Medien geöffnetes und ohne Barrieren für alle zugängliches österreichisches Medienarchiv nach dem Muster des APA-Archivs wird angelegt und mit Mitteln aus dem Inseratentopf öffentlicher Stellen finanziert.

Fünftens: Die Wiener Zeitung wird als täglich erscheinendes öffentlich-rechtliches Printmedium der Republik plus digitales Medium unter dem Dach der blauen Seiten fortgeführt.

Sechstens: Der ORF und von den drei Expertinnen ausgewählte Verleger bekommen den Regierungsauftrag, mit anderen europäischen Anstalten und Medienfirmen ein Social Medium europäischen Zuschnitts zu konzipieren, mit transparenten Algorithmen, als Konkurrenz zu Youtube, Twitter, Facebook, TikTok etc.

Siebentens: So sprach der Medienkaplan und hätte noch lange fortgesprochen, wäre ihm nicht die selbstauferlegte Platzbeschränkung mit einem „Amen“ ins Wort gefallen.


Im Übrigen bin ich der Meinung, man muss die Wiener Zeitung vor der Regierung retten.


Er ist die beste Wochenzeitung des Landes. Der Falter. Lesen Sie ihn. Unterstützen Sie sich und ihn mit einem Abonnement.


Was wir aus der Pandemie gelernt haben könnten: Distanz kann nicht schaden, halten Sie Ihre Impfungen up to date, Händewaschen ist nie falsch, benützen Sie Masken, wenn es sich empfiehlt, und bleiben Sie rücksichtsvoll. Ihr Armin Thurnher

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