Gott, wir danken dir für alles. Vor allem aber für diesen Mann.

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 991

Armin Thurnher
am 17.04.2023

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Ich hoffe, Sie bewundern meine mentale Stärke. Ich habe ihn unkommentiert gelassen, den Auftritt von Sebastian Kurz, der vor Ausschaltimpulsen nur so strotzte. Den ersten setzte bereits die Moderatorin, als sie verkündete, der Ex-Exkanzler sei zu Gast „bei ihr“. Ein Missverständnis, denn diese Sendung ist weder ihr Privatbesitz, noch erfüllt sie die geistigen Mindestansprüche eines Salons, und sei es bloß ein TV-Salon.

Komm Herr Jesus, sei unser Gast und segne, was du uns bescheret hast. Die segnenden Gesten und der alte Blick voll lämmerner Unschuld waren da, aber man hörte doch eine Riesen-Nachtigall trapsen. Während viele Menschen in den sogenannten Social Media ihre Verwunderung kundtaten, was den ORF da reite, den vorkommen zu lassen, konnte ich das ganz einfach beantworten. Es waren zwei Gründe. Erstes, der ÖVP helfen. Zweitens, Business. Wobei die Reihung keine Priorität vergibt.

Die ÖVP bekennt sich nach wie vor zu ihm, seine Leute durchsetzen das politische Gewebe von Land und Regierung. Die Umfragen sind fatal, und er, der alte Umfragenkaiser, ist bereit, sich jederzeit in neue schwindelnde Höhen zu erheben. Wobei, wir wissen es, der Schwindel gern zur Realität wird, weil er so glaubhaft ist. Gott, wir danken dir für diesen Schwindler, denn er beschwindelt uns und lässt uns doch zugleich an ihn glauben. Ein Wunder! Und all seine Koketterie, er habe in der Politik „seinen Beitrag geleistet“ verfliegt in dem Augenblick, wo der Ruf erschallt.

Derweil aber hält er sich mit Auftritten fit, die er seiner zahlenden Kundschaft, sprich seinen Partnern zeigen kann; die braucht ja nicht zu wissen, dass er vom EU-Botschafter Martin Selmayr und vom China-Experten Mikko Huotari freundlich, aber bestimmt abgekanzelt wurde wie ein Lehrbub; politisch-strategisch hatte er kaum mehr als Knabengewäsch zu bieten.

Das alles kam in der Presse, wenn überhaupt, schaumgebremst vor (ich gebe zu, ich habe nicht alles gelesen); die Kleine Zeitung erwähnte sein peinliches Litigation-P-R-Gestrampel am Ende; auch das war naturgemäß ein Anlass für den ORF, ihn zu präsentieren.

Dass Österreichs Mini-Trump Sebastian Kurz, im Sold der schärfsten amerikanischen Reaktionäre, ausgerechnet seinen Vorgänger Christian Kern von der SPÖ mit Trump verglich, weil dieser – vollkommen zu Recht – darauf hingewiesen hatte, dass sich Kurz die Wahl 2017 erschlichen hatte, war dann doch ein Bubenstück, das ohne jene kernige Erwiderung blieb, die es verdient hätte.

An der Beschriftung des Kurz-Tower am Ring wird noch gearbeitet. Das„SK“ in SK-Management steht für Sebastian Kurz.

 

Inzwischen ist Frau Köstinger im Kurz-Tower am Ring (ehemals ÖAMTC-Haus) eingezogen; Gernot Blümel und die anderen sind schon da. Der Aufschrift dieses Prinzenpalasts der Austro-Neofinanzkapitalisten ist noch nicht recht donaldistisch, aber das wird mit steigenden Profiten schon noch kommen.


Denn Business war der Auftritt von Kurz durch und durch. Ein Partner der Großen, wie er im Buche steht. Ein Unternehmer, der was unternimmt. Er hat viel Geld, das verdient man als Kanzler eben so, Peter Thiel, der rechte Tycoon, zahlt ihm 500.000 Lappen im Jahr, damit kann man schon das eine oder andere Startup füttern, und Alexander Schütz ist ebenfalls kein armer Partner. Diese Art des Unternehmertums passt nur zu gut zur Generation Kurz, da sie ihre nobelste wirtschaftliche Aufgabe darin sieht, Geld Geld hecken zu lassen. Deswegen ist Kurz’ geopolitischer Imperativ auch nur interessengeleitet. Es ist gar nicht uninteressant, wie er in diesem Fall jeder Moral abgewandt und jedem Geschäft zugewandt daherredet.

Die weltanschaulichen Konflikte laufen lassen, solange sie laufen wollen, deeskalieren, für Moral können wir uns nichts kaufen. Selmayrs Replik, mit Moral könne man keine Politik machen, ganz ohne Moral aber auch nicht, quittierte Kurz mit freundlicher Verständnislosigkeit.

Konflikte ja bitte, aber doch nur, solange sie unsere geschäftlichen Interessen nicht behindern. Kreuzfahrer wird der keiner mehr, außer die Börsenkurse für Kreuzzüge steigen. Muss man sagen, beim Trumpismus war nicht alles schlecht? Oder ist diese Art von egozentrischer Amoralität nicht doch ein bisserl zum Kotzen?

Fragen wir die Moderatorin. Aber die hat wieder einmal nichts bemerkt, weil sie auf den Zettel blickte, um im falschen Moment zu unterbrechen. Die ORF-Führung reibt sich die Hände, Fleischmann schnurrt, die Quote hat halbwegs gepasst, im Kurz-Tower brandet Jubel auf.


Im Übrigen bin ich der Meinung, die Regierung muss die Wiener Zeitung retten.


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Was wir aus der Pandemie gelernt haben könnten: Distanz kann nicht schaden, halten Sie Ihre Impfungen up to date, Händewaschen ist nie falsch, benützen Sie Masken, wenn es sich empfiehlt, und bleiben Sie rücksichtsvoll.

Ihr Armin Thurnher

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