Die Abrissbirne will das Schwert sein. Neues Sobotkinesisch.

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 986

Armin Thurnher
am 12.04.2023

Abonnieren Sie Armin Thurnhers Seuchenkolumne:

Das ist nicht Sobotka, sondern ein Aktivist der Partei „Der Wandel“, der sich aus Protest an Sobotkas Protzklavier anklebte. Foto: © Wandel

Kaum war ich, osterfriedlich gestimmt, in Slowenien und setzte die S-Kolumne für drei Tage aus, schlug der S-Präsident zu und gab den Oberösterreichischen Nachrichten ein Interview.

Darin tat das einstige Großmaul kleinlaut, aber das war nur Verstellung. Er hat jetzt einen neuen Schmäh, der geht so: „Politische Kommentare brauchen keine Bewertung von mir.“ Wie schön, dass sich einer unserer großen Um- und Abwerter auf einmal, wenn es für ihn unangenehm wird (er sollte die ÖVP-FPÖ-Koalition in Niederösterreich kommentieren) der Neutralität seines Amtes besinnt.

Aber derer besinnt er sich nicht einmal. Er tut nur so, als sei er persönlich geläutert, quasi als Teil des Renovierungsprojekts des Hauses am Ring auf neutralisiert aufpoliert. Aber der Schmäh ist zu billig, damit kommt er nicht vom Ende der Beliebtheitsskala weg.

Irgendwie hat er ein mulmiges Gefühl, oder, wie es in einem uralten Bob-Dylan Song heißt: „Something is happening und you don’t know what it is, do you, Mister Jones?“

Jones-Sobotka hat so ein Gefühl. „Manchmal habe ich das Gefühl, man will mich mit Mobbing wegbringen“, sagt er, und zieht eine der ollesten Rhetorik-Klamotten aus dem Mottensack, die Schuldumkehr.

Der Mann, der seit Jahrzehnten die Republik mobbt, tut nun, da ihm der Wind ins Gesicht bläst, so, als würde er gemobbt. Das erinnert mich an den plumpen Schmäh konservativer Kritiker, die mein Buch Anstandslos kritisierten, weil ich deftig zum Ausdruck brachte, dass ich mich von Sebastian Kurz beschissen fühle. Das, meinten die Herren, verletze den Anstand. Ich dachte eher, der Inseratenschwindel und der Rest der Kurz-Show täten das.

So versucht sich nun auch Obermobber Sobotka als Mobbingopfer. Er sei wohl ein „zu scharfes Schwert“ gewesen (von Schärfe redete wahrlich niemand). „Vieles hat man mir wohl nicht verziehen“, murmelt er kleinlaut. Genau. Warum sollte man ihm verzeihen, dass er eine Milliarde Wohnbaudarlehen verzockt, den Schwindler Sebastian Kurz durch Abrissbirnentätigkeit an die Macht gebracht und einen ganzen Untersuchungsausschuss aus parteiischen Gründen sabotierte – um nur das Offensichtlichste zu nennen?

Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Erst wenn dieser sich verzieht, wird ihm verziehen werden.


Damit kommen wir zur Kultur. Die folgende kleine Gesprächspassage stellte ich mir gerne als Rezitativ einer Opernszene vor, die Wortmeldungen untermalt von einem geistvoll ironisch gespielten Cembalo.

Der Interviewer fragte S.: „Sie sind für Ihr Engagement gegen Nationalsozialismus bekannt. Was sagen Sie zu dem Vorwurf, Johanna Mikl-Leitner habe ,Kellernazis‘ in die Regierung geholt?“

Er aber antwortete: „Es gibt einen gesetzlichen Rahmen, auf den ich sensibel reagiere. Politische Kommentare brauchen keine Bewertung von mir.“

Der Interviewer fragte abermals: „Aber klar ist, dass Mikl-Leitner viel für eine Koalition mit der FPÖ riskiert.“

Und Sobotka antwortete zum zweiten Male: „Aktuelle politische Situationen kommentiere ich als Präsident des Nationalrates nicht.“

Cembalo: Pling, pling.


Die Szene ist überschrieben mit dem Titel „Kultur des Antisemitismus“. Lassen wir uns nicht vom hirndrehenden Sobotkinesmus „es gibt einen gesetzlichen Rahmen, auf den ich sensibel reagiere“ ablenken und erinnern wir uns daran, dass unserem neuerdings mollifzierten Nationalratspräsidenten zum Antisemitismus seines politischen Freundes Viktor Orban ebenfalls nichts einfiel; allerdings stand ihm damals noch nicht die famose Floskel „politische Kommentare brauchen keine Bewertung von mir“ zur Verfügung,  die man am besten so übersetzt: „Meine politischen Freunde fallen nicht unter mein Anti-Antisemitismus-Verdikt.“

Das ist gelebte politische Kultur in Österreich, und ihr stolzes Haupt sitzt dem Nationalrat vor. Zwar fragt es sich jeden Tag, das Haupt, warum das Klima nicht respektvoller wird, ja, das Haupt zermartert sich die Birne, um nicht zu sagen es reißt sich die Birne ab, aber es fällt und fällt ihm nicht ein.

Dürfen wir helfen, Mon Bresident?

Das Klima wird nicht respektvoller, weil Sie noch da sind!


Nachdem sie die politische Kultur und die partiell antinationalsozialistische Kultur durchhatten, kam das Gespräch noch auf die Causa Prima, das Goldklavier. Nun will unser Haupt voll Blut und Wunden das Goldklavier kaufen.

Zur Begründung legt es immer wieder die gleiche Platte auf: „Österreich ist eine Kulturnation und schon in Skizzen des Architekten Theophil Hansen war ein Flügel von Bösendorfer im Parlament angedacht. Zur besseren Einordnung dient vielleicht ein Vergleich mit dem Deutschen Bundestag. Dessen Kunstsammlung umfasst 5100 Kunstwerke, von Picasso bis Kokoschka.“

Hoppla, Brese, nicht so schnell. Ein Bösendorfer mag von Hansen „angedacht“ gewesen sein, und es spricht auch nichts gegen einen ordentlichen Flügel. Aber ein kitschiges, neureiches Protzstück war gewiss nicht angedacht. Das hätte Hansen nicht einmal überdacht. Ob gekauft, ob geleast, ein Klavier ist kein Kunstwerk, sondern ein Erzeugnis von Kunsthandwerk und Industrie.

Wäre Österreich tatsächlich eine Kulturnation, würde sie einen bramarbasierenden Banausen wie diesen Sobotka keine Sekunde lang an ihrer Spitze dulden.


Im Übrigen bin ich der Meinung, die Regierung muss die Wiener Zeitung retten.


Er ist die beste Wochenzeitung des Landes. Der Falter. Lesen Sie ihn. Unterstützen Sie sich und ihn mit einem Abonnement.


Was wir aus der Pandemie gelernt haben könnten: Distanz kann nicht schaden, Händewaschen ist nie falsch, benützen Sie Masken, wenn es sich empfiehlt, und bleiben Sie rücksichtsvoll. Ihr Armin Thurnher

Abonnieren Sie Armin Thurnhers Seuchenkolumne:

Weitere Ausgaben:
Alle Ausgaben der Seuchenkolumne finden Sie in der Übersicht.

12 Wochen FALTER um 2,50 € pro Ausgabe
Kritischer und unabhängiger Journalismus kostet Geld. Unterstützen Sie uns mit einem Abonnement!