Döpfneriana. Das Finanzkapital plaudert wieder aus dem Chat-Kästchen.

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 988

Armin Thurnher
am 14.04.2023

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Matthias Döpfner. Foto: © Wikipedia

Also gut, ich bin ein Mitglied der Eliten. Nur weicht mein Konzept von Elite doch erheblich von dem ab, was uns an den Spitzen von Staat und Wirtschaft begegnet. Ich habe ein von den, wie man auf englisch sagt „Humanities“ geprägtes Bild von Elite, Humboldt und so, und denke unverschämterweise, ein Mensch ohne Bildung gehört nicht an die Spitze von irgendwas.

Wobei der Bildungsbegriff mich doch sekkiert; ich verstehe nämlich gerade nicht jenen Qualifikationssadismus darunter, in dem zum Beispiel die Wilhelminischen Gymnasien der Kaiserzeit glänzten oder mit der englische Privatschulen der Gegenwart das britische Machtpersonal verformen. Bestien, die seitenweise Homer im griechischen Original aufsagen können, wie etwa Boris Johnson, betrachte ich nicht als gebildet, schon gar nicht, wenn sie zugleich lügen wie gedruckt und sich die Taschen vollstopfen wie Bankräuber.

Hingegen hegte ich die Flause, Matthias Döpfner, der Chef und Mitbesitzer  des Springerkonzerns, sei doch irgendwie gebildet. Die von der Wochenzeitung die Zeit nun veröffentlichten Chats des Herrn Döpfner belegen das Gegenteil. Der Mann an der Spitze des größten deutschen Medienunternehmens mit Ambitionen, eines der größten US-Medienunternehmen zu werden, ist AfD-und FDP-Fan, Corona-Schwurbler und Klimawandelleugner und schreibt gebrochenes, nein erbrochenes Deutsch.

Mir als schöpferischem Menschen, der gern, wie Franz Schuh so unsterblich sagte, Verdacht schöpft, wobei man hinzufügen muss, dass man dieser Tage nicht mehr Verdacht zu schöpfen braucht, der Verdacht wird einem vielmehr kübelweise über den Kopf gegossen, verdachtsbegossene Pudel sind wir, also, als verdachtschöpferischem Menschen war mir dieser Döpfner schon seiner kurzistischen Sympathien wegen verdächtig vorgekommen.

Als er bei einer Medienenquete des weiland Medienministers Blümel als sogenannter Keynote-Speaker auftrat und liberales Zeug von Meinungsfreiheit und so daherredete, das aber in Wirklichkeit nur auf Marktliberalisierung zielte, und gleich wieder flott, begleitet von zwei Leibwächtern durch die Menge abtrottete, hatte ich schon kein gutes Gefühl. Dieses Gefühl verstärkte sich, als Sebastian Kurz, der „Corona-Kanzler“, von Bild und Welt als das Inbild des neuen Konservativismus gepriesen wurde, als Anti-Merkel (Merkel nennt Döpfner in den Chats „m“ und sieht sie als „Sargnagel der Demokratie“, wobei er vermutlich nicht an die Wiener Autorin und Zeichnerin dachte) und überhaupt als Glanzfigur.

Es wird nun zur Gewissheit, dass mich mein Schöpfernäschen nicht in die Irre führte, als ich im Zusammmenhang mit den Döpfner-Chats las, dass Döpfers Sohnemann in den USA das Büro von Peter Thiel leitet, dem Arbeitgeber von Sebastian Kurz. In aller Grobschlächtigkeit tritt hier eine neue Internationale der Rechten vor uns. Ausgerüstet mit Medienmacht, Geheimdienstkram (Palantir!) und Finanz-Power tritt sie an, die Welt vor der schädlichen Demokratie zu retten und die nützliche, gottgefällige Plutokratie des Finanzkapitals einzuführen, mit leicht zurückgestuften Rechten für die Unterklassen.

An groben Banausen fehlt es in den Eilten auch bei uns nicht. Die Orthographie-Kenntnisse des Herrn Döpfner, der sich im Jahre 2021 einen Bonus von 40 Millionen Euro zubilligte, Springer-Anteile im Wert von einer Milliarde und die Stimmrechte seiner Gönnerin und Fördererin Friede Springer hält, die Mehrheit am Konzern aber an den US-amerikanischen Finanzkonzerne KKR (spezialisiert auf Filetieren und profitables Verkaufen von Unternehmen) abgegeben hat, werden von jenen des Kanzlers Nehammer und seines Teams noch unterboten.

Unsere Eliten sind auf den Sobotka gekommen, der meint, Klaviere seien Kunstwerke, und er selbst, dieses Konglomerat aus Banausentum, Kapellmeisterausbildung, Inkompetenz und Chuzpe, stelle den Inbegriff des kultivierten Menschen dar. Die Chats von Eva Dichand, Sebastian Kurz und all den anderen zeigen uns den Zustand von Eliten, welche die obersten Gremien des Landes kontrollieren (Frau Dichand einen Universitätsrat). Einer wie Steueroptimierer und Putinversteher Siegfried Wolf juckt schon lange niemanden mehr.

Vielleicht war es nie besser. Caesar war zwar imstande, De Bello Gallico zu schreiben, und Alexander der Große hatte bedeutende philosophische Lehrer. Bekanntlich ging es jedoch schnell bergab mit der Führungskultur; wir haben längst das Niveau eines Caligula oder Caracalla unterschritten. Die Zeiten eines Roosevelt, Kreisky oder meinetwegen Churchill zählen auch schon zur Antike.

Aber Döpfner. Der fühlt sich als ehemaliger Musikkritiker geradezu feinsinnig, was er mit der SMS „Am Ende sind es nur zwei Dinge, die bleiben … KUNST und LIEBE“ ausdrücken wollte. Die Süddeutsche Zeitung, als kleine Konkurrenz Springers natürlich wie ich von Neid und Missgunst zerfressen, bemerkte dazu, das wäre „ein guter Zeitpunkt, um sich die Wartezeit auf weitere (Döpfner-)News zu vertreiben mit dem großen Gottfried Benn. Der schrieb, und zwar nicht in einer SMS: ,Ob Rosen, ob Schnee, ob Meere, was alles erblühte, verblich, es gibt nur zwei Dinge: die Leere und das gezeichnete Ich.‘“

Sollte Döpfner aber auf die berühmte Gedichtzeile von W.H. Auden angespielt haben, in der es heißt „we must love one another or die“, darf ich daran erinnern, dass Auden im Rückblick diese Zeile zum Verlogensten zählte, was er je schrieb, und den Wiederabdruck des Gedichts „September 1, 1939“ untersagte.

Wir leben in finsteren Zeiten, da klären uns erst die Lügen darüber auf, wie die Sache in Wahrheit steht. Herr Döpfner sagt naturgemäß, er habe alles nicht so gesagt und wenn doch, ganz anders gemeint.


Im Übrigen bin ich der Meinung, die Regierung muss die Wiener Zeitung retten.


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Was wir aus der Pandemie gelernt haben könnten: Distanz kann nicht schaden, halten Sie Ihre Impfungen up to date, Händewaschen ist nie falsch, benützen Sie Masken, wenn es sich empfiehlt, und bleiben Sie rücksichtsvoll.

Ihr Armin Thurnher

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