Tausend Kolumnen für eine miese Welt

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 1000

Armin Thurnher
am 28.04.2023

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Ich habe mich auf diese Kolumne gefreut. Ein riesiger Berg schien erklommen, ich wollte viel Rückschau und ein wenig Ausschau halten. Wollte danken und denken. Danke allen treuen Leserinnen und Lesern, Abonnentinnen und Abonnenten, die sich  diese Kolumne schicken lassen (es werden immer noch täglich mehr, es sind bereits mehr als 8550 Leute).

Ich wollte denen danken, die mir erfrischend kluge oder witzig empörte Briefe schreiben oder sich einfach nur bei mir bedanken (mit denen fällt mir der Umgang am schwerstem obwohl ich ihnen gegenüber ebenfalls Dankbarkeit verspüre. Sie glauben gar nicht, Herr Doktor, wieviel Lob ich vertrage, pflegt Bruno Kreisky zu sagen).

Ich wollte Möglichkeiten erwägen, etwas kürzer zu treten und doch die Kolumne fortzuführen. Ich wollte dem Professor Robert Zangerle und seinem Kollegen und stillen Proof-Reader Niki Romani gebührend danken; sie haben an Umfang und Gehalt ein dickes Lehrbuch zu pandemischen Fragen geschaffen, mehr als 150 Folgen, und wer ernsthaft an einer sogenannten Aufarbeitung zum Zweck der Erkenntnisvertiefung interessiert wäre, würde diese Kolumnen nachlesen (sie stehen wie alle anderen Kolumnen auf dem Server zur Abfrage bereit).


Aber all die schönen Dinge verkneife ich mir, denn die Republik hat es sich so ausgedacht, dass ihre mediale Vertrottelung just an meinem Jubeltag kulminierte. Am gleichen Tag stellte sie die Wiener Zeitung als Tageszeitung ein und veröffentlichte ihren Entwurf eines ORF-Gesetzes.

Nun ist es wahr, dass hier und dort positive Einzelheiten hervorlugen. Man dankt als Untertan untertänigst, dass das RSO, das verdienstvolle Radio-Symphonieorchester nicht abgeschafft wurde. Man kann mit der Haushaltsabgabe insofern einverstanden sein, als sie besser ist als eine reine Budgetfinanzierung, und sozial wird sie sich ja auch noch ausdifferenzieren lassen.

Aber unter tätiger Mithilfe des ORF-Generaldirektors Roland Weißmann wurde eine historische Kleintat gesetzt. Diesen Orlando Pietoso sollte man vielleicht auf Fähnrichdirektor umbenennen, das käme dem Format seiner Auftritte und Handlungen näher. Weißmann bot von sich aus den österreichischen Verlegern den Kompromiss an, die Blauen Seiten inhaltlich zu beschränken.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk macht ein zeitungsähnliches digitales Medium, fanden die Zeitungsverleger, das besser ist als die digitalen Medien der Zeitungsverleger. Das ist ärgerlich, zumal dank der Marktmacht des ORF diese Blauen Seiten auch das erfolgreichste Digitale Medium des Landes sind. Und das mit journalistisch anständiger Ware! Wer hätte gedacht, dass so etwas geht! Die Verleger sicher nicht.

Aber sie wissen, wie man es wieder gutmacht. Die Blauen Seite müssen, wenn sie nicht ganz weggefiedelt werden können, wenigstens gestutzt werden. Das ist der österreichische Weg: Wir lassen nichts Gutes zu, denn das Gute ist der Feind unseres Schlechten. Also machma alles schlecht. Es ist dann alles ein bisserl mies, und das ist der Geisteszustand, in dem wir uns alle am wohlsten fühlen. Miesmacher überall, und schon merkt man gar nicht mehr, wie mies alles eigentlich ist. Die mieseste Medienpolitik der Welt macht’s möglich. In den weit aufgerissenen Augen der Medienministerin tun sich blitzblaue Abgründe der Miesheit sperrangelweit auf, einer Miesheit, die nicht besser macht, dass sie von Ahnungslosigkeit beflügelt wird.


Das hätte ich mir nicht gedacht, dass der ehemalige EU-Kommissar Franz Fischler einen Thurnher-Text auf einer Demo zitiert (ich war leider auf Lesetour am anderen Ende des Landes, las aber die Berichte), und sei’s auf einer Demo für die Wiener Zeitung. Ob er den Satz „Woher nehmen diese ahnungsvollen Leuchten des Politikgewerbes, Frau Raab und Frau Blimlinger, das Recht und die Frechheit, einer mehr als 300 Jahre alten Institution den Garaus zu machen?“ zur Gänze sagte, weiß ich nicht. Ich vermute, er ließ die „ahnungsvollen Leuchten“ weg.

Man muss noch genau untersuchen, warum die Politik nicht auf den Kern der Zeitung, auf die Redaktion hörte, sondern sich in ihrem Wahn vom Manager der Wiener-Zeitungs-Gruppe in die Irre führen ließ, der den Willen seiner Redaktion mit Füßen trat. Wie beim ORF und den Zeitungsverlegern griff die Politik mit traumwandlerischer Sicherheit zur von ihm inspirierten schlechtesten Lösung und brachte ihre Verachtung für alles Redaktionelle zum Ausdruck. Richtig mies.

Inhaltlich fiele mir zur Wiener Zeitung noch viel ein. Ich meine zwar, das Wichtige schon mehrfach gesagt zu habe, spüre aber trotz des vorherrschenden Schlag-in-die Magengrube-Gefühls, dass das alles noch nicht gegessen ist.

Ich habe jedenfalls nicht vor, die Verantwortlichen (Fleischmann genießt und schweigt) so leicht aus der Verantwortung zu entlassen. Es könnte ja sein, dass die Wiener Zeitung demnächst doch wieder täglich gedruckt erscheint. Dann wird man sagen, sie sei 320 Jahre lang täglich herausgekommen, mit zwei Unterbrechungen: durch die Nazis und durch die Schwürkis-Grünen Medienpolitikerinnen.


Morgen werden es tausendundeine Kolumne sein, und wenn ich doch ein Kurzresümee einschieben darf: die Welt ist in dieser Zeit deutlich mieser geworden. „Es is überall a bisserl mies“, sagte Eric Pleskow, der verstorbene Viennale-Präsident. Sein Satz wird immer wahrer.


Im Übrigen bin ich der Meinung, man muss die Wiener Zeitung vor der Regierung retten.


Er ist die beste Wochenzeitung des Landes. Der Falter. Lesen Sie ihn. Unterstützen Sie sich und ihn mit einem Abonnement.


Was wir aus der Pandemie gelernt haben könnten: Distanz kann nicht schaden, halten Sie Ihre Impfungen up to date, Händewaschen ist nie falsch, benützen Sie Masken, wenn es sich empfiehlt, und bleiben Sie rücksichtsvoll. Ihr Armin Thurnher

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