Heut Abend kommt der Koglmann. Schuh, Koglmann, Resetarits, Teil 2.

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 994

Armin Thurnher
am 21.04.2023

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Foto © Irena Rosc

Die Woche schreitet fort. Unbegreiflicherweise durchbrummt noch immer der Autogipfel die Nachrichten. Für dessen mutmaßlichen Nutznießer hat Kollege Klenk den hübschen Namen „Nehummer“ gefunden. Ich überlege immer noch, ob kurzfristiges Anheben des medialen Geräuschpegels den erhofften Effekt bringt. Immerhin übertönt dieses Geräusch die Abmurksung der Wiener Zeitung, die neonationalsozialistischen Social-Media-Affinitäten des Herrn Landbauer und die kommende Peinlichkeit, die sogenannte Corona-Versöhnungsinitiative.

Lassen Sie mich heute davon schweigen. Ich befinde mich in der Altherren-Woche, ungefähr zwischen Franz Schuh und Lukas Resetarits. Mehr davon gleich, weil ich einem Einfall nachgeben muss, Einfallspinsel, der ich bin, wie das bei Karl Kraus heißt. Als ich noch öfter auf Fußballspiele ging, weil diese noch nicht „in der Mitte der Gesellschaft angekommen“ waren, besuchte ich gern Hallenspiele der Alten Internationalen. Die stiegen einander nicht mehr auf die Knochen, die legten ihre ganze physische und psychische Energie in Ballbehandlung, Schmäh und Spielzug. Da sah ich zum Beispiel den alten Hans Menasse in Turnschuhen, wie wir sie in der Schule trugen, braunes Leinen, Gummikappe und Gummisohle. Aber was der mit dem Ball konnte! Unvergessen bleibt mir Erich Hof, der legendäre Stürmer des Wiener Sportclub, der seine Passes derart präzise und dabei mit Tempo an den Mann brachte, dass nur das Wort „gestochen scharf“ dafür passend scheint. Ein Pass ins Getümmel, und auf einmal war einer freigespielt, von dessen Möglichkeiten niemand etwa zu ahnen schien, außer eben dem Ärich.

Heute bleibt einem nur noch, Herbert Prohaska bei der Analyse und Hans Krankl beim Reden über Musik zuzuhören oder umgekehrt. Ich aber, der ich mich aus Verletzungsangst auf keinen Fußballplatz mehr traue, stehe mitten im Leben. Mitten in der Woche, vorgestern war der Schuh, heute Abend kommt der Koglmann und am Sonntag der Lukas Resetarits. Franz Koglmann ist ein zu Recht berühmter Trompeter und Komponist an der Schnittstelle zwischen Jazz und Neuer Musik. Er hat ein Stück mit dem schönen Titel „Franz Schuh. Duo für Piano und Flügelhorn“ komponiert und es zugelassen, dass einer Idee des Veranstalters Bernhard Kraller folgend, ich ihn bei der Uraufführung begleiten werde.

Er wusste, wie ich Klavier spiele, weil er einmal der Aufführung eines Haydn-Trios, des bisher noch nicht umbenannten berühmten Zigeunertrios im Klangforum beiwohnte, das ich mit Hilfe von Annette Bik und Andreas Lindenbaum über die Bühne brachte. Das ist leider schon lange her, aber Koglmann schöpfte dort Vertrauen zu meinen Fingern.

Mit Musik kann man mich zu fast allem verleiten, und so sagte auch ich zu. Die Noten kamen per Mail, wie es sich gehört. Ich wusste, dass mir der jazzige Zugang fehlte, und übte sie zumindest so ein, dass ich mir einbildete, einigermaßen flexibel mit dem Material umgehen zu können.

Vergangenen Samstag kam es zur ersten Probe.

Es war, wie ich gedacht hatte. Die acht Eingangstakte, freundlicherweise dem Klavier allein überlassen, musste ich in Betonung und Rhythmus verschärfen. Und die Metronombezeichnung?, fragte ich schüchtern. Koglmann lachte herzlich. Er schreibe seine Kompositionen mit der Software Finale, die ihn zwinge, eine Metronomangabe einzusetzen, sonst gestatte sie ihm nicht, weiteres zu Papier zu bringen. Auch die Akkorde da seien nicht so wichtig, ich solle mich um die Basslinie kümmern. Ich versuchte es.

Das Wichtigste für mich war aber, meine Scheu zu überwinden. Immer, wenn ich mit besseren Musikern spiele (also meistens), ergreift mich eine gewisse Hemmung ob meines Ungenügens. Ich bin ja nicht taub, während sie meistens überaus tolerant sind. So auch Koglmann, der es mir nicht übelnahm, dass ich da und dort eine Pause verschluckte. Wir fanden sie wieder, und es wäre gewiss fein, würden wir am Abend unfallfrei durchkommen. Ich muss dann aufpassen, nicht seinem Instrument nachzulauschen und mein eigenes zu vergessen. Wenn Meister spielen, kann das ganz schön dicht sein. Koglmann ist ein Meister. Das Stück, das er für Franz Schuh schrieb, ist eine Bagatelle, aber nur, was die Länge betrifft. Beginnt jazzig, fast mit einer Fanfare, wird dann durchsichtig strukturhaft, wieder jazzig und zurück, und das ganze zweimal und alles in knapp drei Minuten. Endet mit einem B-Dur-Akkord, könnte man meinen. Bis dann doch ein Ostinato im Stil vom Randy Newman, bei dem die vier Viertel durch ein vorgestelltes Sechzehntel „angeschoben“ werden, wie Koglmann sagt, ein frei improvisiertes Finale einläuten. Koglmann lässt fliegen, und ich bin froh, die Rhythmusabteilung simulieren zu dürfen.

Ich sitze im Künstlerzimmer, Koglmann spielt sich ein bisserl ein, drinnen im Saal sprechen die Kapazunder Alfred Pfabigan, Peter Strasser und Alfred Noll, das kann dauern bis zur Pause, und erst danach sind wir dran. Ich tippe nervös herum und setze das nach der Veranstaltung fort.


Es ist vollbracht. Alles gut gegangen. Das Ostinatato unter des Meisters Improvisation, eine reine Freude. Koglmann ist Gott. Danach noch andere Götter, Robert Reinagl las wunderbar, Franz Schuh war Franz Schuh. Was für ein Abend. Weitere werden folgen.


Im Übrigen bin ich der Meinung, die Regierung muss die Wiener Zeitung retten.


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Was wir aus der Pandemie gelernt haben könnten: Distanz kann nicht schaden, halten Sie Ihre Impfungen up to date, Händewaschen ist nie falsch, benützen Sie Masken, wenn es sich empfiehlt, und bleiben Sie rücksichtsvoll. Ihr Armin Thurnher

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