Zwiegespräche. Schuh, Koglmann, Resetarits. Teil 1

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 993

Armin Thurnher
am 20.04.2023

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Kreisky-Forum, 18. 4. 2023 Foto © Irena Rosc

Diese Woche hat es für mich in sich. Beginnt am Dienstag mit einem Gespräch im Kreisky-Forum, Vorstellung meines Buchs „Anstandslos“. Franz Schuh moderiert. Das geht nicht immer gut, wir hatten schon Vorstellungen, die waren weniger glücklich; dann lief es wieder großartig. Gestern war es wunderbar. Nicht nur, weil das Kreisky-Forum übervoll war und viele Bücher verkauft und signiert wurden, das Publikum angenehm aufmerksam war und an den richtigen Stellen lachte, aber nicht zu laut. Wenn alte weiße Männer miteinander reden, fehlen die jungen Frauen. Vielleicht ein Wermutstropfen, wobei mir ein gescheiter alter weißer Mann beim Hintern lieber ist als ein junger Tepp beliebigen Geschlechts beim Gesicht.

Wenn Schuh in Form ist, dann stellt er einem Fragen, die einen gleichsam auf ein anderes Niveau heben. Man ist nicht mehr gewöhnt daran, ein Gespräch zu führen.

Meist hält man das journalistische Klein-Klein mit seinen knackigen Fragen und ausweichenden Antworten („bitte fassen Sie sich kurz“) irrtümlicherweise für ein Gespräch. Aber es ist nur ein narzisstisches Rollenspiel zweier, die voreinander zu ihren jeweiligen Lagern oder Systemen sprechen; etwa auf der einen Seite Armin Wolf, der den Journalisten zeigt, dass er gut vorbereitet ist und niemals die kritische Frage vergisst (außer bei Fesser Filzmaier). Ihm gegenüber die Politikerin, die ihren Medienleuten, ihrer Partei und ihren Anhängern zeigt, dass sie dem Wolf sehr wohl gewachsen ist und bei allem Geaale auch noch drei Key Messages platziert.

Kein Gespräch. Genau so wenig wie der sogenannte Autogipfel zwar auf gewisse Weise darstellt, was man früher „den Gipfel“ nannte, also volkstümlich eine Frechheit, aber nicht einmal eine Parodie dessen zusammenbringt, was man gesellschaftliche Diskussionen eines wichtigen Themas nennt. Man stiehlt nur Fachleuten die Zeit. Besser wäre es gewesen, einen „Gipfel“ über die Frage abzuhalten, ob sich Nehammer einen Kinnbart wachsen lassen sollte; auch diese Debatte hätte ihm Aufmerksamkeit verschafft (und genauso wenig Wählerinnen wie der Autoschmäh). Aber wenigstens hätten ein paar Universitätsprofessoren nicht einen Tag als nutzlose Staffage des Noch-Nicht-Kinnbärtigen vertan, welcher derweil im Parlament seine Vasallinnen die Wiener Zeitung meucheln ließ.

Man hat das Gefühl, die verlorene Kunst des Gesprächs hat mit solchen Verwechslungen zu tun, und ich bilde mir ein, dass die Art, in der Franz Schuh Fragen stellt, in eine andere, bessere Richtung deutet. Da Schuh ein sehr gescheiter Mensch ist, muss man sich ein wenig bemühen, nicht allzu weit unter das vorgegebene Niveau zu fallen. Ich liebe ihn schon wegen der Art, in der er solche Gespräche vorbereitet. Er bereitet sie nämlich sehr sorgfältig vor und stellt nicht allzu viele Fragen, diese aber gründlich durchdacht und ausformuliert. Vor-Kommunikation nicht nötig, denn Kommunikation findet auf der Bühne statt.

Als ich ihn anrief und fragte, ob ich, da es sich um eine Buchpräsentation handle, aus meinem Buch vorlesen solle, beschied er mir kurz und bündig, nein, wir wollten ja ein Gespräch führen, und wenn es Passagen vorzulesen gebe, werde er das tun.

Das war mir sehr recht, und wir kamen dann fast ganz ohne meinen Text aus, bis auf eine extrafeine Pointe, die sich daraus ergab, dass Schuh den letzten Absatz des Buchs vorlas. Dort heißt es, ich sei nun „per Glasfaser an den Kosmos angeschlossen“.  Schuh verlas sich und sagte ich sei „per Glasfenster an den Kosmos angeschlossen“.

Welch wunderbar produktiver Fehler. Ist das Glasfenster nicht eine weltöffnende Art, an den Kosmos angeschlossen zu werden? Mein Glasfenster, durch das ich auf Bäume und Tiere blicke, auf Vögel und auf den Himmel, öffnet mir die Welt, was man von digitalen Anschlüssen bei Gott nur sehr begrenzt behaupten kann.

Weil ich mich bemühte, auch ein bisschen gescheit herüberzukommen, zitierte ich Panayotis Kondyllis, den legendären griechischen Kritiker der Aufklärung, von dem ich sehr viel über den Begriff der Würde gelernt habe. Leider nannte ich ihn Jannis Kounellis, welcher ein bedeutender griechischer Künstler war. Aber niemand lachte mich aus. Über Würde schrieb ich einst ein Buch, auch darüber, dass, wenn das Ansehen der Person und das Ansehen des Amtes nicht mehr zueinanderpassen, wie bei Kirche und Adel der Neuzeit zunehmend der Fall, sich die darüber empörten Bürger polemisch gegen dieses Würdeversagen wenden.

Na gut, es hat mich sehr geehrt und gefreut, Teil dieses zumindest für mich erinnerungswürdigen wirklichen Gesprächs gewesen zu sein. Aber es geht weiter! Es gibt noch mehr große weiße alte Manner, mit denen ich diese Woche dialogisieren kann. Als zweiter ist der Trompeter Franz Koglmann dran, den ich heute Abend bei seiner Komposition „Franz Schuh. Duo für Klavier und Flügelhorn“ begleiten darf. Und dann kommt Lukas Resetarits, mit dem ich zur Sonntagsmatinee im Stadtsaal antrete. Ich werde berichten.

(Wird fortgesetzt)


Im Übrigen bin ich der Meinung, die Regierung muss die Wiener Zeitung retten.


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Was wir aus der Pandemie gelernt haben könnten: Distanz kann nicht schaden, halten Sie Ihre Impfungen up to date, Händewaschen ist nie falsch, benützen Sie Masken, wenn es sich empfiehlt, und bleiben Sie rücksichtsvoll.

Ihr Armin Thurnher

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